37 - »Doktor Celal«

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!! T I M E L O O P !!

7 JAHRE SPÄTER

Kalter Wind bläst mir gegen das Gesicht. Ich atme tief ein und schließe meine Augen. Ängstlich presse ich meine Lippen zusammen. Ich will das Ergebnis nicht wissen. Mein Herz schlägt zu stark, sodass ich mich schwächer fühle als sonst. Mein Hals kratzt und meine Augen füllen sich mit Tränen. Ich fühle mich wie das letzte Stück Elend. Als könnte mein Leben nicht noch schlimmer verlaufen. Nachdem ich mich beruhigt habe, laufe ich festentschlossen in die Klinik rein. Ich gehe an die Rezeption und lege meine Gesundheitskarte auf dem Tresen ab, damit die ältere Dame sie lächelnd entnehmen kann. Mein Herz hört nicht weniger schneller an zu schlagen. Ich spüre, wie kalter Schweiß sich auf meinem Körper breit macht.

„Bitte nehmen Sie für einen Moment im Wartebereich platz, Frau Delil.", spricht sie mit einer rauen alten Stimme, die sich aber vertrauenswürdig anhört. Überfordert nicke ich ihr zu und mache mich auf den Weg ins Wartezimmer. Ich sitze mich langsam auf einen freien Platz und seufze zittrig aus. Scheiße. Krebs. Am Kopf. Einen Tumor. Mir kommen wieder die Tränen. Ich will noch nicht sterben. Wie paradox sich das doch anhört. Früher wollte ich alles beenden. Wollte nicht mehr diesen Leid spüren. Doch, wenn es wirklich ernst wird, nehme ich alles zurück. Ich lehne mein Kopf gegen die kalte Wand hinter mir. Müde fahre ich mir übers Gesicht. Wird das mein Ende sein? Ich hätte meine Familie besuchen sollen. Wenigstens einmal in diesen sieben Jahren. Immer eine neue Ausrede gefunden, wenn ich Zeit hatte. Ich hätte viel mehr Zeit mit ihnen verbringen sollen. Ich hätte öfter das Grab meiner Mutter besuchen sollen. Ihr mehr von ihren Lieblingsblumen vorbeibringen können. Schnell wische ich mir die Träne weg, als sie mein Auge verlässt. Ich war sieben Jahre nicht mehr bei ihr. Sie muss sich alleine fühlen. Sie hasst mich, ganz bestimmt. Wenigstens sie hätte ich besuchen können. Ich war doch die einzige, die sie noch hatte. Egal wie sehr mein Vater sie geliebt hat, er hat sie nachdem sie ihn betrogen hatte nicht mehr so sehen können, wie er es davor getan hat. Er liebt sie nicht mehr, auch nicht mehr nach ihrem Tod. Dafür hat sie unter Lebzeiten ihn zu sehr das Herz gebrochen. Ich reibe mir mein Kopf. Dieser scheiß Tumor. Er erklärt diese verdammten Kopfschmerzen all die Jahre. Mein Herz fängt schneller an zu klopfen. Shit. Ich werde sterben. Also werde ich nicht bei der Hochzeit von Mariam und Hazim dabei sein? Werde ich nicht mitbekommen, wenn sie Kinder kriegen? Werde ich keine Erinnerungen mit den kleinen Kopien von Mariam und Hazim sammeln? Werde ich nicht meinen Vater und Semra dabei zusehen, dass sie alt und zerbrechlich werden? Wird mein Vater mich nicht zum Altar bringen? Bitterlich beiße ich mir auf die Innenseite meiner Wange und presse meine Augen zusammen. Wieso muss ich ausgerechnet jetzt an seine wunderschönen Augen denken? Ja, ich bin einfach abgehauen. Ich bin nach diesem schrecklichen Tag einfach abgehauen. Mein Vater wusste, wenn ich hier noch bleibe werde ich kaputt gehen. Deshalb hat er mich einfach zu meiner Großtante in Wien geschickt. Sie ist liebevoll und nett mit mir umgegangen. Sie hatte niemanden, deshalb war es umso besser, sie konnte sich nur auf mich konzentrieren. Aber ich habe gespürt, dass es nichts bringt. Mit den Jahren wurde mir bewusst, dass nur er mich glücklichen hätten machen können. Aber wir haben einander vorbei gesprochen. Nie kam von einem von uns dass wir uns lieben. Ja, ich liebe Baran. Wäre ich bloß mutiger gewesen. Hätte ich ihm einfach gesagt, dass ich ihn liebe und nicht mehr seine gespielte Freundin sein möchte, sondern seine echte. Aber ich war einfach ein Feigling. Zu feige, ihm meine Gefühle zu gestehen, weil ich nicht mein Gesicht verlieren wollte. Ich wollte und will immer noch nur ihn. Sportlich fange ich an zu lächeln. Er ist sicher jetzt verheiratet. Er hat mich sicher schon längst vergessen.

