Fourtytwo

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Allan wurde von starken Kopfschmerzen geweckt. Ächzend hob er eine Hand an die Stirn und rieb darüber. So konnte er nicht weiterschlafen.
Als er die Augen öffnete, erwarteten ihn Sternchen, die durch die Schwärze tanzten. Mehrfach blinzelte er, bis die Sternchen langsam verschwanden, doch die Dunkelheit blieb. Verwirrt sah er sich um, bis er sein Fenster entdeckte und dahinter noch tiefe Nacht lag.
„Ach, zum Teufel nochmal", brummte er missmutig und versuchte, sich aufzusetzen, doch sein Herz versetzte ihm einen Strich durch die Rechnung. Mit einem Keuchen presste er eine Hand auf seinen schmerzenden Brustkorb und und ließ sich zurück in die Kissen sinken. Sein Atem ging schwer, kämpfte sich durch seine Atemwege, ein und aus, ein und aus.
Nach einiger Zeit fiel es ihm wieder etwas leichter, zu atmen, und sein Herz hatte sich ebenfalls beruhigt. Vorsichtig stützte er sich auf die Ellbogen und schlug die Bettdecke zurück. Kalte Luft traf auf seine nackte Haut, und er schauderte.
Er kämpfte sich Schritt für Schritt aus dem Bett und hielt sich dabei schwankend überall fest, wo er konnte. Er ächzte auf. Naja, wenn er entschied, zu trinken, war es auch seine eigene Schuld, dass sein Körper sich gegen den Alkohol auflehnte, obgleich es auch nur zwei Bier gewesen waren.
Nun brauchte er dringend etwas zu trinken. Und etwas zum überwerfen. Ihm war kalt. Doch in der Dunkelheit und diesem Zustand konnte er nichts anderes finden als seine Dienstjacke, welche über dem Stuhl an seinem Schreibtisch hing. Kurzerhand schlüpfte er hinein. Hauptsache, ihm wurde wieder etwas wärmer.
Danach machte er sich auf den Weg zur Tür und trat in den düsteren Flur hinaus. Kurz warf er einen Blick auf Cedrics verschlossene Zimmertür. Er wäre jetzt nur allzu gerne bei ihm, doch er wollte ihn nicht wecken.
An der Treppe nach unten bemerkte er allerdings, dass er definitiv nicht alleine hinuntergehen konnte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er die schwankenden und wabernden Stufen an. Oh Gott. Was war denn bitteschön los mit seinem Körper? Konnte der nicht einmal richtig funktionieren?
Vorsichtig versuchte er, einen Schritt auf die erste Stufe zu tun, verfehlte diese allerdings und musste erschrocken nach dem Geländer greifen, als er beinahe ins Leere trat. Sein Herz setzte protestierend einen Schlag aus. Oh Gott. Nein, das konnte er nicht riskieren.
Keuchend drehte er wieder um und stolperte stattdessen ins Bad. Nicht gerade leise, wohlgemerkt. Verdammt.
Seine Hände tasteten sich an der Wand entlang und suchten den Lichtschalter neben dem Türrahmen. Dummerweise konnte er sich in diesem Moment nicht mehr erinnern, welcher für das Badezimmerlicht zuständig war, also probierte er aus. Leider ging zuerst das Flurlicht an und blendete ihm, dass er fluchend das Licht ausschaltete und sich die Augen rieb. Blind betätigte er den anderen Schalter und betrat dann blinzelnd und schwer atmend das Bad. Er warf die Tür zu und schloss irgendwie mit seinen tauben Fingern ab.
„Oh Gott.", entfuhr es ihm. Die schwarz-weiß angeordneten Fliesen brachten ihn um den Verstand. Helle Sterne blitzten vor seinen weit aufgerissenen Augen. Schnell hob er den Blick und taumelte zum Waschbecken. Mit zitternden Händen stellte er das Wasser an hielt diese darunter. Als er in den Spiegel vor sich blickte, merkte er erst, wir blass er doch war. Seine Pupillen konnten sich nicht entscheiden, ob sie schrumpfen oder wachsen wollten, und so taten sie beides immer wieder hintereinander.  Schnell schüttelte Allan den Kopf, was sich allerdings auch nicht als vorteilhaft erwies. Sein Herz schien einen Marathon laufen zu wollen, und ihm wurde immer schwindeliger. Draußen vermeinte er, Schritte zu hören, doch das konnte er sich genauso gut auch einbilden.
Müde beugte er sich vor, um sich ein wenig Wasser ins Gesicht zu klatschen, doch dann versagte ihm der Körper komplett und seine Beine wurden ihm ruckartig unter ihm weggezogen.

~

Cedric hörte einen lauten Rumms, und dann war es um seine Müdigkeit endgültig geschehen. Er ließ den Pulli, den er sich gerade aus dem Schrank genommen hatte, fallen, und schnappte sich stattdessen seine Arbeitsjacke. War jemand im Haus? War das Allan? Hastig lief er aus seinem Zimmer und schaute als allererstes zu Allans Tür. Jene stand sperrangelweit offen.
„Allan?"
Mit klopfendem Herzen stapfte er in Allans Zimmer und starrte hinein. Sein Freund war nicht zu sehen. Er fluchte und kämpfte sich in die verdrehten Ärmel seiner Jacke.
„Allan?", rief er abermals, dieses Mal lauter, und wollte sich auf den Weg ins Erdgeschoss machen, als ihm aus dem Augenwinkel ein Lichtstreifen auffiel. Er drehte sich herum. Das Licht im Bad war an, die Tür angelehnt, und dahinter schien das Wasser zu laufen. Kurz atmete er auf. Es schien also nur Allan zu sein, welcher sich ins Bad begeben hatte.
Allerdings... jener hatte nicht geantwortet, als er gerufen hatte.
Da konnte doch irgendetwas nicht stimmen.
„Allan?" Cedric klopfte laut an die Badezimmertür. „Al? Ist alles in Ordnung? Was machst du denn hier?"
Als er keine Antwort bekam, drückte er kurzerhand die Klinke hinunter. Allerdings war die Tür abgeschlossen.
Er knurrte mehrere Flüche vor sich hin. Verdammt, was war, wenn Allan zusammengebrochen war? Er antwortete nicht, also war das ziemlich wahrscheinlich.
„Allan, ich komme jetzt rein", sagte er laut. Noch immer ertönte kein Mucks von Allan. Kopfschüttelnd krempelte Cedric sich die Ärmel hoch.
Dann rammte er die Tür.
Das erste Mal hab die Tür nur ein wenig nach, und seine Schulter schmerzte wie Hölle, doch er ignorierte dies und schmiss sich dann mit mehr Schwung gegen das Hindernis. Als die Türe dann tatsächlich mit lauten Knackgeräuschen nachgab, war er nicht darauf vorbereitet, und ging beinahe zu Boden, sobald er ins Bad gelang. Die Tür knallte gegen die leere Wand daneben, und Cedric schrak erschrocken zusammen. Nicht allerdings wegen des Geräusches, sondern wegen dem Anblick, der sich ihm ergab.
Allan hing auf auf knien vor dem Waschbecken, die Hände noch daran abgestützt, den Kopf auf der Brust liegend.
„Allan!", entfuhr es Cedric und er ließ sich neben dem Dunkelhaarigen auf die Knie fallen.  Vorsichtig hob er dessen Kopf an und bemerkte, wie blass Allan doch war. „Allan, antwortete bitte", hauchte er mit zitternder Stimme. Er fluchte abermals. Verdammt, er hätte ihn nicht trinken lassen sollen. Das war mit Sicherheit der Grund dafür, dass er nun umgekippt war.
Ein leises, gequältes Stöhnen kroch aus Allans Kehle, seine Lider flatterten. Cedric schüttelte ihn vorsichtig durch. „Aufwachen, Schatz", bat er leise, verzweifelt. „Komm zu dir."
Allan murmelte irgendetwas unverständliches vor sich hin und ließ sich an Cedrics Brust fallen. Sofort legte Cedric die Arme fest um ihn. „Was hast du gesagt?", hakte er nach. „Al, Rede mit mir."
Allan allerdings brummte bloß müde vor sich hin. Cedric seufzte auf. Dann entschied er, Allan einfach hochzuheben und aus dem Badezimmer zu bugsieren. Erschrocken krallte sich Allan mit schwachem Griff in seine Jacke.
„Rick..."
Cedric stockte und wäre beinahe über seine eigenen Füße gestolpert. Mitten im Flur blieb er stehen, und blickte auf seinen Freund hinunter, welcher ihn mit glasigen Augen anschaute.
„Al..."
Allan schloss wieder die Augen. „Meine.. Medikamente."
Cedric nickte. „Natürlich. Ich hole sie gleich. Aber jetzt bringe ich dich erstmal mit in mein Zimmer."
Rasch huschte er mit dem kranken Bündel in seinen Armen in sein Zimmer, und legte jenes schließlich in seinem Bett ab. Allan ächzte auf und blinzelte angestrengt.
Seufzend ließ Cedric sich neben ihm auf die Bettkante fallen und half ihm dann aus seiner Jacke heraus. Dann legte er ihm besorgt eine Hand auf die nackte Brust. Das Herz darunter schlug einen unregelmäßigen, viel zu schnellen Puls.
„Al, wo sind deine Medikamente?"
„Zimmer.. Nachttisch", brachte Allan schwach hervor. Er suchte die Dunkelheit nach Cedric ab.
Cedric erhob sich und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Ich bin gleich wieder da. Nicht ohnmächtig werden."
Damit entlockte er Allan ein heiseres Lachen, und dann huschte er schnell aus seinem Zimmer hinaus zu dem Allan's. Er fand dessen Medikamente schnell in einer der Schubladen des Nachttisches, und kehrte wieder zu seinem Freund zurück. Hinter sich schloss er die Tür. Dann schnappte er sich den Pulli, den er vorher selbst hatte anziehen wollen, legte seine Jacke ab und gesellte sich zu Allan ins Bett.
Er legte jenem eine Hand auf dein Arm und strich sanft darüber. „Wie viele Tabletten musst du nehmen?"
„Zwei", murmelte Allan.
So nahm Cedric zwei der Tabletten aus der Dose, griff nach einer Flasche Wasser neben dem Bett und setzte Allan dann an sich gestützt auf, um ihm die Medikamente zu geben.
„Ist dir kalt?" , fragte Cedric schließlich. Allan nickte leicht.
„Du kannst meinen Pulli haben", lächelte Cedric. Allan lächelte ebenfalls und ließ sich dann bereitwillig von ihm seinen Pulli anziehen.
Sanft zog Cedric ihn schließlich an sich und rieb über Allans Rücken. „Geht es dir nun etwas besser?"
„Die Tabletten wirken gleich", erwiderte Allan.
„Du bist doch sicher erschöpft", sagte Cedric, „wir sollten uns schlafen legen."
„Bleibst du bei mir?", fragte Allan mit großen, nicht mehr so glasigen Augen und rosa Wangen.
Cedric konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Natürlich. Was denkst du auch, wo ich hingehe ohne dich?"
„Weiß ich doch nicht", nuschelte Allan beschämt und kuschelte sich näher an ihn.
„Ich lasse dich nicht allein, Allan", sagte Cedric ernst. Er drückte ihm einen Kuss auf den Kopf und ließ sich mit ihm im Arm nach hinten sinken. „Ich bin immer für dich da. Du bist für mich alles, was zählt. Ich liebe dich."
Allan lächelte schüchtern und küsste ihn auf die Wange. „Danke, Cedric. Ich danke dir so sehr. Ich liebe dich auch."
„Lass uns schlafen", schlug Cedric vor und zog ihnen die Decke bis an die Schultern. Allan schmiegte sich so dicht an ihn, bis er halb auf ihm lag. Cedric lief eine Gänsehaut über die Glieder. Beruhigend strich er Allan übers Haar.
„Gute Nacht", murmelte Allan schläfrig. Er musste sehr erschöpft sein.
„Gute Nacht, Allan", wisperte Cedric zurück und küsste ihn auf die Stirn. „Schlaf gut."
Allan schien schon nach wenigen Minuten ins Traumland abgedriftet zu sein, doch Cedric fühlte sich kein bisschen müde. Zu groß waren seine Sorgen um Allan, zu groß die Angst, ihm könne es wieder schlechter gehen. Ihm war auch nicht nach schlafen. Lieber passte er auf seinen Freund auf, auch wenn das hieß, die ganze Nacht wach zu bleiben.
Ein Seufzer entfuhr ihm, und er blickte auf Allan hinab. Er sah so friedlich, so schön aus, wenn er schlief. Unwillkürlich musste er lächeln.
Er liebte ihn einfach so sehr. Egal, wie turbulent er sein Leben gestaltete. Es war jeden schönen Moment mit ihm wert.
Das war alles, was zählte.

Nur du zählst...Where stories live. Discover now