Thirtyfirst

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Allan stieg gerade die Treppen ins erste Stockwerk hoch, als er hörte, wie die Haustüre geöffnet wurde. Er blieb stehen, streckte den Kopf durch die Fluröffnung und blickte Cedric entgegen, welcher ihm den Rücken zukehrte und seinen Hut an die Kleiderhaken im Büro hängte. Als hätte er Allans Blick gespürt, drehte er sich herum, und auf seinen Lippen erschien ein Grinsen.
Allan spürte, wie er rot anlief und grinste leicht zurück.
„Wie geht's dir?", fragte Cedric lächelnd und schritt durchs Büro.
Allan drehte wieder um und ging auf ihn zu. „Ganz gut, schätze ich." Verlegen fuhr er sich durch die Haare, blickte zu Cedrics stahlblauen Augen auf. „Was ist mit dir?"
Er meinte, ein leichtes Zögern in seinen Bewegungen zu erkennen, doch Cedric überspielte es, indem er nach seinen Händen griff, ihn zu sich zog und ihm einen Kuss auf die Lippen hauchte. Allan erschauerte.
Etwas stimmt nicht.
Liegt es an mir?
Was ist los?

„Was ist los?"
Cedric öffnete den Mund. Dann schaute er weg, seufzte auf. „Es gab ein paar unerfreuliche Nachrichten", antwortete er kaum hörbar.
Fragend hob Allan die Brauen, sein Herz schlug etwas schneller. Cedric wandte sich ihm wieder zu, in seinem Gesicht stand Besorgnis geschrieben, und er seufzte auf. „Komm, wir gehen hoch. Dann erkläre ich es dir."
Allan schluckte schwer und nickte. Cedric griff nach seiner Hand und zog ihn hinter sich her die Treppen hoch, durch den dunklen Flur bis zu seiner Zimmertür. Nervös strich sich Allan ein paar verirrte Haarsträhnen aus der Stirn und trat hinter Cedric in dessen Zimmer. Jener zog ihn direkt auf sein Bett zu und ließ sich am Kopfende nieder. Zögerlich nahm Allan neben ihm Platz, schaute ihn abwartend an.

Cedric schielte für einen Wimpernschlag zu ihm herüber, dann huschte sein Blick abwesend durchs Zimmer. „Ich... habe einen Anruf von Police Departement bekommen, vorhin während der Patrouille." Er stockte, leckte sich die Lippen. Dann blickte er zu Boden. „Der alte Spencer ist aus seiner Zelle ausgebrochen und hat einen Brief hinterlassen. Er will seinen Sohn und seine Frau haben und..."
Allan legte zaghaft die Hand auf Cedrics Bein. „Und?", hakte er kaum hörbar nach.
Cedric sah ihn zerknirscht an, die Sorge in seinen hellblauen Augen unendlich. „Und uns will er suchen, und, ich zitiere: wie räudige Hunde abknallen."
Erstaunt zog Allan die Stirn kraus. „Oh. Ich denke nicht, dass der Kerl noch an eine Waffe rankommt, wenn ihm niemand hilft. Das gesamte Dorf kennt sein Gesicht und seinen Ruf, es will sich sicherlich keiner die Hände schmutzig machen, um ihm zu helfen."
Cedric starrte ihn verdattert an. „Das besorgt dich überhaupt nicht?"
Heiser lachte Allan auf. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Oh doch. Allerdings bin ich Morddrohungen gewöhnt... Du weißt schon, Großstadtcop-Zeug."
Und Familienzeug...
Er blickte Cedric direkt an, lächelte milde. „Du musst dir keine Sorgen wegen diesem Kerl machen. Wenn er auftaucht, um sich Clark und seine Frau zu holen, nehmen wir ihn eben noch einmal fest."
Cedric hob die Brauen. „Die beiden stehen unter Polizeischutz. Um ehrlich zu sein, hatte ich mir mehr Sorgen um dich gemacht."
„Oh." Allan spürte eine leise Vorahnung aufwallen, die er allerdings nicht recht deuten konnte. „Aber... warum?"
„Weil er uns umbringen will und ich dich um keinen Preis verlieren möchte", hauchte Cedric zerknirscht.
Aus irgendeinem Grund traf Allan dieser Satz besonders, doch er konnte nicht sagen, warum. Seufzend ließ er den Kopf auf Cedrics Schulter sinken, sehnte sich nach seiner Wärme. Cedric streichelte über seinen Nacken, jagte ihm eine Gänsehaut übers Rückgrat, und drückte ihm einen Kuss aufs Haar.
„Al?"
„Hmm?"
„Bevor ich heim kam...", Cedric stockte, überlegte kurz. „Ich habe einen alten Freund von mir besucht, vielleicht kennst du ihn noch aus der Schule. Tony Hanks."
Der Name sagte Allan nichts, er hatte Cedric Freunde bloß immer gesehen, aber nie mit ihnen gesprochen, da er sich nicht getraut hatte. „Was ist mit ihm?"
„Du sagtest doch, Clark hätte herausgefunden, dass sein Vater Affären hatte?"
Langsam hob Allan den Kopf. „Exakt. Was hat das mit ihm zu tun?"
Cedric zog eine Grimasse. „Seine Frau war eine davon. Ich kannte sie gut, zumindest gut genug, dass ich aus den Latschen gekippt bin, als ich es hörte."
„Gott. Das tut mir leid", sagte Allan zerknirscht.
„Tony und seine Kinder sind jetzt alleine." Cedric seufzte tief. „Die Kleinen wissen es noch nicht. Stella ist noch ein Kleinkind, sie wird sich kaum noch daran erinnern, sobald sie älter wird. Aber Matthew ist sieben. Ihm wird es das Herz brechen. Und um Tony ist es bereits geschehen."
„Das ist schrecklich", murmelte Allan betroffen. Er liebte Kinder, und er mochte sich nicht ausmalen, wie diese Kinder ohne ihre Mutter aufwachsen sollten. Er wusste, dass es nichts schöneres als Mutterliebe gab, obgleich er jene selbst niemals zu spüren bekommen hatte. Doch er konnte verstehen, wie Tony sich fühlen musste; für ihn würde die Welt auch untergehen, wenn er Cedric verlöre.
Schließlich wäre es nicht das erste Mal.

