Kapitel 20 - Trügerische Idylle

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Oscar

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»Hey, was hältst du von einem Picknick am Strand, während wir lernen?«, fragte ich Kaycie, die nach Unterrichtsschluss schon davonstürmen wollte.

Sie blieb stehen, dann sah sie mich gleichzeitig lächelnd und zweifelnd an. »Also ... Picknick am Strand klingt gut, aber lernen ... ich weiß nicht ...« Sie sah auf ihre Schuhe, bevor sie mir verschwörerisch zuzwinkerte. »Wir könnten ja ...« Aufreizend fuhren ihre Fingerspitzen über meinen Unterarm, wo sofort eine Gänsehaut entstand. Ein wohliger Schauer durchfuhr mich.

Kurz darauf runzelte ich mit der Stirn und ignorierte die Schmetterlinge in meinem Bauch. Seit wann verhielt sich Kaycie denn so? Aber mir ging sogleich ein Licht auf. »So willst du dich also vor dem Lernen drücken, wie? Meinst du, ich falle darauf herein?« Ich schmunzelte. »Und wann hast du dann vor zu lernen?«

Ein geheimnisvolles Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. »Morgens, vielleicht abends ... wenn ich nicht in deiner Nähe sein kann.« Damit war das Thema für sie beendet. Sie setzte sich wieder in Bewegung. Es war immer das Gleiche mit ihr und dem Lernen: die beiden hatten sich noch nie vertragen können. »Wann holst du mich ab?«, fragte sie, als ich zu ihr aufgeschlossen hatte.

»So gegen vier?«

»Super, wir sehen uns dann!« Sie drehte sich noch einmal zu mir um, drückte mir einen leichten Kuss auf die Wange, eilte davon und ließ mich samt meinen verwirrten Gefühlen allein zurück.

Wir hatten noch nicht einmal über unseren letzten Kuss gesprochen, und jetzt berührte sie mich schon so vertraut. Es fühlte sich viel zu gut an, um es gänzlich ignorieren zu können. Waren wir nun offiziell zusammen? Ihrem Verhalten nach ja, aber wer wusste schon, was im Kopf eines Mädchens vor sich ging? Vor allem, wenn es sich um eines wie Kaycie handelte, die wie Zoey von einer ganz eigenen Spezies abzustammen schien.

Plötzlich spürte ich Blicke auf mir, und entdeckte Zoey in der Menge an Schülern, die aus der Lehranstalt stürmten, um sich endlich dem interessanten Teil des Tages zu widmen. Sie starrte schon wieder in meine Richtung. Ganz allein stand sie vor dem Gebäude, und genau wie heute Morgen wirkte sie wie ein Geist. Was führte sie im Schilde? Irgendwas hatte sie vor, aber was zum Teufel? Nachdenklich schüttelte ich den Kopf, dann schlug auch ich den Weg nach Hause ein.

Da ich Kaycie ein Picknick versprochen hatte, machte ich mich gleich an die Vorbereitung dafür. Ich belegte uns ein paar Sandwiches und schnitt ein bisschen Obst und Gemüse zusammen. Den Proviant verstaute ich anschließend in meinem Rucksack.

»Oscar, gehst du noch wohin?« Fragend sah mich meine Mutter an, als ich durch das Wohnzimmer zum Flur lief.

»Äh, ja? Gibt es ein Problem?«

Sie schüttelte lächelnd den Kopf und hob die Zeitschrift, in der sie gerade las, wieder vor ihr Gesicht. »Nein, nein. Sei nur pünktlich wieder zum Abendessen zurück«, meinte sie, schon wieder völlig in ihre Beschäftigung vertieft.

»Klar, mach ich«, antwortete ich noch über meine Schulter, bevor ich das Haus verließ.

Etwas nervös klingelte ich an der Tür zu Kaycies Zuhause. Hoffentlich öffnete mir jetzt nicht Zoey und starrte mich wieder so seltsam an, was sie seit heute irgendwie ziemlich gerne tat – warum auch immer. »Hi!«, begrüßte mich Kaycie strahlend, und ein kleiner Teil der Anspannung verflüchtigte sich mit einem Mal. Ich war froh, ihr gegenüberzustehen und nicht ihrer Schwester, die mir langsam unheimlich wurde.

Ich lächelte zurück. »Können wir?«

»Klar, ich halte es nicht mehr aus unter Zoeys merkwürdigen Blicken!« Stöhnend fuhr sie sich durch die Haare.

Mondsüchtig | VerwandlungWhere stories live. Discover now