Twentysecond

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Müde schlüpfte Allan in seine Uniformjacke und stapfte die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Er hatte überhaupt nicht gut geschlafen, und er war nicht in der Stimmung, heute zu arbeiten. Seine Ängste und Sorgen machten ihn total fertig. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend trat er in die Küche.
Cedric saß mit dem Rücken zu ihm am Esstisch und schaute hinaus in den Garten. Geistesabwesend rührte er in seinem Kaffee herum und hatte das Kinn auf die andere Hand gestützt.
Allan seufzte leise. Er sehnte sich nach Cedric, nach seinen Worten und Berührungen, seiner Nähe, seinen Augen, in denen er sich so leicht verlor.
So nah, und doch so fern...
Zögerlich trat Allan auf den Tisch zu und nahm neben Cedric Platz. „Guten Morgen", murmelte er mit schüchternem Blick in seine Richtung und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
Cedric zuckte leicht zusammen, doch als er ihn erblickte, lächelte er sanft. „Guten Morgen, Allan. Gut geschlafen?"
Allan wandte bedrückt den Blick ab und nahm sich ein Sandwich. Ohne großen Appetit biss er hinein. Er nickte stumm; eine leise Lüge, welche nur allzu leicht aufzudecken war für einen Menschen wie Cedric. Allan wusste dies, doch er wollte nicht darüber sprechen, konnte nicht, wie auch? Wenn er all dies nicht in Worte fassen konnte, wenn seine Angst ihn unterdrückte, wenn er zwischen Vertrauen und Misstrauen stand, obgleich es keinen Grund für Misstrauen gab.
Und doch waren Zweifel stärker als Wissen.

„Allan, geht es dir gut?", wisperte Cedric besorgt. Er streckte die Hand nach ihm aus, hielt sie ihm hin und wartete. Allan blickte sie verzweifelt an, zögerte. Er fuhr sich nervös durch die Haare.
Er konnte nicht. Er hatte Angst.
Und er wusste nicht einmal, warum.
„Allan." Cedric drückte seinen Arm für den Bruchteil einer Sekunde, doch es reichte aus, um ihm genug Adrenalin durch die Adern zu jagen, dass er für einen Augenblick schwarz sah.
Nicht er. Er ist es nicht. Es ist nicht Cedric. Er war es nicht. Und er wird es auch niemals sein. Er tut dir nicht weh!
Allan hörte Cedrics Stimme wie hinter Wasserrauschen, und er konnte den Sinn aus seinen Worten nicht herausfiltern. Lahm riss er den Blick von der Leere, in welche er gestarrt hatte, und wandte den Kopf zu Cedric. Der Blonde schaute ihn mehr als bloß besorgt an, und in seinen eisblauen Augen spiegelte sich jene Angst, die Allan verspürte.
Ich liebe dich...
Allan schluckte den Kloß, der sich plötzlich in seinem Hals gebildet hatte, mühsam herunter. Stumm blickte er Cedric an, die einzige Verbindung, die er gerade zu ihm aufrecht erhalten konnte, ohne von seinen Ängsten übermannt zu werden.
„Allan..." Wehmut steckte tief in Cedrics Stimme, wie auch in seinen Augen, und der Mann suchte nach Worten. Allan wusste, was er sagen wollte; wusste, wie sehr er sich für Dinge entschuldigen wollte, die nicht seine Schuld waren. Stumm schüttelte er den Kopf. Er spürte die Tränen in seinen Augen brennen.
Cedric seufzte traurig. Er streckte eine zitternde Hand nach Allan aus, sah ihn fragend an. Allan wusste nicht, ob er es aushalten würde, berührt zu werden, doch er tat nichts, sondern wartete bloß. Ließ es darauf ankommen.
Er würde dir niemals etwas tun...
Zaghaft, doch liebevoll legte Cedric die Hand auf seine Wange und strich mit dem Daumen über seine Haut. Allans Herzschlag beschleunigte sich sofort in purer Angst, seine Gedanken überschlugen sich. Gequält verzog er das Gesicht und kniff die Augen zusammen.
Bleib ruhig. Bleib ruhig. Es ist okay. Du bist okay. Er tut dir nichts...
Oder?
„Ach verdammt, Allan, bitte... vertrau mir. Ich tu dir nichts. Ich liebe dich..."
Allan schluchzte leise, Tränen quollen unter seinen geschlossenen Augenlidern hervor. Irgendetwas stürzte unaufhaltbar in seinem Inneren zusammen wie ein Kartenhaus. Sein Herz schlug unregelmäßig und schmerzhaft.
Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich...
Cedrics Lippen drückten sich zart wie ein Windhauch auf die seine, und gleichzeitig schmeckte er die Bitterkeit seiner Tränen. Für den Bruchteil einer Sekunde erwiderte er den Kuss verzweifelt, doch dann löste er sich von Cedric. Sein Herzschlag beruhigte sich langsam, aber stetig, und er fühlte Cedrics überforderten Blick auf sich liegen.
„Was soll ich tun, Allan?", fragte Cedric kaum hörbar, während die Hilflosigkeit darin schrie, „was soll ich tun, um dir zu helfen?"
Allan zuckte die Schultern, ohne ihn anzusehen. Er wollte ihn einfach nicht hinter seinem Tränenschleier sehen. Er wollte ihn ansehen und jegliche Trauer weit hinter ihnen lassen. „Ich weiß es nicht", krächzte er. „Ich weiß es wirklich nicht, Cedric."
Und es war unklar, ob es überhaupt einen Weg gab, ihm zu helfen.

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