32 - »Neue Dunya«

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Ich ließ ganz laut Musik laufen. Tränen fließen meine Schläfen entlang. Ich weiß doch selbst nicht, was mit mir los ist. Seit wann bin ich denn so emotional? Ich schau auf mein Handy.

»Antworte bitte.«, doch ich will ihm einfach nicht antworten. Ich fühle mich in irgendeiner Weise total eingeengt von ihm. Heute bin ich nicht zur Schule gegangen. Ich will nicht das hässliche Gesicht von Bahar erblicken. Ach, was mache ich mir vor. Sie ist tausendmal hübscher als ich. Kein Wunder, dass es die Ex Freundin von Baran ist. Sie passen perfekt. Wie die Hand aufs Auge. Topf und Deckel. Ich presse meine Augen zusammen. Baran. Wieso benutzt du mich? Verzeih einfach deiner perfekten Bahar, dann hört dieses Drama auf. Ein stechender Schmerz durchzieht meinen Kopf. Ich presse noch fester meine Augen zusammen und greife nach der Stelle, wo es unendlich wehtut. Mit meiner Faust hole ich aus und schlage auf meinem Kopf. Wieso tut mein Kopf so höllisch weh? Ein Schluchzen entflieht meine Kehle. Jämmerlich. Ich stehe auf, um ins Bad zu gelangen und mir mein Gesicht zu waschen. Sicherheitshalber laufe ich an der Wand entlang, um mich vor einen sicheren Sturz zu schützen. Als ich im Bad gelange, muss ich schwer schlucken. Blinzelnd komme ich dem Spiegel immer näher. Ich erkenne mich nicht mehr wieder. Tiefe Augenringe hätte ich schon immer. Aber mittlerweile sehe ich nicht mehr gesund aus. Meine Lippen sind ganz trocken, Nase ist ganz rot und angeschwollen vom Weinen. Meine Augen sind gerötet, die Haut ungesund blass obwohl ich von Natur aus ein relativ getönter Mensch bin. Ich erkenne mich schon fast nicht mehr wieder. Wieso lasse ich mich so behandeln? Festentschlossen forme ich meine Hände zu einer Schüssel und wasche mir mit lauwarmen Wasser das Gesicht. Komm endlich zur Besinnung, Dunya. Ich weiß nicht, seit wann ich so schwach geworden bin. Seitdem Baran wieder ein Teil deines Lebens spielt. Schnell schüttle ich diesen Gedanken ab und verlasse das Bad. Fast wäre ich Semra, meiner Stiefmutter gelaufen. Sie schaut mich überrascht aber auch verwirrt an. Eigentlich wollte ich an ihr vorbeilaufen, doch sie hält mich am Arm fest.

„Was ist los?", fragt sie mich ernst, ich will nur noch wieder in meinem Zimmer. Ohne ihr zu antworten, laufe ich an ihr vorbei und gerade aus ins Zimmer. Sie redet von hinten und läuft mir nach, aber ich blende es aus.

„Dunya, bitte rede mit mir!", höre ich nur noch. Ich bleibe stehen und blicke rauf in ihr Gesicht. Sie schaut mich sorglich an.

„Ich mach mir sorgen um dich.", sagt sie nach einer geraumen Zeit. Ich weiß nicht, was es war. Aber dieser Satz brachte mich zum Weinen. Also fing ich direkt an aufzuschluchzen. Sie legte ihre Arme um mich und drückte mich ganz fest gegen sich. Andauernd wirft sie mir beruhigende Sätze an den Kopf und streicht mir den Rücken rauf und runter. Sie weiß, wie man tröstet. Und es fühlt sich verdammt gut an mal in den Arm genommen zu werden. Mit wem soll ich denn über meine Probleme reden? Bonita ist schon eine sehr gute Freundin geworden, dennoch will ich nicht jedesmal ankommen wenn ich Probleme habe. Hazim ist halt mein Stiefbruder und der Bruder von Baran. Ich muss aufpassen, was ich ihm erzähle. Und genauso ist es bei Mariam. Sie ist die Cousine von Baran, da würde es nur zu Missverständnissen kommen. Und mein Vater? Wie soll ich mit ihm über einen Jungen reden? Wie soll ich ihm sagen, dass ich Herzschmerzen wegen einem Jungen habe? Auch wenn ich es mir nicht eingestehen will, Baran macht mir mehr aus, als mir lieb ist. Ich will nicht, dass er so viel Macht hat. Dann noch, weil unsere Liebe gelogen ist. Nichts an unserer Sache ist echt. Unsere Herzen schlagen nicht gleichzeitig wenn wir uns sehen. Er will sich doch nur an Bahar rächen und sie somit eifersüchtig machen. Die dann aber wirklich nach der ganzen Sache leidet ist nicht Bahar. Die bin dann ich. Denn wenn einmal diese Sache vorbei ist, werden alle glücklich sein. Nur ich nicht. Ich bin vom Pech verfolgt. Erst muss meine Mutter sterben, damit ich mich komplett von meinen Mitmenschen isoliere. Ich lege mein Kopf auf Semras Schulter ab. Meine Gedanken sind durcheinander, ich habe genug davon.

