Fiftynine

400 28 3
                                    

Am frühen Abend verließ Cedric frisch geduscht, aber dennoch nervös sein Haus. Er fühlte sich besser, zumindest körperlich. Es erschwerte ihm das Atmen, Allan in einer solchen Situation alleine zu lassen, doch er musste Tony sehen. Er hatte sich nicht mehr gemeldet, und Cedric machte sich unheimliche Sorgen um den Rotschopf.
Als er auf das Grundstück der Familie Hanks trat, schien es still zu sein. Mit langen Schritten erreichte er die Haustür und klopfte fest an. Es dauerte einige Sekunden, die sich ewig anfühlten, bis Cedric vertraute Schritte von drinnen hörte und dann die Tür aufschwang.
„Tony, du lebst!"
„Pfff, als ob mich ein Idiot wie Green oder Spencer so schnell um die Ecke bringen könnte." Der Rotschopf verdrehte die Augen, die beiden grinsten sich an.
Schließlich knallte Tony seine schwere Pranke auf Cedrics Schulter um diese zu drücken. Cedric unterdrückte ein schmerzvolles Zischen.
„Na komm rein, deine Grams ist auch da, bei den Kleinen."
Sofort wurde Cedric kribbelig, und er beeilte sich, ins Haus zu kommen. Tony führte ihn ins Wohnzimmer, wo nun eine leise Stimme zu hören war.
Cedric ging das Herz auf, als er seine eigene Großmutter zwischen den zwei Kindern seines besten Freundes auf dem Sofa sitzen sah. Rosa las mit dicker Hornbrille aus einem Winnie Pooh vor und erzählte von den Geschichten des dicken kleinen Bären. Matty bewegte stumm die Lippen, während er übte mit zu lesen. Stella lag mit dem Kopf auf Rosas Arm und blinzelte verschlafen.
„Sie wird bald drei", wisperte Tony kaum hörbar. In seinen Augen glitzerte es wehmütig. Bestärkend drückte Cedric seinen Arm.
„Komm, sie sind so vertieft in das Buch, wir schleichen uns raus", flüsterte Cedric zurück. Tony nickte, öffnete leise den Kühlschrank um Bier herauszunehmen und schnappte sich so unauffällig wie möglich noch eine Packung Chips von der Arbeitsfläche. Dann schlichen sie auf leisen Sohlen durch die Küchenzeile und zur Verandatür.
Im Garten setzten sie sich an den Picknicktisch. Tony quetschte sich auf die Bank, die eindeutig nicht für größere Menschen gedacht war, und Cedric grinste.
„Lach bloß nicht", warnte ihn Tony mit einem schnauben. Er öffnete die Flaschen mit seinem Feuerzeug und die beiden stießen an.
„Warum hast du dich nicht mehr gemeldet?", fragte Cedric nach dem ersten bitteren Schluck.
Sein Freund grunzte. „Hab mein Handy irgendwo im Wald verloren, schätze ich. Wahrscheinlich nachdem Wheatley im Graben gelandet ist. Hat der das überhaupt überlebt?"
Cedric verdrehte die Augen. „Ja ja. Er hat sich ziemlich blöd verletzt, aber ansonsten geht's ihm gut. Körperlich zumindest." Sein Blick verdunkelte sich. „Aber Green hat noch immer seine Hände im Spiel und versucht, uns zu manipulieren."
Tony riss die Chipstüte auf und beugte sich gespannt vor. „Bin ganz Ohr."
In knappen Sätzen erzählte Cedric alle wichtigen Details, die er von den Ermittlungen und Leicester erfahren hatte. Bei dem Fall von Eliza Ross klappte ihm dann tatsächlich die Kinnlade herunter.
„Meine Fresse", staunte er, „Ich hab nur einmal was von dem Fall gelesen. Ich glaube, als das letzte Mal öffentlich bestätigt wurde, dass der Fall nicht mehr neu aufgenommen wird. Aber jetzt hat sich das wohl auch wieder erledigt."
Finster nickte Cedric. „Ich hab noch keine genauen Details oder neue Infos, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass wir den Schuldigen bald fassen können."
