2. Kapitel - Orima

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Die Tränen brannten in meinen Augen und verschleierten die Sicht. Dennoch konnte ich die blutigen Spuren, die meine Hand hinterlassen hatte deutlich erkennen.
Gleichzeitig wagte ich es nicht auf meine zerstörte Faust zu blicken. Bevor ich mich überhaupt für meine innere Schwäche verachten konnte, nahm ich die Stille wahr, die meine Seele umgab.
Ein Gefühl von Ruhe und Friedlichkeit umnebelte meine Gedanken und erinnerte mich somit nur an eine Situation, in der ich ähnlich empfand.
Verbittert stellte ich fest, dass mein zweites Ich sowohl Segen, als auch Fluch war.

Es dauerte einige Sekunden, in welchen ich einfach nur auf die Steine vor mir starrte, während ich die Stille genoss.
Der Ausbruch war vorbei und mein Atem beruhigte sich langsam.
Auch wenn ich nun meine Ruhe hatte, war mir sehr wohl bewusst, dass es nicht lange brauchen würde, bis es ein weiteres Mal geschah. Ob während eines Fluges, oder wie gerade.
Ich hatte keine Möglichkeit mit jemandem über meine Probleme und Ängste zu reden und musste stattdessen seit Jahren alles in mich hinein fressen.
Es wunderte mich, dass ich noch nie aufgefallen war und das obwohl ich so emotional instabil war.

Mit einem lauten Seufzen stand ich auf und wanderte erneut zu der kleinen Hütte, wo ich mir einen weiteren Eimer Wasser schöpfte, ebenso wie eine Bandage, die vorsichtshalber in der Nähe des Trainingsplatzes gelagert wurden. Mir blieb nicht viel übrig, als das Blut weg zu waschen und zu hoffen, dass es bis morgen kein Elf oder Tier riechen würde.
Sobald ich damit fertig war nahm ich den Verband und sah mir zum ersten Mal das Ausmaß an meiner Hand an.
Angewidert verzog ich das Gesicht, als ich die aufgeplatzten und vollkommen zerkratzen Knöchel sah, wobei meine Finger ebenso schlecht aussahen. Entnervt begann ich die Wunden zu waschen und zu verbinden und machte mich danach wieder an die Arbeit. Immerhin hatte ich noch immer eine Aufgabe zu erledigen. Auch wenn diese, durch die Verstauchung, welche mit den Schlägen einher gekommen war, nun wesentlich schmerzhafter ausfiel.

Es war Nachmittag, als ich das letzte Schwert weglegte und aufschaute. Langsam rappelte ich mich auf, wobei ich meinen ganzen Körper kurz dehnte, da er eine solche lange, stetig gleiche Position nicht gewohnt war.
Meine verletzte Hand kribbelte und brannte leicht, vermutlich da einiges an Wasser, dass ich zur Reinigung der Klingen genutzt hatte, dort hinein geflossen war.
Ich seufzte laut, sog die frische Luft ein, die einen immer durch den Wald begleitete und machte mich daran alles wegzuräumen. Die Utensilien die ich zu Beginn geholt hatte, legte ich in das Haus zurück und die Schwerter brachte ich zu dem großen Holzregal, welches in einen der Bäume eingearbeitet war der die Lichtung umrandete.

Nachdem alles aufgeräumt war, kontrollierte ich noch einmal kurz, wie sehr man das Blut roch und war erleichtert, dass der Geruch wenigstens nicht mehr so penetrant in der Luft hing. Also machte ich mich auf den Weg zu Orimas und meinem Haus.
Der Ausbruch lag noch schwer in meinen Knochen. Ich war erschöpfter als sowieso schon, da nun nicht nur mein Körper, sondern auch mein Geist eine gewisse Müdigkeit zeigten. Meine Gedanken waren immer noch ungewöhnlich leise. Vor allem meine Ängste ließen mich in Ruhe. Auch wenn ich diese innere Leere genoss, war mir bewusst, dass es nicht gesund war.
Rational betrachtet sollte ich mit jemandem über meine Probleme sprechen, oder mein zweites Ich einfach zeigen; Zeigen wer ich wirklich war. Was ich war.
Vermutlich würde daraufhin der ganze Druck der nun schon seit etlichen Jahren auf meinen Schultern lastete, endlich verschwinden.
Allerdings würde es einiges mehr für eine Offenbarung kosten, als lediglich mein eigenes mentales Wohl.
Seit ich fünf war hatte ich es geschafft mein Inneres zu unterdrücken, es zu kontrollieren und damit zu Leben. Und auch wenn die Liste an Problemen, die damit einhergekommen waren, bereits sehr lang sein musste, würde es in meinem Tod enden, sollte ich mich zeigen.
Also würde ich einfach so weiter leben wie zuvor und mein bestes tun, um all das nachzuholen, was ich verpasst hatte. Angefangen mit meinen Kampfkünsten und dem Wissen über den Planeten auf dem ich mich befand.

Nyra - Die VerbannungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt