Der Morgen danach

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„Ich hatte noch nie in meinem Leben den Drang jemanden so umzubringen wie bei ihm in dem Moment. Ich verlange nicht viel, oder? Oder?" Maxwell schüttelt den Kopf. „Nein, das tun Sie wahrlich nicht." Nach dem Duschen und dem Umziehen in bequemere Klamotten, ist TJ mit einer großen Packung Studentenfutter, einer Packung Haselnüsse und einer Packung Pringles zu Maxwell. Dieser hat schon mit dem Tee auf sie gewartet und war im ersten Moment von ihrer Kleidung etwas überrascht. So wirklich in Zivilkleidung hat er sie noch nicht wirklich gesehen! Auch wenn das groß ist, was sie angezogen hat. Eine viel zu große, schwarze, lange Hose und ein übergroßer, hellgrauer Hoodie sind als einziges zu sehen, nicht einmal Socken. Mit der Erlaubnis von ihm hat sie sich auf sein Bett gesetzt und muss teilweise mit ihren Gestiken aufpassen, denn der Tee in der Tasse schwappt manchmal gefährlich nah am Rand. „Er weiß dass ich so etwas nicht will und ich dachte eigentlich dass er seine Grenzen langsam aber sicher kennt. Aber nein! Soll ich mir auf die Stirn tätowieren dass ich Asexuell bin? Dass ich nicht an Sex interessiert bin? Was will er noch haben? Wann versteht der das endlich?!" Enrico nickt nur vor sich hin und trinkt seinen eigenen Tee. Er kann verstehen wieso sie aufgebracht ist und es war aber auch extrem unprofessionell, selbst von Alucard. Die Stille aber, die nun herrscht, lässt ihn aufblicken. Sie starrt ihn direkt an, als würde etwas nicht stimmen. „Ist... alles in Ordnung?" Sicherheitshalber sollte er nachfragen, nicht dass sie jetzt irgendwie eine innerliche Panikattacke oder einen stillen Wutanfall hat. Die Dinger sind gefährlicher als man denken mag. „Ihr wusstet dass ich Asexuell bin. Woher. Und kommt mir nicht mit dem Ding dass wir gleich denken, denn dann müsstet Ihr das auch sein." Leicht amüsiert schnaubt er. „Ich bin es auch, TJ. Aber woher wollen Sie wissen dass ich meinesgleichen nicht einfach so erkenne?" Die braunhaarige hält die Tasse in der Hand, ihre Augen kneift sie aber leicht zusammen. „Ihr seid ein erzkonservativer Erzbischof. Ein Musterbeispiel was das Christentum angeht und laut der Bibel soll man sich Fortpflanzen und somit dem Herrn dienen. Grob überschlagen. Ihr wart aber nicht überrascht und sonst gibt es wenigstens eine kleine Reaktion Eurerseits. Ihr seht auf, eine Augenbraue zuckt oder Euer Blick verändert sich. Aber Ihr habt nicht einmal mit der Wimper gezuckt." Anerkennend nickend nimmt er noch einen Schluck und stellt die Tasse auf die Untertasse hinunter. Das leise Klackern erfüllt die Stille. „Als Scharfschütze muss man gut observieren können, das fällt mir immer wieder auf. Aber ist es jetzt wirklich so wichtig woher ich diese Information habe? Sie könnte von allen kommen denen Sie es gesagt haben und-" „Pater Anderson?" Maxwell seufzt. „Pater Anderson." Mit wem redet er denn sonst bitte? Da kann es nur er gewesen sein. „Aber hey... wenigstens jemand der versteht dass man keinen Sex braucht um zu überleben! Hattet Ihr eine Beziehung mit dieser Einstellung, wenn ich fragen darf?" Enrico nickt nur leicht mit den Kopf. „Ich bin zwar in dieses Leben praktisch hineingeboren worden, hatte aber meine Ausrutscher aus denen ich gelernt habe. Unter anderem, dass mich der Akt der Fortpflanzung nicht... wie sagt ihr jungen Leute? Es juckt mich nicht." Ein leises Prusten, ehe er eine Augenbraue hebt. „Habe ich etwas falsches gesagt?" TJ sieht ihn schmunzelnd an. „Ich finde es ja nett dass Ihr mich für jung haltet, aber ich bin 28 Jahre alt. Ganz so jung auch nicht mehr." Skeptisch mustert er sie von oben nach unten und wieder zurück. „Sie haben keine schlechten Gene, das muss man Ihnen lassen." Während sie lächelnd den Kopf schüttelt, trinkt Maxwell wieder einen Schluck und entspannt sich. „Aber ist es wirklich wichtig darüber zu reden warum wir wissen wieso wir keinen Sex mögen?" Kurz denkt sie nach, lehnt sich aber nach vorn. Bevor sie jedoch etwas sagen kann, zieht er nur eine Augenbraue hoch. „Außerdem wäre es nur fair zu wissen wieso ausgerechnet Sie dies nicht wollen. Einfach so, oder nach einer schlechten Erfahrung?" Den angehaltenen Atem lässt sie wieder entweichen und sie richtet sich auf. „Sagen wir es so... man hat es mir versaut und als ich es noch einmal ausprobiert habe war es einfach nichts für mich." Man hat es ihr versaut? „Denken Sie daran dass alles, was wir hier bereden, unter mein Schweigegelübde fällt." Das war seine Version von: ‚Spucken Sie es aus, auch ich will meinen Klatsch und Tratsch erfahren!'. TJ zögert noch leicht, sind sie wirklich schon auf dieser Vertrauensebene? Aber er ist ein Geistlicher und das alles wird nicht rauskommen. „Es ist nichts traumatisches! Also... eher langweilig."

Blut, Kreuz und SteinWhere stories live. Discover now