1.Kapitel - Blutige Steine

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Vor unterdrückter Wut zitternd stand ich dort, kurz davor meine Beherrschung zu verlieren. Allerdings spielte sich diese Gefühlsregung nur in meinem Inneren ab. Ich zwang meinen angespannten Körper schnell zur Lockerung. Es war eine Übung, die ich mittlerweile fast perfektioniert hatte. Mit neutralem Blick nickte ich meinem Meister zu und senkte erneut ergeben meinen Kopf.
„Wie Sie wünschen". Die Worte klangen ruhig und diszipliniert, standen aber in komplettem Kontrast zu dem was ich dachte, fühlte oder spürte. Mein Inneres Chaos drohte mich mehr und mehr einzunehmen und ließ mich befürchten, den Männern doch zu zeigen, was ich grade krampfhaft unterdrückte.

Der idiotische Elf, der mir das ganze eingebrockt hatte, verkniff sich offensichtlich ein vergnügtes Grinsen. Ich ignorierte ihn gekonnt und blickte zu meiner besten Freundin. Ihr skeptischer Blick deutete mir nur an, dass ihr Angebot noch stünde, was mich trotz der Situation sanft Lächeln ließ.

„Nun geh schon, Ly! Du musst gleich noch etwas wichtiges mit deinem Vater besprechen! Und du solltest besser nicht zu spät kommen! Ich mach das schon!". Ich verschwieg ihr den Fakt, wie emotional instabil ich in dem Moment war. Vermutlich konnte sie das auch ganz gut selbst erkennen. Nachdem ich sie allerdings von der kleinen Lichtung schob, um ihr weis zu machen, dass sie sich keine Sorgen machen sollte, blieb ihr keine andere Möglichkeit als zu gehen; auch wenn man sah, dass sie es nicht gerne tat. Während ich sie entschlossen fort führte, verabschiedeten sich auch der immer noch breit grinsende Elfenjunge und sein Vater von unserem Meister und verließen zügig die Lichtung.
Sowohl ihre, als auch Lyas Schritte verklangen immer mehr, während ich wieder zurück zu der Mitte der Lichtung ging und anfing die benutzten Schwerter aufzuheben.

„Es tut mir leid, Nyra, dass ich dir diese zusätzliche Last auferlegen musste. Offizier Evander ließ mir jedoch keine Wahl, sonst hätte mein Unterricht nicht sehr professionell gewirkt. Ich könnte helfen und wenn du andere wichtige Sachen erledigen musst, könnte ich es auch gänzlich übernehmen".
Sein ruhiger und sanfte Tonfall beruhigte meinen inneren Tumult etwas.
„Danke, Meister Aloïs. Ich weiß diesen Vorschlag wirklich zu schätzen. Dennoch weiß ich auch, dass Sie sich heute noch mit meiner Mutter treffen wollten, da Sie alte Freunde sind. Sie wäre sehr enttäuscht, wenn sie wegen mir nicht mit Ihnen über verschiede Werke der Literatur diskutieren könnte. Lassen Sie mich das ruhig machen, und machen Sie Orima lieber eine Freude". Ich lächelte ihn freundlich an.

Mit einem dankbaren Blick wanderte auch er von der Lichtung. Während ich seine Schritte noch hörte, sammelte ich - endlich alleine - die restlichen Schwerter zusammen und legte sie unordentlich nebeneinander.
Vor mir lagen insgesamt etwa 40 unterschiedlich lange und breite Schwerter, alle aus dem gleichen metallenen Stoff. Etwa 30 der Klingen war deutlich anzuerkennen, dass sie heute im Laufe des Tages benutzt worden waren. Die restlichen zehn waren von der Größe etwas kleiner und sehr viel stumpfer als die anderen.
Sie wurden von den jüngeren Schülern genutzt, nachdem sie gelernt hatten mit Holzschwertern zu kämpfen.
Ich seufzte ergeben, als ich den Stapel betrachtete und holte schnell aus einem kleinen Lager, welches relativ dicht über dem Boden schwebte, die Utensilien die ich für die Reinigung des Metalls benötigen würde.
Sobald alles beisammen war, ließ ich mich auf dem Boden nieder und lauschte ein letztes Mal, ob auch wirklich alle Schritte verstummt waren. Dann machte ich mich an die Arbeit.

Das reinigen und schärfen der Klingen war ein anstrengender und nervenaufreibender Prozess. Es forderte viel Geduld und Vorsicht, da die meisten Schwerter, trotz Gebrauch noch relativ scharf waren.
Aus den wenigen Geschichten, die ich aus der Menschenwelt mitbekommen hatte, war es erleichternd zu wissen, dass die meisten Elfen nicht sehr häufig Kinder bekamen. Somit wurden diese nicht nur sehr viel mehr wertgeschätzt. Zusätzlich musste ich mich, anders als bei den Menschen, nur um insgesamt vierzig Schwerter kümmern und das für alle verschiedenen Altersgruppen zusammen.

Nyra - Die VerbannungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt