28 - »Einen Tag zusammen«

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„Bist du bereit?", fragt er amüsiert, als er meine Anspannung spürt. Ich will das nicht. Genervt schaue ich in sein Gesicht und mache seine Grimasse nach, weshalb er anfängt zu lachen. Er parkt in die Lücke an und schaltet den Wagen aus. Zittrig atme ich aus und schaue zu ihm. Er steigt aus um gleich direkt meine Tür aufzureißen und mir die Hand hinzuhalten. Ich presse meine Lippen aufeinander, schon spüre ich alle Blicke auf uns. Mit der einen Hand schultert er seine Schultasche, die andere wandert meinen Rücken runter, bis hin zum—

„Entspann dich.", flüstert er in mein Ohr, als ich wegtreten will. Es demütigt mich gerade so sehr. Ich will seine Hand nicht in meiner hinteren Hosentasche. Nicht merklich atme ich gestresst aus und laufe eng neben Baran zur Schule rein, wohlgemerkt, dass jeder uns gerade anstarrt. Die Tussen gucken herablassend, die Möchtegern-Sportler begrüßen Baran, was er wiederum mit einem Nicken zurückgibt. Ich fühle mich wie im falschen Film. Wieso habe ich mich darauf eingelassen? Doch dann läuft alles in Zeitlupe. Meine Augen steuern direkt in die Augen von Bahar. Ihre Augen sind geweitet, sie sieht nicht glücklich aus. Als wäre sie gekränkt. Als sie meinen Blick sieht, schaut sie weg. Ich mache ihr es nach und starre nach vorn. Die Gerüchteküche wird platzen. Als wir die Aula erreichen, gesellen wir uns zu Hazim und Mariam, die schon komisch gucken.

„Ich glaub, ich seh nicht richtig.", kommt es von Mariam. „Seit wann geht das mit euch beiden?", fügt sie hinzu. Eine Augenbraue hebt sich von mir, ich schaue verwirrt zu Mariam. Ich dachte, wir werden wenigstens unsere Leute einweihen.

„Wir sind seit gestern zusammen.", kommt es nur von Baran, Hazims Blick brennt auf mir. Er merkt, dass etwas nicht stimmt. Ich atme erneut gestresst aus und vermeide jeden Augenkontakt der entstehen könnte. Anstatt dass er wenigstens den anderen bescheid gibt, verheimlicht er es selbst unseren Leuten. Ob die Zwillinge bescheid wissen?

„Viel Glück.", kommt es nur von Hazim. Seiner Stimme nach glaubt er es uns nicht. Barans Hand legt sich auf meine Schulter, er greift nach meiner Hand und drückt sie leicht zu.

„Dankeschön.", kommt es mickrig von mir, ich lächle Hazim kurz falsch an und schaue gespielt glücklich zu Baran, der mich genauso anschaut. Lächeln steht ihm. Zu schade, dass es nur gespielt ist. Er schaut über meine Schulter, seine Augen schlitzen sich. Seine Augen flattern wieder zurück zu meinen, nimmt eine Strähne und legt sie mir hinters Ohr. Diese Geste wäre eigentlich sogar süß gewesen, wäre sie nicht von Baran.

„Übertreib es nicht.", flüstere ich und senke meinen Kopf. Ich bereue es. Hätte er mich doch einfach bei meinem Vater verpfiffen, dann hätte ich ihn los.

„Glaub mir, das war erst der Anfang, Dunya.", spricht er und läuft mit mir den Gang entlang. Ich schaue kurz nach hinten, um nochmal Bahar ins Gesicht zu schauen. Sie tut mir leid, egal was vorgefallen ist zwischen beiden. Man spürt, dass es sie mitnimmt Baran so zu sehen.

„Was war zwischen dir und Bahar?", kam ich direkt zum Punkt. Sein Griff um meine Schulter wird merklich stärker, er schluckt laut runter, dennoch merkt man dass es für ihn abgeschlossen ist.

„Sie ist meine Ex.", kommt es nur monoton von ihm. War ja klar. Dieses hübsche Mädchen, was hätte ich mir schon denken sollen. Natürlich. Wieso frage ich auch? Es macht mich sauer. Es verletzt mich. Es zerreißt mich, zu wissen dass dieses Mädchen mal zu Baran gehörte. Wieso sollte Baran freiwillig und ohne Hintergedanken sich mit so einem Mädchen wie mich abgeben lassen? Er benutzt mich nur, um ihr eins auszuwischen. Ich bin hier, die ausgenutzt wird.
Dennoch bleibe ich still und sage nichts. Ich kann nichts dran ändern. Solange er mir droht, kann ich es mit frech sein knicken.

