29. Kapitel - Ein Gespräch mit der Stummen

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„Du warst grade so stark!", war das erste, was Riya an mich gewandt sagte, als sie die Suppe verteilte. Ihre Augen strahlen bewundernd in meine Richtung, erinnerten mich dabei jedoch zu sehr an die Mutter des Mädchens, sodass ich nicht anders konnte, als den Blick stumm auf mein Essen zu richten.

Es fiel mir nicht schwer in meine alt bekannte Verschwiegenheit zu rutschen, sodass es mich nicht wunderte, dass kurz darauf die Frage danach auftrat.

„Sagt, warum seid ihr so leise?!", wollte Beorn mit einem freundlichen Lächeln wissen, doch ich blickte still auf meine Suppe. Der fragende Blick von Conan war deutlich auf mir zu spüren, doch ich rührte mich nicht. Schließlich begann der Elf für mich zu antworten.

...

„Wissen Sie, meine Schwester und ich haben bereits viel erlebt. Unsere Heimat wurde angegriffen und seitdem spricht sie nicht mehr besonders viel. Natürlich redete sie hin und wieder mit mir, aber vielleicht ist sie noch nicht bereit sich Ihnen gegenüber zu öffnen!". Während er sprach lächelte er unsicher in die Runde und starrte danach irritiert zu seiner Reisebegleitung. Gedanklich nahm er sich vor, sie später darauf anzusprechen.

Während des restlichen Essens redeten sie über die Tätigkeiten, denen sie bisher gefolgt waren.
Finn wurde angeboten, dass er die nächsten Tage auf den Feldern helfen konnte, während Nia mit der jungen Riya mitgehen und diese einfach bei ihren Aufgaben unterstützen sollte.

Nach dem sich Finn für das leckere Mahl bedankt hatte, wurden die Beiden, da sie Bruder und Schwester waren in einen Raum begleitet, in dem ein altes Bett stand. Über ihren Aufenthalt hinweg würden sie sich eine Räumlichkeit teilen. Mehr hatte die arme Bauernfamilie nicht zu bieten.

Da es bereits spät am Abend war, ging die Familie bald darauf schlafen. Bevor also Conan seine Begleitung befragen konnte, lag diese erschöpft auf der weichen Matratze und schien zu schlafen.

...

Die folgenden Tage ergab sich für den Elf nicht mehr die Möglichkeit seine Begleiterin zu befragen. Früh am nächsten Morgen wurde er bereits von dem alten Bauern um Hilfe gebeten. Seine ‚Schwester' sah er erst beim Frühstück und auch dort hielt sie verkrampft ihr Schweigen.

Den restlichen Tag über musste er dem Bauern bei der Ernte helfen. Sorgsam kümmerte er sich um die Saat, sah nach dem Vieh und ebnete das Feld mit einer Harke. Abends, als es eine weitere Mahlzeit gab, erblickte er Nyra zum zweiten Mal am Tag. Stumm aß sie das Essen, welches sie angeblich gemeinsam mit Riya und Maria gekocht hatte. Bevor er sie aufhalten konnte, war sie bereits in Begleitung von Riya verschwunden. Zu Beginn wusste er dabei nicht, was genau die Elfe tat, während sie fort war, doch bald wurde klar, dass die beiden die Kranken des Dorfes versorgten, Kleidung aus der Wolle der Schafe nähten oder jegliche Hausarbeiten erledigten.

Dementsprechend hatte Nyra am ersten Morgen nach ihrer Ankunft bereits ein Kleid an. Für Conan war es offensichtlich, dass sie sich darin unwohl fühlte und dementsprechend häufig grinste er sie an, wenn er merke, dass sie mal wieder Schwierigkeiten hatte. Als er jedoch merkte, wie sie selten auf diese Sticheleien reagierte, wurde er nur noch misstrauischer.
Es wunderte ihn, denn obwohl er sie bereits sein Leben lang kannte, hatte er sie nur selten so still erlebt.

Als er nach einer Woche immer noch nicht in Ruhe mit ihr sprechen konnte, festigte sich seine Entschlossenheit nur noch mehr, sie zu einem Gespräch zu zwingen.
Eines Abends, bevor die Elfe erneut abhauen konnte, wandte er sich an seine Schwester.

„Nia? Möchtest du vielleicht auf einen Spaziergang mit mir? Ich würde gerne ein bisschen mit dir über unsere weiteren Pläne sprechen. Du weißt schon, wir müssen uns bald weiter auf den Weg zu unseren Verwandten machen!". Sanft lächelte er ihr entgegen, sodass er einen sehr fürsorglichen Eindruck machte. Zu seiner Überraschung war es nicht das Mischwesen, welches ihm widersprach.

Nyra - Die VerbannungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt