39 - »Heiraten«

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D U N Y A

Ich stehe schweißgebadet auf. Mein Herz schlägt mir bis zu den Ohren. Schwer atme ich ein und aus und starre ins Schwarze. Nur das Mondlicht beleuchtet mein kleines Zimmer. Vorsichtig fasse ich mir an die Brust und fühle meinen schnellen Herzschlag.

»Ich liebe dich«

Jegliche Müdigkeit verlässt meinen Körper. Alles in mir wird warm, mein Körper wird immer schwerer. Verzweifelt reibe ich mir meine Augen. Ich liebe dich doch auch. Meine Lippen waren versiegelt. Ich konnte nichts sagen, sprachlos etwas zu wiedergeben. Er liebt mich. In mir braut sich ein unglaublicher Druck auf. Mein Magen verkrampft sich, in mir zieht sich alles zusammen. Mit flatternden Augen denke ich an sein unglaublich schönes Gesicht. Und diese verdammten schönen Augen. Verblasst habe ich seine einzelnen Sommersprossen auf seiner hellen Haut im Kopf. Seine dunklen welligen Haare und dichten Wimpern. Seine männliche, zu ihm passende gebrochene Nase und seine verdammten Lippen. Unbewusst fährt mein Finger meine Lippen entlang. Ich will ihn küssen. Ich will endlich seine Lippen auf meine spüren. Das alles ist so gemein. Es ist so gemein, dass er so gut aussieht. Baran Celal. Mir war im Unterbewusstsein schon immer bewusst, dass du mir viel bedeutest. All die Jahre konnte ich ihn nicht vergessen. Es hat mich damals so verletzt, dass ich nicht mehr konnte. Ich musste abhauen. Aber das war der gewaltigste Fehler. Seit Tag eins habe ich gelitten. Die Sehnsucht nach ihm wurde Stück für Stück immer größer. Doch eigentlich kennen wir uns nicht. Ich kenne nicht mal seine Adresse. Ich habe mich damit geschützt. Wollte nichts von ihm wissen, um nicht noch abhängiger von ihm zu werden. Besessenheit. Verlangen. Alles. Ich wollte ihn schon immer haben, habe mich aber nie getraut den Mund zu öffnen. Allein beim Gedanke an seinen bernsteinbraunen Augen muss ich mir auf die Lippe beißen. Zitternd stehe ich vom Bett auf. Los gehts.

B A R A N

Ich werde mir den Kittel um und wasche mir die Hände. Heute ist also der große Tag. Innerlich bete ich, dass alles gut geht. Vor dem Spiegel beobachte ich mich. Ich hätte mich wenigstens rasieren können.

»Ich habe vielleicht nicht mehr viel Zeit«

Mir wird bei diesem Satz kalt und übel zugleich. Das stimmt nicht. Sie wird es schaffen. Dafür werde ich sorgen. Stumm schraube ich den Wasserhahn zu und blicke ins Waschbecken. Langsam werde ich nervös. Ich muss an etwas Gutes denken. Dunya. Ja, schon besser. Ich denke an ihre kurzen roten lockigen Haare, die sie wild aussehen lässt. An ihre dunklen, fast schon schwarzen Augen. Verdammt, selbst an der länglichen Narbe an ihrer Wange. Selbst die ist bezaubernd. Mein Herz setzt aus, als ich ihre Lippen vor den Augen habe. Grinsend starre ich ins Waschbecken. Sie hat sich sieben Jahre vor mir versteckt. Sie dachte, sie kriegt mich los. Nur wusste ich jeden ihrer Schritte. Sie dachte, ich wäre weg vorm Schirm. Ganz falsch gedacht. Alles was sie getan hat, habe ich mitbekommen.

D U N Y A

Im Krankenhaus angekommen, erblicke ich eiskalte Augen. Babo. Er sieht mich und läuft mit einem besorgten Blick auf mich zu. Hinter ihm erblicke ich Semra, meine Stiefmutter, die ihm mit roten Augen  nachläuft. Es wird ernst,—
Ich spüre zwei starke Arme um mich herum. Ich drehe mich um und erblicke vertraute grüne Augen. Hazim. Als ich ihn erblicke, fange ich direkt an zu weinen. Er ist so groß und erwachsen geworden. Auch wie egoistisch es sich anhören mag, ich wollte meine Familie auch nicht mehr sehen. Selbst die haben mich an Baran erinnert. Ich wollte ganz alleine sein und die Vergangenheit vergessen. Jetzt habe ich sieben Jahre verschwendet und werde vielleicht heute meine Augen nie wieder öffnen. Als mein Vater dann endlich bei mir ankommt hält er seine Tränen nicht mehr zurück und zieht mich aus Hazims Griff, in seinen Armen. Sofort fühle ich die Geborgenheit meines Vaters, die bekannte Wärme, die ich jahrelang verabscheut habe. Es tut mir so leid, Babo. Es tut mir leid, dir so viel Kummer und Trauer bereitet zu haben. Er wollte bloß nicht, dass ich mit dem letzten Gedanken meiner Mutter leide.

„Wieso?", kommt es wimmernd von meinem Vater. Ich bleibe still und höre seinem schnellen Herzschlag zu. In mir erfriert alles. Wieso ich nicht gesagt habe, dass ich krank bin? Weil ich wie vorhin erwähnt ein Egoist bin. Ich wollte nicht euer Herz in tausend Stücke zerbrechen. Mit schmerzendem Kopf schluchze ich erneut auf. Ich spüre wie eine warme Hand meine Träne wegwischt. Semra, stelle ich fest als ich wieder meine Augen öffne. Warm lächelt sie mich traurig an. Ihre Augen sind ganz glasig, ihre Stirn in Falten gelegt. Mein Vater lässt mich los, als der Arzt mit einer Krankenschwester kommt. Solange mein Vater mit ihm redet, zieht mich Hazim wieder zurück zu sich und streicht mir einmal durchs Haar. Zwar bin ich älter, aber immerhin sind sieben Jahre vergangen und aus ihm ist ein richtiger Mann geworden. Er hat sich mit Mariam verlobt, bald steht die große Hochzeit an, erzählt er mir. Mein Herz macht einen freudigen Sprung, was leider nicht lange anhält. Werde ich an der Hochzeit anwesend sein? Ich hinterfrage meine komplette Zukunft. Der Arzt, Doktor Knappe, wendet sich jetzt zu mir, nachdem er meinen Vater beruhigt hat. Er erklärt mir den Ablauf und meint, dass ich der Krankenschwester folgen soll. Nett lächelt sie mich an und bietet mir an, ob ich ihre Hand halten will auf den Weg ins Vorbereitungsraum. Ich nicke und drehe mich ein letztes Mal zu meiner Familie um. Mit Tränen in den Augen winke ich ihnen zu, weswegen mein Vater fest die Lippen zusammenpresst und meinen Blick meidet. Ich habe Angst. Angst davor, nie wieder meinen Vater zu sehen. Angst davor, nie wieder Semra und Hazim zu sehen. Und ja, auch Angst davor Baran nie wieder zu sehen. War's das jetzt komplett? Bin ich geliefert? Die Krankenschwester versucht beruhigend auf mich einzureden, doch ihr höre ich schon lange nicht mehr zu. Sie drückt mir die OP Kleidung in die Hand und lässt mich somit alleine im Raum. Langsam ziehe ich mich an, doch die Zeit vergeht nicht. Gleich wird es ernst. Ich gebe ihr Bescheid, dass ich bereit bin. Den Tränen nahe, schaue ich sie an. Bemitleidend mustert sie mich, aber fängt an mir die Infusion in die Hand zu stecken. Plötzlich öffnet sich die Tür. Er. Ein schweratmender Baran reißt die Tür auf und blickt direkt mit ins Gesicht.

„Du kannst gehen. Ich mache das.", sagt er zur Krankenschwester, die verwundert zu mir schaut. Verwirrt schaut sie von mir zu ihm, nimmt langsam ihre Hände von mir und beeilt sich zur Tür. Bevor sie das Zimmer verlässt schaut sie ein letztes Mal zu mir, um sicher zu gehen, dass ich mich wohl fühle. Und dann verschwindet auch sie. Trüb schaue ich rauf zu ihm, der eine Spritze in der Hand hält. Zittrig atme ich ein.

„Keine Angst, das kommt in deine Infusion.", gibt er direkt von sich. Ich antworte nicht. Erschöpft schaue ich auf die Decke und hoffe, dass ich alles glatt verläuft.

„Wenn ich nicht in fünf Wochen aufstehe, bin ich tot.", sage ich, was er bestimmt schon weiß. Er hält inne. Langsam lässt er seinen Kram auf dem Tisch los und kommt mit der Spritze auf mich zu. Er steckt diese Spritze in meine Infusion. Ich beobachte die Tropfen, die langsam in meinen Körper eindringen. Noch fühle ich mich nicht müde.

„Soll ich dir mal was verraten?", meint er ganz nah an mir. Ich spüre ein Kribbeln in meinen Gliedern, meine Augen werden schwach. Mein Kopf dreht sich, langsam beginnt die Narkose an zu wirken.

„Du wirst mich heiraten, wenn du erstmal wach bist. Ob du willst oder nicht.", fügt er hinzu, mein Herz wird langsamer. Ich will ihm antworten, doch bin zu müde. Heiraten?

„Schlaf gut, Dunya.", sagt er zuletzt—

Meine Augen schließen sich und auch mein Bewusstsein verabschiedet sich.




Ehmmm
Nicht korrigiert

Deine schönen Augen machen krankWo Geschichten leben. Entdecke jetzt