Bedeutungsschwer tauschten sie beide einen Blick.
„Zwei Fliegen mit einer Klappe", fügte Tony hinzu und hob seine Flasche an die Lippen.
„Es fehlen uns nur noch die letzten Indizien...", murmelte Cedric und seufzte leise. Das ganze war viel zu kompliziert und verstrickt, um in Kürze schon als abgeschlossener Fall abgestempelt zu werden. Er wusste, dass noch einiges kommen würde.
„Gut, das kriegen wir schon hin, Kumpel. Wie steht es mit Allan?"
Erneut seufzte Cedric und griff nach den Chips. Beim kauen ließ er den Blick über die Wiesen schweifen. „Sehr schlecht", murmelte er vor sich hin. Auf einmal wurde er wieder müde und schloss kurz die Augen. „Sein Körper ist extrem geschwächt von der ganzen Folter und Anstrengung seiner Entführung. Es wird dauern, bis er wieder einen besseren Zustand erreicht. Wenn überhaupt..." Seine Stimme brach und er blinzelte stark.
„Cedric." Sanft legte Tony die Hände auf seine Arme und drückte sie fest. „Er wird schon wieder, daran glaube ich fest. Allan ist ein starker Mensch, ein wahrer Kämpfer. Und sein Herz liebt dich viel zu sehr, als dass es plötzlich einfach so schlappmachen könnte. Allan schafft das, vor allem, wenn du an seiner Seite bist."
Sein zuversichtliches Lächeln brachte Cedric Mut ein, und er erwiderte es mild. „Hoffentlich hast du recht", hauchte er. Müde wischte er sich übers Gesicht und die Haare. Um irgendetwas zu tun und die Stille zu vertreiben, griff er erneut nach den Chips. Der Geschmack von Paprika und Fett knusperte in seinem Mund.
„Es wissen wohl auch schon Leute von... Allan und mir", brachte er schließlich leise hervor. „Green scheint auch noch Gerüchte zu verbreiten."
Skeptisch hob Tony eine Braue. „Und das bringt ihm was genau?"
Cedric zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung. Macht? Genugtuung? Vielleicht ist das ein Fetisch? Was weiß ich, aber ich hab ein echt ungutes Gefühl bei der Sache."
Tony brummte. „Vielleicht will er dich auch nur persönlich angreifen, damit du dich noch mehr stresst. Es wird schon nicht so schlimm sein, Kumpel."
Cedric war sich da nicht so sicher, sagte aber nichts weiter dazu. Stattdessen trank er einige Schlucke Bier.
„Deine Grams kennt doch bestimmt viele Tratschtanten", meinte Tony nachdenklich, und er sah verwirrt auf.
„Sie hört bestimmt von den Gerüchten und kann uns was drüber erzählen", erläuterte Tony. „Dann wissen wir, was Green damit bezwecken will."
Warum war Cedric da nicht selbst drauf gekommen? Verdammt nochmal, seit er Allan wiedergefunden hatte, arbeitete sein Hirn einfach nicht mehr. Er verkniff sich ein ungläubiges Schnauben. Alles in seinem Leben drehte sich nur noch um Allan.
„Komm." Tony schlug sich auf die Schenkel und stand auf. In wenigen Zügen leerte er seine Flasche, und Cedric tat es ihm gleich. Die fast leere Chipstüte nahmen sie mit und stapften durch das lange Gras wieder zurück zum Haus.
„Du dürftest mal wieder mähen", kommentierte Cedric.
„Ich bin doch kein Schaf", gluckste Tony. Cedric verdrehte grinsend die Augen. „Mit dem Rasenmäher, du Schwachkopf!"
„Kind, das sagt man doch nicht."
Die beiden schauten auf zu Rosa Lahey, welche nun an die Terrasse trat.
„Hörst du, Cedric? Sowas sagt man nicht!", triezte ihn Tony grinsend.
Cedric streckte ihm die Zunge raus.
„Grams, ich habe dich vermisst", sagte er schließlich zu Rosa, welche immer noch mit tadelndem Blick, aber durchaus amüsiert in der Tür stand.