„Tony wird klarkommen", meinte Cedric schließlich leise. „Er ist ein toller Vater, und die Kinder werden sich daran gewöhnen. Ich habe ihm gesagt, dass ich für ihn da bin und ihm helfen werde, wenn er was braucht."
Allan lächelte. Er fand es süß, wie Cedric hinter Tony und dessen Kinder stand. „Das ist nett von dir, Cedric." Er nahm sich ein Herz und beugte sich vor, um ihn zu küssen, ließ aber nach einigen Sekunden von ihm ab und verzog das Gesicht. „Sag mal, hast du getrunken?"
Cedric zog ertappt eine Grimasse und rieb sich den Nacken. „Tony hat mir ein Bier angeboten... ich habe ein paar Schlucke getrunken."
Allan nickte stumm. Er hatte nie eine gute Meinung über Alkohol gehabt — aus guten Gründen — und das, obgleich er auch seltener mal etwas trank. Und irgendwie behagte es ihm nicht ganz, wenn Cedric trank.
„Du Al..." Cedric streichelte federleicht über seine Wange, brachte ihn zum Schaudern. „Tut mir leid. Ich weiß, woran du denkst. Aber du musst dir überhaupt keine Sorgen machen."
Allan lächelte flüchtig, und Cedric drückte ihm einen kleinen Kuss auf die Wange.
„Ich muss dir noch etwas sagen", meinte er dann leicht lächelnd. Allan zog die Brauen zusammen, hoffend, dass es nichts Schlimmes war.
Cedric griff nach seiner Hand und verschränkte ihre Finger miteinander. „Also... Tony möchte dich kennenlernen."
Verwirrt musterte Allan ihn. „Was?"
„Ich hatte ihm von dir erzählt, als du herkamst", erklärte Cedric verlegen. „Ich wusste nicht, was ich tun sollte... Hör zu, Tony ist ein toller Kerl und ich bin mir sicher, dass ihr euch verstehen werdet. Du würdest sicherlich seine Kinder lieben."
„Nun, ähm..." Allan starrte überfordert zu Boden, fragte sich, wie er diese Informationen verarbeiten sollte. Er wusste nicht, ob er es schaffte, diesen Tony kennenzulernen. Was, wenn er ihn nicht leiden konnte? Oder wenn er ihn ausfragte, um seinen besten Freund vor etwaigen Idioten zu bewahren? Was, wenn er ihn für einen ebensolchen Idioten halten würde?
„Allan." Cedric drückte seine Hand. Sein Blick huschte dorthin, wo ihre Hände fest verschränkt auf ihren Beinen lagen, blieb geistesabwesend dort kleben.
„Al, ich will dich nicht zwingen, ihn kennenzulernen", sagte Cedric sanft. „Aber es würde ihn sehr freuen und ich bin ja auch dabei. Du musst keine Angst haben."
„Weiß er... du weißt schon?" Allan wedelte schüchtern mit der Hand zwischen ihnen hin und her.
Cedric lachte leise auf. „Ja. Ich hoffe, das ist in Ordnung. Keine Sorge, er hat nichts gegen Homosexualität. Er ist wirklich nett, glaub mir."
Allan nickte lahm. Er musste an Lisa denken. Sie wollte Cedric ebenfalls kennenlernen. Das würde er ihm auch Beichten müssen, doch nicht jetzt. „In Ordnung... schätze ich."
Sanft legte Cedric ihm eine Hand in den Nacken. „Also ist es für dich okay, wenn er dich trifft?"
Allan blickte ihn an und nickte leicht. Cedric strahlte und küsste ihn sanft. „Das freut mich. Ich liebe dich, Allan."
„Ich liebe dich auch", nuschelte Allan mit puterroten Wangen und atmete tief durch. Wenn er gewalttätigen Vätern entkommen konnte, dann würde er auch das schaffen.

Nur du zählst...Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang