10. Kapitel - Das blaue Inferno

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Während der Boden sich immer weiter von ihr entfernte, wurde ihr immer bewusster, was sie gerade alles verloren hatte.

Ihre Freundin.

Ihre Mutter.

Ihre Heimat.

Alles.

Als sie bereits fast die Wolkenfront erreichte, welche sich genauso wie der Krieg zu Boden, unheilstiftend über der Erde verbreitete, wagte sie zum ersten Mal einen Blick auf ihr zu Hause zu werfen.

Die wehmütige Schwere ihres Herzens und der Drang sich zurückzuziehen, von welchem die Abtrünnige bis vor wenigen Augenblicken noch verleitet wurde, wandelten sich zu vollkommener Anspannung, wobei jeder Muskel unter ihrer schuppenbesetzten Haut spielte und ihr Kiefer ungesund knirschte. Ihr geliebter Wald versank in einem grellen Flammenmeer.

In ihrer Flucht innehaltend, ließ sie den Zorn durch ihre Adern pumpen. Bebend erblickte sie das Ausmaß des Angriffs und verstand, dass die Elfen einen viel zu großen Teil des Waldes verlieren würden, wenn sie zuerst die Menge an fremden Soldaten bekämpfen mussten, bevor sie sich an das Löschen machen konnten.

Mit geschärften Sinnen konnte sie deutlich erkennen, wie eine weitere der riesigen Kugeln mit einer in einer dunklen Flüssigkeit getränkten Eisenkette umspannt wurde, bevor sie auf katapultartige Maschinen gelegt wurden.

Nyra zitterte krampfartig und der Drang die Feinde leiden zu lassen, wurde immer größer. Zorn und Wut pulsierten in ihr und ließen sie schwerfälliger atmen.
Die Kontrolle, die sie als Elfe gehabt hätte, verschwand in dem Augenblick, als die Schuppen ihre Haut ersetzt hatten, ihr Körper gewachsen war und ein natürlicher Instinkt ihr sonst so ruhiges Wesen übertrumpfte.
Mit einem Gebrüll, dass alle Kämpfe für wenige Sekunden entsetzt innehalten ließ, stürzte sie sich hinab. Ihre katzenartigen Augen begannen zu glühen, während sie wie ein schwarzes Geschoss Richtung Boden flog.

Aufgrund der unbekannten Bedrohung, feuerten die fremden Soldat fast schon panisch die gerade ausgerüstete und auch letzte Kugel. In einem hohen Bogen und von Flammen umhüllt, zischte sie vor. Erschaffen, um zu zerstören.
Durch den roten Schleicher aus Wut gestärkt, schnellte Nyra mit ruckartigen Flügelschlägen auf eben diese Kugel zu. Entschlossen krallten sie ihre Klauen in die brennende Kette. Ihre Schuppen blieben unbeschädigt.

Und doch wurde sie von dem Gewicht der Kugel umgehauen.
Mit Bestürzung musste sie fest stellen, dass sie nun selbst zum Teil des Geschosses wurde, als sie weiterhin der Flugbahn des Kometen folgte. Sie hatte sich durch ihren Angriff kaum verändert.

Die Soldaten lachten erleichtert auf, als sie das Ungeheuer in solchen Schwierigkeiten sahen.

Wütend über ihr Ungeschick, breitete Nyra ihre Schwingen so weit es ging aus, um den Flug abzudämpfen. Erleichtert konnte sie fest stellen, dass sie Erfolg hatte. Mit großen kräftigen Flügelschlägen, brachte sie die Flugbahn der Tod bringenden Kugel zum erliegen und schwebte nun knapp über dem dem Meer aus Grüntönen.
Entschlossenheit gemischt mit ihrer scheinbar unstillbaren Wut gaben ihr Kraft, die Kugel weg von ihrem Ziel und zurück zu ihrem Ursprungsort zu schleppen.

Die Erleichterung der Soldaten verschwand, als sie verstanden was geschah.

Als der gigantische Drache nun über Ihnen schwebte, richtete sich sein funkelnder Blick auf die Männer.
Die von schwarzen Schuppen übersehenen Muskeln spielten unter der Haut des edlen und doch so furchteinflößenden Geschöpfs, als es ein wenig an Höhe gewann, sodass man es von allen Kampfplätzen aus sehen konnte.

Mit einem letzten Schlag, bevor der Drache die Ketten aus seinen Krallen gleiten ließ, entflammte ein blaues Inferno auf seiner Haut.

Es war eine stumme und doch nur allzu deutliche Warnung an die Angreifer, dass sie nun zum Sterben verdammt waren. Denn der Kampf mit Drachen versprach niemals einen Sieg.

Nyra - Die VerbannungМесто, где живут истории. Откройте их для себя