13 - »Doch nicht so unschuldig«

3.7K 153 16
                                    

Geladen schlage ich die Tür auf. Meine Tränen sammeln sich in meinen Augenwinkeln, ich fange an zu schluchzen. Mein Vater ruft ständig meinen Name, doch ich schüttle mein Kopf und renne den Gang entlang. Mir läuft Hazim über den Weg, der schon von weitem verwundert schaut. Er greift nach meinen Armen, damit ich stehen bleibe, doch ich entreiße mich ihm. Schnell wische ich meine Tränen weg und drehe mich erneut um, um weiter zu rennen. Ich muss raus aus diesem Krankenhaus. Mein Herz ballert stark gegen meine Brust, ich greife wie verrückt geworden an meinen roten Locken. Scheiße. Mein Leben nimmt so eine drastische Wendung, ich schaffe nicht mal gescheit nach Luft zu schnappen. Meine Luftröhre verschnürt sich, ich bekomme keine Luft. Mein Hals zieht und brennt, aus Schmerz presse ich meine Augen zusammen und beiß mir fest auf die Lippe.

„Lüg mich nicht an, Babo!", ich wünschte, dass alles gelogen wäre. Ich wünschte, dass was er mir vorhin erzählt hat ein Traum war. Oh Gott, wann erwache ich? Wann stehe ich von diesem Alptraum auf?!

„Es tut mir so leid, Dunya.", ich hole mit meiner Faust aus und schlage mir heftig gegen den Kopf. Wieso? Wieso?!

„Bitte sag mir, dass es eine Lüge ist, Babo. Bitte..", alles kommt hoch. Ich erinnere mich sehr gut an seine eben ausgesprochenen Worte. Diese haben sich in mein Gehirn gebrannt. Ich werde sie nie wieder vergessen können. Mein Leben ist zerstört!

„Ist es nicht. Deine Mutter hat uns betrogen!", meine Mutter hat nicht nur meinen Vater betrogen. Ich war mir so sicher dass mein Vater sie betrogen hatte. Ich war noch klein und konnte nicht begreifen, dass meine Mutter an allem Schuld hatte. Als dann mein Vater neu geheiratet hat, hat sie sich aus Rache umgebracht. Meine Hände ballen sich zu Fäuste, ich fange an laut zu kreischen. Gegen die nächstbeste Wand schlug ich auf und schaue auf meine blutigen Knöchel. Mama. Eine Träne rollt aus meinem Auge. Du hast uns damals angelogen und betrogen. Ich nahm meine Faust und boxte noch fester gegen die Wand auf. Mein Kopf platzt gleich durch diesen ganzen Druck, ich kreische erneut auf. Mein Körper wird immer schwächer, ich hasse mein Leben. Der Schmerz in meiner Brust wird immer größer und größer, ich habe Angst einen Herzinfarkt zu bekommen. Ich halte inne. Nein, so geht es nicht weiter. Ich sammle meine letzte Kraft und laufe los. Ich muss zum Friedhof. Mit wackligem Kopf, mache ich mich auf den Weg und Blende alles um mich herum aus. Ich fange aus Frust und Wut an zu rennen. Ich werde immer schneller und schneller, meine Tränen fahren meine Schläfen entlang. Wie konntest du mir das antun, Mama. Ich beiße meine Zähne zusammen und atme stark durch meine Nase ein und aus. Mein Vater war unschuldig. Meine Mutter hingegen doch nicht so unschuldig. Allein diese Erkenntnis lässt mich nicht friedlich atmen. Ich gebe mir die Schuld, meinen Vater grundlos gehasst zu haben. Da er nie wollte, dass ich eine andere Sicht von meiner Mutter habe, war er all die Jahre still. Er hat sich alles anhören müssen. Aber er hat alles eingesteckt.—
Ich höre Bremsgeräusche. Mein Kopf zuckt rückartig zur Straße, sofort erblicke ich zwei Autolampen. In mir verkrampft sich alles, ich mache mich innerlich bereit auf den Aufprall. Gleich ist alles vorbei, gleich bin ich von diesem Leid erlöst. Ich habe es bald geschafft. Doch kein Aufprall kommt. Als ich meine Augen öffne, erblicke ich einen schwarzen Benz, wo ein wütender Mann sitzt. Er hat fest seine Hände und Lenkrad geschlossen hat. Als er aus seiner Schockstarre erwachte, öffnete er aggressiv seine Autotür. Moment mal. Ich kenne diesen Mann. Es ist Baran. Meine Augen weiten sich. Er fängt an zu brüllen, seine Halsadern platzen raus. Sein Kopf läuft rot vor Wut an, er flitzt beladen und scharf zu mir, trotzdem habe ich unglaublich lautes Piepen in meinem Kopf, weshalb ich kein einziges Wort verstehe. Ich lege mein Kopf in den Nacken, damit ich ihm ins Gesicht schauen kann, weswegen er aufhört zu schreien. Da die Dämmerung schon lange eingetreten ist, erkennt er mich erst jetzt. Er fährt sich durch die Haare und schaut verwirrt zu mir.

„Dunya?", fragt er fassungslos. Ich schniefe auf und wische mir mit meiner verletzten Hand meine Tränen weg. Sein Blick fällt auf meine Hand, er zeigt scharf die Luft an.

„Wer war das?!", fragt er jetzt mit tiefem Unterton. Er greift nach meiner Hand, doch ich entreiße ihm diese. Ich will weg laufen, doch schon werde ich zurück zu ihm gezogen.

„Sprich endlich! Was ist los mit dir?", meint er besorgt. Ich spüre meinen Herz schneller schlagen als ich ihm in die Augen schaue. Bernsteinbraun. So vertraut.

„Es ist nichts.", sagte ich brüchig. Scheiße. Ich hatte das Versprechen, nie Schwäche zu zeigen. Selbst das konnte ich nicht einhalten. Die Autos hinter uns hupten schon, man hörte genervte und wütende Passanten. Doch Baran störte es nicht und ignorierte sie. Ist ja nicht so, dass er auf der Straße einfach stehengeblieben ist, nachdem er mich fast überfahren hat.

„Das sehe ich. Sag schon.", drängte er mich. Ein Teufel werde ich und ihm eine persönliche Sache anvertrauen. Ich schaue mich um und bemerke, dass ich nicht mehr lange brauche um zum Friedhof zu gelangen. Ich muss nur noch von Baran loskommen.

„Hör mir zu.", sprach ich ungeduldig und genervt. „Lass mich los, ich muss zum Friedhof.", fügte ich hinzu, damit er mich endlich in Ruhe lässt. Ich riss mich endgültig von ihm und lief los.

„Bleib stehen!", rief er mir hinterher, doch ich hörte nicht auf ihn. Drehe dich nicht um. Wag es dich nicht. Sprach ich mir selbst ein. Baran fuhr langsam hinter mir her, die anderen hinter ihm hupten nur noch mehr.

„Steig jetzt ein.", befahl er. Ich schüttle meinen Kopf und verschränke meine Arme ineinander. Er redete auf mich ein, doch ich ignorierte ihn.

„Gott, Steig doch endlich bei ihm ein!", schrie ein Mann mittleren Alters aus seinem Wagen. Verunsichert schaue ich zu Baran, der daraufhin anfängt zu grinsen. Ich verdrehe meine Augen und steige bei ihm ein. Schnell greife ich nach der Schnalle und gebe ein. „Bild dir nichts drauf an. Hätte dieser Mann kein Stress gemacht, wäre ich niemals eingestiegen."

„Natürlich doch.", sagte er belustig und gab Gas. Er fuhr schnell, weshalb ich mich festhielt. Aus Angst konnte ich nicht sprechen. Ich sprach die ganze Fahrt nicht. Er stoppte vor dem Friedhof. Die Fahrt dauerte nicht länger als fünf Minuten. Schnell schnallte ich mich ab um von diesem Verrückten entkommen zu können, doch er legte seine Hand auf mein Oberschenkel ab. Überrascht schaue ich zu ihm, weshalb er sofort seine Hand von meinem Oberschenkel nimmt.

„Ich warte hier auf dich.", teilte er mir mit. Ich wollte schon verneinen, doch er schüttle seinen Kopf.

„Es ist schon spät und dunkel. Keine Ausreden.", fügte er hinzu. Stumm nickte ich ihm zu. Ich werde nicht nochmal bei ihm einsteigen. Mit wackligen Beinen verlasse ich sein Auto und streife meinen Cardigan hoch. Wieder kommt meine Trauer hoch. Jetzt merke ich wieder, wieso ich voller Wut und Trauer das Krankenhaus verlassen habe. Ich laufe wie eine Leiche die Gräber entlang, mir kommt ein Heulkrampf hoch. Als ich das Gab meiner Mutter erreiche, falle ich auf meine Knie und fange an zu weinen.

„All die Jahre waren gelogen, Mama.", sprach ich und weinte in meine Hände. Wie ein kleines Mädchen versuche ich mich zu beruhigen, doch ich schaffe es nicht.

„Du hast alles zerstört!", brülle ich hassbeladen.

„Und nachdem Babo neu geheiratet hat, bringst du dich aus Rache um?!", fragte ich lächerlich nach. Ich spottete auf und fing an aus Verzweiflung zu lachen.

„Ich wünschte Babo hätte dich wirklich betrogen!", knurrte ich und haute auf den Boden auf. Ich schmeckte meine Tränen, salzig. Meine Brust schmerzt, ich will dass dieser Schmerz aufhört. Meinen Kopf lasse ich hängen. Eine Hand legt sich auf mein Rücken. Doch habe ich keine Kraft mehr nachzuschauen wer es ist. Aber mein Gefühl sagt mir, dass es Baran ist. Und Unrecht habe ich nicht. Ich schaue zu ihm.

Ja genau, Baran Celal. Du siehst Dunya Delil am Weinen.

Deine schönen Augen machen krankWhere stories live. Discover now