105

6.6K 257 8
                                    

„Bist du sehr aufgeregt wegen morgen" fragte Kathy während wir die Straße entlang liefen. „Ich weiß nicht, irgendwie schon ein wenig" sagte ich nachdenklich. Morgen war es endlich so weit, das erste Surf Training im Wasser. Die letzten zwei Wochen haben wir uns intensiv darauf vorbereitet, aber es war das erste mal das ich wieder ins Wasser gehe seit der Therapiestunde. Hoffentlich schaffe ich das auch alleine. Das Meer war auch nochmal anders als so ein kleiner Pool. Es gab Wellen, Strömungen, man kann den Boden nicht sehen, es war einfach viel unberechenbarer als so ein Pool. Eigentlich wollte ich schon in den letzten Tagen mal zu Meer fahren und ins Wasser gehen, aber es hat zeitlich nicht funktioniert. Ich musste viel für die Schule machen, Jake und Cole hatten beide Geburtstag, dann meine zwei AGs und vielleicht hab ich mich auch bewusst ein wenig davor gedrückt, aber morgen war es so weit, es geht ins Meer. Eine Mischung aus Freunde und Angst, nein eher großen Respekt, machten sich in mir breit wenn ich daran dachte.
„Das wird schon werden" munterte meine Freundin mich auf während wir eine Straße überquerten. Nach der Schule sind wir in die mall gegangen, allerdings hat Kathy relativ weit weg geparkt weshalb wir noch ein wenig laufen mussten. Es war schon fast 8pm, eigentlich müsste ich dann zuhause sein. Mir war klar das ich es nicht mehr pünktlich schaffen kann. Noch während ich überlegte ob ich meinen Brüdern schreiben soll, oder ob ich einfach zu spät komme gab es plötzlich einen lauten Knall. Ich zuckte vor schreck leicht zusammen. Mehrere laute Stimmen waren zu hören. Sie riefen etwas im Einklang, aber ich konnte nicht verstehen was es war. „Komm, lass uns mal nachschauen" sagte Kathy neugierig und zog mich um den Block. Mit einem etwas unguten Gefühl lief ich ihr hinterher. Die Stimmen wurden immer lauter. Sie klangen alles andere als friedlich. Draußen war es schon dunkel, nur die Straßenlaternen beleuchteten unseren Weg. Wir bogen um eine Hausecke als eine undeutliche Stimme aus einem Megafon ertönte. Es war anscheinen die Polizei. Wir liefen einen schmalen Gang zwischen zwei Häusern durch. Auf einmal standen wir mitten auf einer Hauptstraße. Rechts von uns waren mehrere Leute. Links von uns Polizisten. Die Leute, eindeutig Demonstranten, hatten alle ihr Gesicht vermummt und riefen und warfen Dinge auf die Polizisten. Es waren total viele, bestimmt an die 100 Demonstranten. Die meisten wirkten sehr aggressive und angriffslustig. Als ich an den Rand sah konnte ich mehrere, anscheinend verletzte, Personen entdeckten, die von anderen Demonstranten versorgen wurden. Der Geräuschpegel war enorm. Wieso hatten wir das erst so spät gehört? Erneut gab es lauten Knall und Rauch stieg zwischen dem Demonstranten auf. Alle rannten ein paar Meter zur Seite, einige hielten sich die Hände vor die Augen, ein paar andere warfen weiter Steine gegen die Polizisten. Das rauchige Teil sah aus wie ein Tränengas Dose, was gerne von der Polizei genutzt wird.
„Wir sollten hier weg" hörte ich Kathy Stimme. Ich sah zu ihr. Sie blicke zu den Polizisten. Auch sie waren total viele. Die meisten hatten ein großes Schutz Schild vor sich. Außerdem waren sie mit Helm, Weste und allen anderen Schutzmaterial ausgestattet. Plötzlich ging alles ganz schnell. Bevor ich reagieren konnte kamen sie schon auf uns zu gerannt und riefen etwas, allerdings verstand ich kein Wort. Im nächsten Moment sah ich wie sie mit etwas auf uns zielten und spürte wie mich etwas hartes am Oberschenkel und am Bauch traf. Bevor ich reagieren konnte spürte ich den nächsten Schmerz an meiner Schulter. Vor lauter Schmerz ließ ich meine Tasche fallen. Die Demonstranten wurden immer lauter. Kathy sah mit schmerzverzerrtem Gesicht zu mir als die Polizisten bei uns ankamen. Ohne etwas zu sagen wurden wir auf den Boden gedrückt. Meine Wange berührte den kalten Asphalt als meine Arme grob auf den Rücken gedreht und festgebunden wurden. Es waren keine Handschellen, es fühlte sich eher an wie Kabelbinder. Die vermummten Polizisten packten mich am Arm und zogen mich auf die Beine. Ich spürte das pochen an den Stellen an denen die mich mit den gummigeschossen getroffen hatten. Grob wurden wir über die Straße gezerrt. Verdammt, warum muss uns eigentlich immer so etwas passieren. Wir gehörten doch nicht einmal zu den Demonstranten, was man uns doch eigentlich auch ansah. Wir standen einfach zu weit vorne. Die Demonstranten standen bestimmt 10 Meter rechts von uns und wir waren sehr nah an den Polizisten. Klar denken die sofort das wir eine Bedrohung für die sind. Jetzt komme ich erst recht zu spät nach Hause. Meine Brüder dürfen das nie erfahren. Hoffentlich lassen die uns einfach so wieder gehen...

Big Brothers 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt