08 - »Vergangenheit«

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Gemeinsam mit Hazim sitze ich auf der Hollywoodschaukel, die sich im Garten befindet. Es ist schon nachts und relativ kühl. Ein kalter Windzug weht mir ins Gesicht, ich muss mich schütteln. Der Winter rückt immer näher, dass spürt man. Nichtsdestotrotz will ich die letzten „warmen" Nächte noch ausleben. Ich schiele zu Hazim, der nachdenklich auf ein gewissen Punkt hinstarrt. Meine Augenbrauen ziehen sich zusammen. Über was denkt er denn nach? Seit wann ist er so ernst?

„Hazim?", er schreckte hoch und schaute mich mit großen Augen an. Ich selbst habe mich auch erschrocken, weshalb ich mich am Gitter der Hollywoodschaukel festhielt und ihn ebenfalls mit großen Augen ansah.

„Was ist los mit dir, Hazim?", fragte ich ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen und atmete tief aus. Seit wann ist er so in Gedanken? Er schüttelte kurz sein Kopf und winkte anschließend ab. Mein Kopf legt sich schräg. Er verheimlicht mir etwas.

„Jetzt sag schon.", verlangte ich von ihm. Ruhig schaue ich ihn an und Rutsche mehr in die Schaukel, damit ich es gemütlich habe. Auffordernd blicke ich ihn an, der dann seufzend ausatmet und mich traurig anschaut.

„Glaub mir, dass willst du nicht wissen.", fing er an zu sprechen. Verwundert ziehe ich erneut meine Augenbrauen zusammen.

„Dass kann ich erst bestätigen, wenn du anfängst darüber zu erzählen.", überredete ich ihn weiter, der dann sich sein Gesicht verzieht. Er schaut leicht überlegend, bis er seinen Mut zusammenkratzt und anfängt zu erzählen.

„Ich habe an meinen Vater gedacht.", sprach er. Sofort verstumme ich und schaue ihn abwartend an. Ich weiß, dass Hazim nicht gern über seine Vergangenheit spricht.

„Dunya, mir sind so viele alte Zeiten wieder in den Sinn gekommen. Ich habe so viele Fragen, die ich aber niemals beantwortet bekomme.", redet er weiter. Seine Augen werden feucht, ich lege meine Hand auf seine Schulter.

„Willst du mir vielleicht erzählen, was in deiner Vergangenheit eigentlich so abging?", fragte ich ihn mit einem Lächeln. Er schaut zu mir rauf, sein Blick ist verschlossen. Seine Augen schließen sich, als er sie wieder öffnet fließt eine Träne aus seinem Auge. Ich atme überfordert aus. Was macht man in solchen Situationen? Wie ich es aus Filmen und Büchern kenne, legt die aufmunternde Person ihre Arme um die gebrochene Person, damit man sie stärkt. Damit die gebrochene Person merkt, dass sie nicht allein ist. Und genau so mache ich es bei Hazim. Irgendwie ist er wie ein kleiner Bruder, um den ich mir Sorgen mache. Also lege ich meine Arme um ihn, der dann anfängt aufzuschluchzen. Beruhigend streiche ich seinen Rücken auf und ab, damit er sich offener fühlt und all seine unterdrückten Emotionen für den Moment freien Lauf lassen kann.

„Alles ist gut, Hazim.", sprach ich auf ihn ein, der dann für sich nickt. Irgendwann traute er sich von mir zu lösen und schaute breit in meine Augen.

„Es fing alles schon mit fünf Jahren an.", fing er an zu reden, weshalb ich ihn aufmerksam zuhörte. Seine Stimme brach ab und zu ab, doch dass hinderte ihn nicht, weiter zu sprechen.

„Ich habe früh gemerkt, dass mein Vater kein guter Mensch war. Er war oft nicht da, oder wir sind abgehauen. Zu oft sind meine Mutter und ich vor ihm geflüchtet, aber er hat uns immer und immer wieder gefunden. Nie habe ich die Liebe von meinem Vater gespürt.", seine Stimme fing an zu zittern. Unbewusst ballte er seine Hände zu Fäusten und schaute gekränkt auf den Boden.

„Er hat nie „ich hab dich lieb", oder „mein großer Junge", zu mir gesagt. Ich glaube sogar, dass er meinen Namen nicht einmal kannte. Er war immer schlecht drauf als er Nachhause kam.", sagte er und legte sein Gesicht in seine Hände. Er schluckte schwer runter.

„Am Vatertag ist er völlig eskaliert. Ihm hat mein Geschenk nicht gefallen. Es war eine Tasse, die ich für ihn dann mit bemalt habe. Ich habe mir so viel mühe gegeben, tagelang habe ich dringesessen.", flüsterte er hasserfüllt und schüttelte verachtend seinen Kopf. Als wäre sein Vater vor ihm und er würde seine Gefühle in sein Gesicht spucken.

Deine schönen Augen machen krankWhere stories live. Discover now