„Ach, mein Lieber. Komm schon her."
Die beiden umarmten sich fest. Rosa roch nach frisch gekochtem Pudding. Cedric lächelte, er war so dankbar, dass sie noch da war.
„Schätzchen, wie geht es deinem Herzblatt?"
„Herzblatt", echote Cedric und seufzte leicht. „Nicht sonderlich gut. Sein Herz macht massive Probleme. Er hatte eine sehr schlechte Zeit."
Rosa legte fragend den Kopf schief. „Ach, solche Gruselgeschichten will ich gar nicht wissen. Lass uns rein gehen, deine Grams ist schon zu alt zum rumstehen. Dann kannst du mir alles in Ruhe erzählen."
„Ich bringe derweil die Kleinen zu Bett", verkündete Tony.
„Das brauchst du nicht mehr, sie schlummern schon", lächelte Rosa.
Tony strahlte und drückte vorsichtig Rosas Hand. „Meine Liebe, kann man dich noch adoptieren?"
„Hey, das ist meine Oma", grunzte Cedric gespielt beleidigt.
Rosa kicherte. „Ihr Kindsköpfe." Kopfschüttelnd setzte sie sich wieder aufs Sofa und klopfte neben sich. Während Cedric sich zu ihr setzte, ging Tony nochmal nach seinen Kindern schauen.
„Grams, es gehen einige Gerüchte um Allan und mich herum", begann Cedric direkt. „Du hörst doch sicher immer den neuesten Klatsch und Tratsch. Könntest du dich ein wenig umhören?"
„Natürlich, Schätzchen. Gerlinde und Berta quatschen immer so viel und nehmen auch kein Blatt vor den Mund. Da höre ich sicherlich etwas..."
Leise räusperte Cedric sich. „Grams, weißt du etwas über den Fall Eliza Ross?"
„Warum fragst du mich das?", erwiderte sie misstrauisch.
„Der Fall wird wieder aufgenommen und ist so gut wie geklärt", erzählte Cedric. „Man hat ihren Körper in der Burgruine gefunden, wo Allan gefangen gehalten wurde."
Erschüttert schlug Rosa die Hand vor den Mund. „Nein, wirklich? Die Ruine, und Eliza? Herr im Himmel! Wer ist dieser Unmensch, der so etwas tut?"
„Ein und dieselbe Person", knurrte Cedric. „Edward Ken Spencer hat Eliza getötet und Kendrick Green hat alles vertuscht."
Rosa wurde kreidebleich, ihre Hände begannen zu zittern, und Tränen füllten ihre Augen. „Ricky, was sagst du? W-wie heißt er? Spencer...?"
Unruhig fasste Cedric nach ihren Händen. „Ja, Grams. Was ist denn? Kennst du ihn?"
Rosa begann zu weinen und unkontrolliert zu schluchzen. Besorgt zog Cedric sie in die Arme und wiegte sie hin und her.
Durch das Weinen rauschte auch Tony ins Wohnzimmer und besah sich entgeistert das Szenario. Er warf Cedric einen Blick zu, der bedeutete was zum Henker ist passiert? Aber Cedric konnte es ja selbst nicht sagen.
„Grams, bitte beruhige dich und sag mir, was los ist. Kennst du den alten Spencer? Was hat er getan?"
Rosa schluchzte noch immer ungehalten und schnappte immer wieder nach Luft, was Cedric noch mehr besorgte. Tony brachte ein Glas Wasser und zwang sie, etwas zu trinken.
Schließlich zog Rosa ein Stofftaschentuch hervor und wischte sich die Tränen weg. „Spencer... sie haben mir nie geglaubt, aber ich weiß es einfach." Ihre Unterlippe zitterte, und sie wirkte unglaublich wütend. „Spencer hat sie uns genommen. Meine Kinder, deine Eltern. Cedric, ich weiß dass er es war, der sie umgebracht hat. Ich konnte es nur nie beweisen."



Danke für 26k reads❤️

Nur du zählst...Where stories live. Discover now