Hellsing und Iskariot

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Es braucht ein paar Minuten, bis es wieder geht. Das werde ich ihn nie vergessen lassen. Niemals! Ich wische mir eine Träne aus dem Gesicht und richte mich auf. "Hallo, Lady Integra. Was kann ich für Euch tun?" Die runden Brillengläser spiegeln kurz, ehe sie nickt. "Deine Seite der Ereignisse erfahren. Was passiert ist. Und zwar so korrekt und in der richtigen Reihenfolge, wie möglich, Draculina." Kurz bin ich irritiert. Muss mich aber selber daran erinnern, dass ich das jetzt bin. Andere wollen ihre Religionen wechseln... ich wechsle eiskalt die Rasse. Warum nicht? Also erkläre ich so genau und detailliert wie möglich, wie alles abgelaufen ist. Aus meiner Sicht. Und auch meine Gedanken dabei, da man sonst ein paar der Aktionen nicht verstehen könnte. Ich kenne mich. Von außen sieht das Random aus! Aber... es steckt eben ein Plan dahinter. Meistens. Hin und wieder. Wenn man Glück hat.

Lady Integra rückt sich die Brille zurecht. "Du bist also mit ein paar der Wachen mit. Hast einen Kommandanten getötet. Hast dir eine M16 geholt und weitere sieben Leute umgebracht. Daten auf den Stick gezogen, die übrigens sehr hilfreich waren. Danke hierfür. Hast dich dann fangen lassen. Wurdest gefoltert. Hast Seras Doppelgänger erschossen, nachdem du eine Tür auseinandergebaut hast." "Das Schloss, Lady Integra. Das war nur das Schloss.", berichtige ich sie und bin dann sofort wieder still. "Wie auch immer. Hast Alucard gerettet, der aufgrund eines Mittels kurz vorm verrecken stand. Das Mittel wird im Augenblick überprüft. Die Formel haben wir in den Daten gefunden. Dann habt ihr Seras gefunden und habt mir nichts dir nichts einfach so ein Portal in eine andere Welt zerstört?" Leicht unsicher sehe ich zu Alucard, dann zu Seras. Dann wieder zurück. "Sieht... so aus. Joa.", gebe ich leise von mir und nicke, ehe sie seufzt. "Das sollte eine einfache Mission werden. Keine, bei der alle fast ihr Leben verlieren!"

Den Kommentar, dass ich an sich mein Leben verloren habe, verkneife ich mir jetzt einfach mal. Ist besser so. Die Lady ist gerade etwas schlecht drauf. Das mit dem Schloss war schon riskant. Ich sehe zu Alucard und ziehe eine Augenbraue hoch. Ach komm schon. So schlimm gleich? Ich lebe noch! Wenn man das Leben nennen kann. Ich existiere. Also kann man es nicht als so schlecht ansehen. Außerdem- Ein Schlag auf meinen Hinterkopf. "Könntet ihr aufhören, euch gedanklich zu unterhalten? Deine Aufmerksamkeit liegt jetzt bei mir, Florentina Kindred!" Abwehrend hebe ich die Hände und sehe sie wieder direkt an. "Kurze Frage, Lady Integra." Sie nickt. Gibt mir zu verstehen, dass ich die Frage stellen kann. "Was ist mit dem zweiten Stick? Ich hatte zwei. Einen mit einem Kreuz drauf, der mir abgenommen wurde. Und der ohne Kreuz wurde mir von dem Doppelgänger gegeben. Wisst Ihr, was sich darauf befindet?"

Entgeistert verzieht sie das Gesicht. "Ja. Das.", meint sie und schüttelt den Kopf. "Hat das System bei unseren Technikern heißlaufen lassen. Nur ein paar Tote. Das Haus ging in die Luft." Perplex werden meine Augen groß. "Wie...?!" Also ich weiß ja, dass man Viren oder Trojaner auf einen Rechner spielen kann. Aber keine Bombe! "Virus raus in das System geschleust. Kühlsystem ist ausgefallen. Rechner überhitzt. Und ungünstige Lagerung.", erwidert sie gelassen und winkt ab. "Die meisten konnten entkommen. Aber was auch immer auf dem Stick war, ist verloren." Gut, ich glaube, dass das jetzt nicht so schlecht ist. "Der andere Stick wird noch analysiert. Es sind verdammt viele Dateien, was seine Zeit in Anspruch nehmen wird." Wenigstens ist der ein wenig nützlich. Eine Frage fällt mir noch ein. "Was ist eigentlich mit Iskariot? Da hieß es doch, dass man vielleicht zusammen arbeitet und so..." Die Lady räuspert sich nur kurz und Schritte sind hörbar, die zu niemandem passen. Skeptisch drehe ich mich um und muss das Grinsen anfangen. "Pater Alexander Anderson. Sie trauen sich hier in das Feindesland?", frage ich amüsiert und komme ihm sogar entgegen.

Die Hand auf meinem Kopf lasse ich zu und gebe Alucard gedanklich die Warnung, dass er sich nicht einmischen sollte. "Nachdem ich dich letztes Mal schon nicht in ein Krankenhaus bringen durfte, wollte ich dir wenigstens jetzt danke sagen. Auch, wenn du dich komplett von Gott abgewandt hast und eines der Höllenmonster geworden bist. Iskariot hat die Gefahr nicht ernst genommen, die anscheinend von dieser Organisation ausging. Deswegen haben sich unsere Wege nicht gekreuzt." Anderson richtet sich auf und nimmt seine Hand von meinem Kopf. Ich grinse weiterhin einfach nur vor mich hin. Das könnte doch glatt als Frieden durchgehen, oder nicht? "Auch wenn ich mich frage, wie du eine Ausgeburt der Hölle sein kannst, wenn man engelsgleich lächelt." Kichernd sehe ich zu Seras. "SIE kann engelsgleich lächeln! Bei mir sieht das eher aus, als wäre ich ein Psychopath." Ich finde es immer noch überraschen, dass man Anderson einfach hier in dieses Anwesen lässt und ihn nicht angreift. Da muss einiges vorgefallen sein.

"Flo!", ruft jemand und ich höre laufende Schritte, bevor die Tür aufgerissen wird. Pip sieht sich hektisch im Raum um und entdeckt mich. "Flo! Flo!" Wie ein Verrückter rast er auf mich zu und ich drehe mich zu ihm um. Taumle nur ein paar Schritte nach hinten, ehe ich ihn fest halte. Und zwar richtig. Seine Beine sind an meinem Rücken verschränkt. Seine Arme sind um meinen Hals geschlungen. Sein Kopf liegt an meinem. "Meine Fresse... Fuck...!" Lächelnd entspanne ich mich und halte ihn fest. Dank der Kraft, die ich nun besitze, ist es kein Problem mehr. "Du warst tot... Du warst tot!" Beruhigend streiche ich ihm über den Rücken. "Jap, ich war tot. Aber wie ich schon den Leuten in der Organisation gesagt habe... ich bin doch gern die Fliege in der Suppe. Man bringt mich nicht so schnell um, wenn ich meine Leute um mich habe." Pip drückt mich noch einmal an sich, ehe er los lässt und selbst stehen kann.

Schmunzelnd schüttle ich den Kopf. "Ich wäre nach der Besprechung eh gleich zu dir gekommen. Meinst du, dass ich dich vergessen hätte?" Keine Antwort. Nur weicht er meinem Blick aus. Seufzend schnipse ich ihm gegen die Stirn. "Wie kann ich meinen Bruder vergessen?" Sein Auge fängt das Glänzen an und er grinst breit. Der Kerl. "Und wenn dieses Zusammentreffen vielleicht auf später verschoben werden könnte? Das wäre nett." Oha. Die Stimme der Lady ist mehr als nur angepisst und Pip entschuldigt sich, ehe er mit eingezogenem Kopf verschwindet. Kurze Stille, in der sich nicht einmal der Pater etwas sagen traut, ehe die Lady wieder anfängt. Nach weiteren vier Stunden des Verhandelns, haben wir ein vorläufiges Friedensabkommen mit dem Pater geschlossen. Oder zumindest kann man es als solches deklarieren. Wir informieren die jeweils andere Organisation, sollte etwas Neues auftauchen. Hilfe wird nur im äußersten Notfall angeboten und auch angenommen. Sollte man sich friedlich treffen, ist und bleibt es friedlich. Trifft man sich auf einer Mission, ist es dem jeweiligen Mitglied überlassen, wie man handelt. Es gibt keine Strafen für versuchten Mord. Ist das nicht was Schönes?

Point of no returnWhere stories live. Discover now