„Frau Delil?", ruft mich eine Schwester auf. Aus meiner Gedankenwelt entrissen, laufe ich ihr hinterher. Ich sollte aufhören, so viel nachzudenken. Wer weiß, vielleicht ernährt sich mein Tumor davon.

„Der Arzt kommt jeden Moment. Sie können es sich gemütlich machen.", nickt sie mir zu, was ich direkt erwidere. Ich setze mich auf den Behandlungsstuhl und schaue Löcher in die Wand. Was hast du erreicht, Dunya? So willst du sterben? Sollen dich die Leute so in Erinnerung behalten? Mein Bauch verkrampft sich. Wieso muss alles in meinem Leben so schief laufen? Erneut werde ich aus meinen Gedanken entrissen, da der Arzt die Tür öffnet.

„Guten Tag, Frau Delil. Ich bin Doktor Knappe.", er redet weiter. Er macht mir klar, dass ich es schaffe und die Hoffnung nicht aufgeben soll. Seine Lachfältchen an den Augen werden stärker, als ich ihn unglaubwürdig anschaue.

„Ich hatte schon viele Patienten, die keine Hoffnung mehr hatten, es aber dann doch geschafft haben. Glauben Sie mehr an sich.", schüchtern presse ich meine Lippen aufeinander.

„Hätten Sie vielleicht ein Problem, wenn ein Assistenzarzt zuschaut und auch mit behandelt?", fragt er lieb nach. Eigentlich will ich nicht unnötig von anderen noch angefasst werden, aber weil er so nett nachgefragt hat, nicke ich einfach nur. Freudig klatscht er sich in die Hände und öffnet sie Tür, um rauszulaufen. Er hält kurz seinen Finger in die Höhe und signalisiert mir, dass er gleich wieder zurückkommt. Mein Herz fängt ungewöhnlich schnell an zu schlagen. Mir wird warm und schwindelig. Ich schaue runter auf meine Hände, die anfangen zu zittern und eklig nass kalt sind. Ich reibe mir meine nassen Handflächen auf meiner Jeans ab und atme tief ein und aus. Was passiert gerade? Wieso bin ich so aufgeregt? Aus Stress will ich anfangen zu weinen, doch ich halte mich zurück. Ich muss stark sein. Doktor Knappe meinte doch, dass ich an mich glauben soll. Die Tür öffnet sich. Der Assistenzarzt steht hinter Doktor Knappe, doch ich erkenne überall diese Struktur. Überall würde ich diese Schultern erkennen. Mit weitaufgerissenen Augen will ich hinter dem Arzt schauen. Mein Mund steht unbewusst offen, ich kann's nicht ganz glauben. Als ich diese Augen erblicke, werden meine Befürchtungen wahr.

Diese bernsteinbraunen Augen würde ich überall wiederkennen.



Ups... wieder nach Monaten geupdatet....

Nicht korrigiert

Deine schönen Augen machen krankWhere stories live. Discover now