Die fünfte Stunde ist vorbei, die letzte fällt für mich heute aus. Egal wohin ich hinlaufe, es wird getuschelt. Kopfschüttelnd laufe ich den Schulgang entlang um mich auf den Heimweg zu machen, aber eine Person stellt sich mir in den Weg.

„Willst du deinem Freund nicht Tschüss sagen?", kommt es mit erhobenen Augenbrauen von Baran. Ich rolle genervt meine Augen und schaue unbeeindruckt zu ihm. Ihm macht es anscheinend Spaß, was mir irgendwie wehtut. Ich weiß nicht wieso, aber ich könnte auf der Stelle sofort losweinen, weil ich weiß, dass er alles nur wegen Bahar macht.

„Lass das, bin nicht in Stimmung.", sage ich und hole mein Handy raus, da ich eine Nachricht erhalten habe. Ich grinse auf, sofort ist meine Wut gegenüber Baran verflogen.

„Wer hat dir geschrieben?", kommt es leise von Baran. Ich ziehe meine Augenbrauen überrascht und perplex zusammen.

„Du bist nicht mein echter Freund, schon vergessen?", wieso tut er so, als würde es ihn interessieren? Eigentlich hätte ich kein Problem damit gehabt, dass er weiß mit wem ich schreibe, aber ich will Baran nicht zu viel Raum geben. Immerhin droht er mir und zwingt mich seine Freundin zu spielen. Damit riskiere ich meinen Ruf in der Schule. Wenn wir einmal eine Auseinandersetzung haben, wird er mich direkt zur Schulschlampe machen. Und gerade kann ich alles gebrauchen, nur nicht das.

„Gib mir dein Handy.", spricht er mit Druck in der Stimme. Ich schaue ihn noch verwirrter an, was will er plötzlich?

„Baran, hier ist keiner. Du musst nicht übertreiben.", ich verstehe diesen Jungen nicht. Was ist sein scheiß Problem?

„Ich habe zu dir gesagt, dass du mir dein Handy geben sollst.", sagt er, weshalb ich es wieder einstecke. Gerade wollte ich weiterlaufen, doch er packt mich am Arm und zieht mir gewaltsam das Handy aus der Hosentasche. Sauer schreie ich ihn an und will ihm das Handy entreißen, doch er hält es nur hoch und will mein Code knacken. Er versucht es erst mit 1809, meinem Geburtstag. Dann mit 2009, dem Todesjahr meiner Mutter. Wie versteinert über die Erkenntnis dass Baran mich besser kennt, als ich gedacht habe, lasse ich ihn meine Nachricht lesen.

»Heute nur wir beide, Kofferpicknick?«, steht in der Nachricht von Bonita. Sie ist mittlerweile eine sehr gute Freundin von mir geworden, auch wenn sie drei Jahre älter ist als ich. Kofferpicknicken ist mittlerweile zum Ritual geworden. Wir fahren rauf zur schönsten Aussicht der Stadt, machen den Kofferraum ihres Autos auf und picknicken dort. Mit ihr kann ich über Gott und die Welt reden. Sie versteht mich.

„Breche mit ihr und den anderen den Kontakt ab.", verlangt er von mir und will sie gerade blockieren. Ich taue wieder auf und reiße ihm schneller mein Handy aus der Hand, dass er es nicht mal ahnen konnte.

„Das kannst du vergessen, Baran!", rief ich und antworte Bonita mit einem Ja gerne und schicke ihr es ab. Baran umgreift mein Arm fester und drückt mich gegen die Heizung, schaut sich um und senkt sein Blick wieder zu mir. Ich habe vergessen, was für kranke Augen er doch hat. Gerade wirken sie so, als würden sie strahlen und gleich anfangen Sonnenstrahlen auszuscheiden, doch seine Pupillen nehmen immer mehr Fläche auf.

„Mach das, was ich von dir verlange.", kommt es mürrisch und mit zusammengepressten Zähnen von ihm. Ich schüttle nur mein Kopf. Er ist doch bekloppt.

„Solange jeder denkt, dass wir zusammen sind, will ich nicht dass du mit denen gesehen wirst.", fügt er hinzu. Ich presse meine Lippen aufeinander.

„Ist mir scheiß egal.", antworte ich ihm und reiße mich von ihm. „Du kannst von mir aus zu meinem Vater rennen und ihm alles erzählen. Ich mache nicht mehr mit!", knurre ich ohne zu überlegen und schubse ihn von mir. Sofort laufe ich weg und renne zum Bus, der noch rechtzeitig die Türen offen hatte. Ich sehe aus den großen Fenstern, wie Baran hier her läuft, es aber schon zu spät ist. Denn jetzt bin ich weg.

Nie wieder lasse ich mich wie eine Marionette behandeln!



Net korrigiert

Deine schönen Augen machen krankWhere stories live. Discover now