12. Kapitel - Ein Deal für die verhasste Heldin

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„Wo ist meine Tochter?!".

Das braune, lange, offene Haar flog um den schmalen Oberkörper der älteren Elfe. Graue Strähnen zogen sich durch die leichten Wellen. Die ebenso braunen Augen zuckten wild über den Platz. Suchend dreht sie sich immer wieder um, schrie regelmäßig nach ihrem Kind.

Verletzte Elfen wurden am Rand der entstandenen Lichtung von den Heilern versorgt. Der unerwartete Angriff brachte eine bittere Menge an Opfern. Bei Zehn hatten sie nicht mehr helfen können. Geschosse der Soldaten hatten sie getroffen und ihnen das Leben ausgehaucht.

„Nyra!". Die Stimme der Mutter hallte erneut nach.

Der Platz war verwüstet. Was einst eine dichte Siedlung war, in deren Mittelpunkt der Palast gestanden hatte, war nun eine großteils verbrannte Fläche, aus Ruß-schwarzen Baumstämmen und verbrannten Ästen die kümmerlich in Richtung Himmel ragten. Viele Häuser waren verbrannt; Kümmerliche Ruinen. Sie waren unbewohnbar geworden, wenn sie überhaupt noch existierten. Die Elfenstadt, die über Jahrtausende hinweg von dem verschiedensten Architekten gebaut wurde, war nun nichts mehr als Rauchsäulen.

„Nyra!!".

Die Elfen reagierten nicht auf ihre Schreie. Die Jenigen, die sie kannten ebenso wie ihre Tochter, vermieden es tunlichst zu der alten Kriegerin auf zu blicken. Sie wussten, wer Nyra war und sie hatten Angst vor ihr. Die Heiler hingegen hatten keine Zeit, um sich über das Anliegen der Fremden zu kümmern. Ähnliches galt für die Verwundeten oder gar Bewusstlosen. Die übrig gebliebenen Soldaten hatten ebenso noch alle Hände, indem sie die restlichen Eindringlinge ausfindig machten und töteten sowie die restlichen Feuer mühsam löschten, damit nicht noch mehr des Wälder verloren ging.

„Nyra!!!".

„Orima!". Der Schrei unterbrach den verzweifelten Ruf etwas leiser. Ohne es wirklich wahrzunehmen, war Nyras Mutter näher zu dem Palast gelaufen und unterbrach unbeabsichtigt eine wichtige Besprechung, welche nach der Zerstörung des Palasts nicht mehr in diesem stattfinden konnte.

Meister Aloïs schritt schnell einige Schritte auf sie zu.
„Orima", seine Stimme war so besänftigend wie möglich und sanft legte er eine Hand auf ihre Schulter, um sie aus ihrer panischen und verzweifelten Trance zu ziehen. „Deine Tochter ist nicht hier", erklärte er ihr die Situation, die sie schon seit langem erkannt hatte, es sich aber nicht eingestehen wollte.

„Sie ist hier! Irgendwo in der Nähe wird sie sein! Ich muss sie nur finden!", rief die Elfenfrau und ignorierte den Einwand ihres alten Freundes gekonnt.

„Orima! Nyra ist fort! Vermutlich ist sie nach der Schlacht auf der Lichtung geflohen. Es ist ihre einzige Chance überhaupt noch zu überleben!". Obwohl Aloïs sich über die Wochen mit der jungen Elfe angefreundet hatte, viel es ihm nach ihrer Offenbarung zumindest leichter, als ihren engsten Freunden, sich von ihr zu distanzieren und rational zu denken.

„Wovon redest du?! Warum sollte meine Tochter fliehen müssen! Sie ist eine Elfe und hat die gleichen Rechte wie alle anderen!", rief Orima entrüstet. Ihre Worte hallten über den Platz und ließen die wenigen Elfen die noch miteinander sprachen verstummen. Auch der Meister hielt überrascht inne.

„Du weißt es nicht!". Der Unglaube war deutlich zu hören.

„Was weiß ich nicht?!". Die sonst so geduldige Elfe verlor eine ihrer bekanntesten Eigenschaften. Sie hatte keine Zeit, um über ihre Tochter zu sprechen. Erst musste sie sie finden. Bevor sich jedoch von ihrem Freund abwenden konnte, gebot ihr die Stimme ihres Königs Einhalt.

„Nyra ist offiziell zu unserem größten Feind ernannt. Wir stufen sie als noch gefährlicher ein, als die fremden Soldaten, die uns soeben angegriffen haben. Ich erwarte von dir, dass du die Bestie tötest. Dabei ist es irrelevant, wie sehr du von ihrem hinterhältigen Spiel bisher eingewickelt wurdest! Wenn du sie siehst, holst du Verstärkung, damit wir gemeinsam dieses Monster erledigen können." Die Stimme des Königs war gefährlich ruhig.

Nyra - Die VerbannungWhere stories live. Discover now