Thirteenth

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Müde stieß Cedric die Tür zu seinem dunklen Zimmer auf und warf seine Uniformjacke durch die die Luft. Er scherte sich nicht darum, dass sie auf seinem Bett landete und gleich hinunter auf den Boden rutschte. Stattdessen schloss er die Tür hinter sich und begann sein Hemd aufzuknöpfen.
Er wollte einfach nur noch ins Bett und schlafen. Der Tag war anstrengend gewesen, erst ein Diebstahl, den er nicht hatte aufklären können und dann wieder eine Prügelei in der Schule des Dorfes. Während er genervt zurück ins Büro gekommen war, hatte Allan einen kühlen Kopf bewahrt und ihm mit einem Schulterzucken zugelächelt. Verzaubert von diesem Anblick, hatte er zurück gelächelt und mit ihm zusammen die Berichte geschrieben. Immer wieder hatte er Allans Blick auf sich gespürt, doch er war viel zu aufgewühlt gewesen, als dass er hätte reagieren können. Stattdessen war er derjenige gewesen, der rot angelaufen war, was Allan dazu gebracht hatte, ihn schüchtern anzugrinsen.
Unwillkürlich musste Cedric lächeln. Allan verdrehte ihm den Kopf, und er ließ es nur allzu gerne zu.

Er bückte sich, um seine Jacke aufzuheben, und brachte sie zu seinem Kleiderschrank. Zufällig glitt sein Blick zu seinem Fenster, und draußen sah er einen dunklen Schemen durch seinen Garten wandern. Misstrauisch beugte er sich weiter vor und runzelte die Stirn. War das etwa Allan, der sich vor dem Baum ins Gras setzte?
Ja, das musste er sein. Beigefarbener Stoff, eine Hand, die durch dunkle Haare fuhr.
Allan Dearing.
Besorgt hängte Cedric die Jacke in seinem Schrank auf und machte sich auf ins Erdgeschoss. Was machte Allan bloß um diese Uhrzeit im Garten? Er kannte ihn lange genug, dass er es wusste, wenn es schlecht um ihn stand.
Leise drückte er die Küchentür auf und trat in die Düsternis. Der Mondschein drang durch die offene Terrassentür gegenüber, und Cedric schlich stumm durch den Raum. Kurz zögerte er, doch dann beschloss er, in den Garten zu treten.
Kalte Nachtluft schlug ihm entgegen, streifte seine Brust im offenen Hemd, ließ ihn schaudern, und er atmete geräuschvoll ein. Er sah Allan dort sitzen, mit dem Rücken an den Stamm des Kirschbaums gelehnt und dem Kopf in den Händen vergraben. Die Sorgen krochen durch seine Adern wie giftige Schlangen, und er biss sich nervös auf die Lippe.

Kurzerhand schritt er durchs Gras auf Allan zu. Der Mann schien ihn nicht zu bemerken, tief in Gedanken versunken, wie er war. Cedric stopfte die Hände in die Hosentaschen und blickte zu ihm hinab.
„Allan?" Seine Stimme klang rau in der Dunkelheit. Allan schreckte auf und starrte ihn entsetzt an. Seine dunklen Haare waren zerzaust, in seinem Blick lag etwas Gebrochenes. Cedric fragte sich, ob er Tränen auf seinen Wangen glitzern sehen konnte.
„Al, was machst du noch hier?" Sie beide zuckten bei dem Klang dieser Abkürzung zusammen. Allan wandte den Blick ab und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, ließ die Finger darin ruhen.
„Ich brauchte etwas Ruhe", murmelte er peinlich berührt.
Cedric zog besorgt die Stirn in Falten. „Um Mitternacht, alleine im Garten?"
Allan lachte heiser auf und legte den Kopf in den Nacken. Er leckte sich die Lippen, musterte den Nachthimmel über ihnen. „Ich bin 32 und ein Cop, Cedric. Natürlich sitze ich um Mitternacht alleine im Garten, ich kann auf mich selbst aufpassen."
Cedric lachte ebenfalls leise auf, unsicher, wie viel er von seinen Worten sarkastisch aufnehmen sollte. Verlegen rieb er sich den Nacken. „Weinend?"
Allan zuckte deutlich zusammen und senkte den Blick. Dann zuckte er ungerührt die Schultern.
Ein scharfes Stechen fuhr durch Cedrics Brust. Geistesabwesend rieb er sich die unangenehm kribbelnde Stelle zwischen den Rippen und spürte im nächsten Moment Allans durchbohrenden Blick auf sich. Er schaute ihn an, Blau traf auf Braun, und obgleich es dunkel war, konnte Cedric die Röte in Allans Gesicht erkennen. Er unterdrückte ein Auflachen und stopfte stattdessen die Hand zurück in die Hosentasche. Er legte den Kopf schief und blickte Allan fragend an. „Darf ich mich zu dir gesellen?"
Überrascht hob Allan die Brauen. Er zögerte. Doch dann nickte er langsam.
Cedric lächelte leicht. Er trat näher an ihn heran und ließ sich neben ihm ins Gras sinken. Die harte Rinde des Kirschbaums bohrte sich durch den dünnen Stoff seines Hemdes in seinen Rücken. Neben sich nahm er Allans Körperwärme und seinen angenehmen Duft wahr. Er atmete tief ein und aus und schloss eine Sekunde lang die Augen.
Eine Gänsehaut überzog seine Arme, als er kalten Atem auf seiner Wange spürte. Er öffnete die Augen und wandte den Kopf zu Allan, der ihn traurig musterte. Sie saßen so dicht nebeneinander, dass sich ihre Schultern beinahe berührten, und Cedric konnte das hübsche Braun seiner Augen erkennen, das anders als sonst nicht neugierig, sondern wehmütig wirkte.

„Also, Allan", murmelte er leise. „Was führt dich hierhin?"
Allan wandte den Blick ab und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Ich mache mir bloß Gedanken", erwiderte er knapp.
„Und worüber?"
„Sachen halt", murmelte Allan missmutig.
Seine Worte fühlten sich an wie Kratzer auf der Haut, und Cedric verzog zerknirscht das Gesicht. Er musterte Allans gebrochene Erscheinung, sein erschöpftes Gesicht, und seine Gefühlswelt stand Kopf. Er wollte wissen, was mit ihm los war, worüber er sich Sorgen machte, wollte ihm helfen, ihn berühren, ihm Sicherheit geben.
Zögernd legte er die Hand auf Allans Arm. Allan zuckte leicht zusammen und musterte nachdenklich seine Hand.
„Allan, ich möchte dir helfen", sagte Cedric leise. „Was auch immer los ist, du kannst mit mir reden. Du solltest nicht so betrübt hier sitzen. Ich mache mir Sorgen um dich."
Allan schnaubte. „Warum machst du dir Sorgen um mich?", fragte er grimmig und entwand sich seinem Griff. In seinen dunklen Augen schimmerten Tränen. „Du kennst mich zwei Tage, also musst du dich nicht um mein Wohlbefinden scheren."
Erschrocken starrte Cedric ihn an. War das ein stummer Vorwurf in seinen Worten gewesen? Sein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen.
„Allan..." Der Schmerz in seiner eigenen Stimme ließ ihn zusammenzucken. Dieser Mann trieb ihn in den Wahnsinn. „Allan, egal, wie lange ich dich kennen mag, ich merke, dass es dir nicht gut geht. Wenn du reden möchtest, dann tu das. Ich habe genug Zeit, um dir zuzuhören und tue dies nur allzu gern. Du kannst mir vertrauen."
Allan blickte ihn an, die Zweifel in seinen Augen verdeckten das Gefühlschaos dahinter. „Es ist nicht so einfach zu erklären", meinte er dann zögerlich, und Cedrics Herz setzte einen Schlag aus, die Hoffnung in ihm stärker als jedes andere Gefühl, das er hätte wahrnehmen können.

Nur du zählst...Where stories live. Discover now