„Willst du mir erzählen, warum es dir so schlecht geht?", fragt sie mich, weshalb ich ihr nickend antworte. Also fing ich an ihr von Baran zu erzählen. Und natürlich ist für sie Baran kein Fremder. Sie weiß, dass er der Halbbruder von Hazim ist. Deshalb schockiert es sie umso mehr, dass er mich benutzt für seinen Plan. Sie schüttelt sich den Kopf und macht mich fertig, dass ich mich wegen so einem Jungen aufrege.

„Und deshalb gehst du nicht zur Schule? Um ihn aus dem Weg zu gehen?", kommt es ironisch von ihr. Ich weiß doch selbst, dass es dumm von mir ist. Eigentlich sollte es mir ja nichts ausmachen. Es soll mir nichts ausmachen. Es darf mir nichts ausmachen.

„Weißt du was?", sagt sie nach einer Weile und steht auf. Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen. Sie kramt in meinem Schrank herum, um einpaar Anziehsachen rauszunehmen. Sie greift nach einem enganliegenden T-Shirt, dass wirklich alles doppelt und dreifach betont. Der Ausschnitt ist zwar nicht tief, dennoch ist ein ganzes Stück Haut zu erkennen. Selbst meine Schlüsselbeine stechen hervor, als ich es angezogen habe. Gleich darauf wirft sie mir eine genauso enganliegende Jeans gegen den Kopf. Diese ziehe ich auch an ohne etwas zu sagen. Sie verlässt kurz das Zimmer, um mit Schminke wieder aufzutauchen.

„Was soll das werden, wenn es fertig ist?", frage ich sie ernst, da ich überhaupt keine Ahnung habe, was sie gerade von mir will. Sie fängt nur an zu lächeln, und macht weiter ohne mir zu antworten.
Nach einer halben Stunde sitzen wir im Auto. Leise beobachte ich sie, wie sie eine allbekannte Strecke entlang fährt. Ich ahne schon, was sie vorhat.

„Ich werde nicht zur Schule gehen!", sage ich und schnalle mich ab, um aus dem Auto zu springen. Schnell verriegelt sie die Türen, ich frohe ihr damit die Scheibe einzuschlagen.

„Er soll sehen, wen er schlecht behandelt.", sagt sie nur. Ich atme genervt die Luft aus und fahre mir über meine mittlerweile geglätteten Haaren. Ich wusste garnicht, dass es auch auf einer Weise so gut aussehen kann.

„Ich habe aber keine Schulsachen dabei.", sage ich und freue mich innerlich, dass ich gleich wieder in meinem Bett liegen kann.

„Habe deine Tasche in den Kofferraum gepackt.", fügt sie hinzu, als hätte sie auf diese Frage gewartet. Ich schüttle nur den Kopf und könnte platzen. Wir halten an, sie dreht sich zu mir.

„Du gehst jetzt da rein.", dabei hebt sie ihre Hand und zeigt auf die Schule. Ich verdrehe meine Augen.

„Und zeigst ihm, was er nicht verdient!", kommt es ganz sicher von ihr. Leicht perplex wundere ich mich, ob es wirklich das richtige ist. Aber je länger ich mich erinnere, desto mehr fällt mir ein dass ich keine Puppe bin. Also steige ich mit einem Grinsen raus, schultere meine Tasche und laufe auf die Schule zu. Schnell nehme ich mein Handy als Spiegel, um mein Äußeres zu begutachten. Semra hat aus mir einen ganz anderen Menschen gezaubert. Meine Lippen sind mit Lippenstift beschmiert, die Wimpern sind getuscht und die Augenringe abgedeckt. Auch wenn ich zwei Stunden zu spät bin, bin ich null nervös. Ich freue mich sogar auf die Blicke. Also gehe ich wie folgt vor: kräftig klopfe ich an die Klassenzimmer Tür. Langsam öffne ich die Tür, um mit einem unschuldigen Lächeln meinem Lehrer entgegen zu stehen. Ein leises, aber freches „Entschuldigung für die Verspätung" verlässt meine Lippen. Ich sehe, wie mein Lehrer einen kurzen Blick über meinen Körper schleifen lässt, da er noch nie mich so gesehen hat. Tja kommt auch davon, wenn man jeden Tag im Gammellook kommt. Er deutet damit hin, dass ich mich setzen kann. Langsam laufe ich auf meinem Stammplatz hin, ganz hinten in der Ecke, alleine. Meine Augen steuern auf bernsteinbraune Augen, die mich sauer fixieren. Ich ignoriere gekonnt diesen Blick und setze mich hin. Selbst unser Lehrer muss Baran darauf hinweisen, sich wieder normal hinzusetzen, da er seinen ganzen Körper zu mir gedreht hat um jede Bewegung zu scannen.

Versuch erst gar nicht, mich unter Kontrolle zu haben. Ich bin ein freier Mensch, der die Freiheit liebt.



Quarantine got me like 🔫

Spontanes Kapitel, deshalb nicht auf Rechtschreibfehler achten plssssssss

Deine schönen Augen machen krankWhere stories live. Discover now