06 - »Babos Herzstillstand«

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Still sitzen wir am Esstisch und essen zu Mittag. Mein Blick schweift immer wieder zu meinem Vater, er ist immer noch sauer.

Erneut spiele ich mit meinem Essen herum. Zur Zeit habe ich auf gar nichts mehr Appetit. Dann streift mein Blick zu Hazim, der wie ein Pferd alles in sich hineinstopft.

Seit zwei Jahren zieht er es durch mit dem Training. Wie hat er es geschafft, einen solchen Körper mit sechzehn zu haben? Ich schaue unauffällig auf meine Oberschenkel, die in meinen Augen viel dicker geworden sind.

Leicht hebe ich sie an, damit sie nicht auf dem Stuhl gedrückt sind. Sie sehen jetzt schmaler aus - so will ich sie auch haben.

Widerwillig stopfe ich mir ein Löffel Reis in mein Mund. Konzentriert kaue ich drauf, bis ich einen unausstehlichen Blick auf mir spüre. Meine Augen steuern rauf zu meinem Vater, ich schlucke das in meinem Mund runter.

Seine Augenbrauen sind zusammengezogen, er stellte die Gabel beiseite. Ich greife nach meinem Glas und trinke draus. Verwundert schaue ich ihn an. Was ist mit ihm? Seit wann sorgt er sich?

Er hat nur seine Firma im Kopf. Ihm geht es erst gut, wenn er mit vollen Taschen nach Hause kommt.

„Seit wann isst du so wenig?", fragte mich mein Vater. Ich tippte leicht auf dem Glas herum, bis meine Augen auf seine treffen.

„Seit wann sorgst du dich?", fragte ich verwirrt und sauer.

„Dunya, was sagst du da?", er schaut mich unglaubwürdig an. „Ich sorge mich jedesmal um dich!"

Ich schnaube auf. Semra neben mir fing an zu sprechen. „Willst du mehr Hähnchen?", fragte sie. Ich antwortete nicht, sondern starrte meinen Vater an.

In seinen Augen schimmerte etwas. Verwechselt er Sorgen mit Unrecht? Wäre ich ihm doch so wichtig, würde er wie ein normaler Vater mit mir über meine Probleme reden und nicht Strafen erteilen.

Enttäuscht schüttelt er sein Kopf. Er steht auf und bedankt sich bei Semra für das Essen. „Ich geh jetzt Arbeiten. Wenn was ist, ruft mich an."

„Arbeit, Arbeit, Arbeit..", äffte ich. So beleidigt ich auch war, schaute ich ihn bockig an.

Er schaute mich ermahnend an, wollte etwas sagen aber stoppte. Mit schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck hielt er sich die Brust, Semra stand besorgt auf.

Auch Hazim ließ sein Hähnchenbein auf den Teller fallen, stand sofort auf und hielt meinen Vater von hinten, damit er nicht runterfällt.

Meine Augen wurden groß, in mir stieg Panik und Sorge. Für einen kurzen Moment dachte ich, dass mir der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.

Hazim setzte Khalil auf seinem Stuhl ab und schenkte ihm Wasser ein. Ich schaute regungslos zu, mein Hals ist wie zugeschnürt. Semra hielt sich die Brust fest, in ihren Augen schwimmen Tränen.

Dankend nahm mein Vater Hazim das Glas aus der Hand. Er trank einen kräftigen Schluck, legte das Glas wieder zurück.

„Entspannt euch, ich bin nicht gestorben.", lachte mein Vater. Verdattert schaue ich ihn an.

„Du gehst nicht in diesem Zustand zur Arbeit.", sagte Semra strickt. Sie fasste sich geschockt am Kopf, konnte das von gerade eben nicht erklären.

„Es ist nichts passiert, Semra. Wenn es mir nicht gut gehen würde, würde ich Zuhause bleiben.", meinte mein Vater.

„Es ist nicht passiert?!", rief sie schrill. Er legte ihr beruhigend seine Hand auf ihre. Direkt schaut er liebevoll zu ihr.

In mir keimt sich wieder dieses verachtende Gefühl. Ich schließe meine Augen. Mama.

Deine schönen Augen machen krankOnde histórias criam vida. Descubra agora