3. Kapitel

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Nicolas POV

Am nächsten Abend lasse ich mich erschöpft ins Bett fallen. Der Ausflug war letztendlich doch nicht so langweilig wie ich gedacht hatte, was nicht zuletzt mit unserem Fund zusammen hing. Natürlich war das Glück mal wieder auf unserer Seite und die Schlange hat gemerkt, dass wir weg waren. Jetzt müssen wir zusammen einen fünfzigseitigen Aufsatz über die umweltgerechte Nutzung von Schaukeln schreiben.

Außer Adam natürlich. Der geht schön auf eine Mission, obwohl er uns das Ganze überhaupt erst eingebrockt hat.

Eigentlich hat mir das Ganze ja auch etwas Gutes gebracht.

Seit gut einer Stunde liege ich hier jetzt schon und betrachte nachdenklich das Bild, dass ich dort gefunden habe.

Wie gerne würde ich mit Dad reden. Es gibt so viele Dinge, die ich ihn fragen möchte. Wie wäre es wohl ihn wieder zu treffen? Ich meine, es sind sieben Jahre vergangen. Ich bin nicht mehr zehn und verstehe nun die Schwere seiner Taten. Und auch er hat sich wahrscheinlich verändert.

Außerdem ist noch eine weitere Erinnerung in mir erwacht. Ich greife nach der Kette, die um meinen Hals hängt.

Sie hat Dad gehört. Damals habe ich mich gewundert warum er sie mir einfach so gegeben hat, obwohl sie ihm so viel bedeutet hat. Heute glaube ich, dass es etwas mit seinem Verschwinden zu tun hat. Wusste er damals schon, dass er gehen würde? Aber nein, das kann nicht sein. Er gab sie mir 2 Jahre vor seinem Verschwinden.

Ich seufze und setze mich in meinem Bett auf. Jedes Mal wenn ich über ihn nachdenke, komme ich zu dem selben Ergebnis: Es ist so kompliziert. Immer wenn ich glaube der Antwort einen Schritt näher zu sein, gehe ich drei wieder zurück.

Es ergibt einfach alles keinen Sinn.

Da mir schon der Kopf raucht und mit meinem Gedankenchaos nicht an Schlaf zu denken ist, entschließe ich mich dazu mal kurz nach draußen zu gehen und etwas frische Luft zu schnappen, um meinen Kopf frei zu kriegen.

Nachdem es damals passiert ist, sind wir in ein Haus etwas weiter außerhalb der Hauptstadt in der Nähe eines Waldes gezogen, in welchem ich oftmals ausgiebige Spaziergänge unternehme. Mir wurde zwar erzählt, dass wir wegen den schmerzhaften Erinnerungen unsere alte Wohnung verlassen haben, doch ich weiß, dass sie eigentlich Angst haben, dass er uns findet.

Auf meinem Weg nach unten höre ich Stimmen aus dem Wohnzimmer. Bei genauerem Hinhören mache ich die Stimme meiner Mutter und meines Großvaters aus. Verwirrt sehe ich auf die Uhr an der Wand. Es ist halb 12.

Was macht er um diese Uhrzeit noch hier?

Ich hocke mich an den Fuß der Treppe und lausche ihrer Unterhaltung. Sie scheinen über etwas Ernstes zu reden.

,,Was ist passiert?", fragt Mum besorgt. Ich höre meinen Großvater seufzen. ,,Es gab einen Einbruch." Sie schnappt nach Luft. ,,Wurde etwas gestohlen?"

Er legt den Kopf schief. ,,Zum Glück nicht viel, da wir den Eindringling rechtzeitig erwischt haben. Wir haben ihn nun in Gewahrsam. Allerdings konnten er eine Liste entwenden und den Averanti übermitteln."

Ich kann sehen, wie Mum sich sichtlich anspannt. ,,Welche Liste?", fragt sie alarmiert. ,,Eine Liste mit unseren Undercover-Agenten in ihrem Land."

,,Da ist noch etwas, oder?"

Er lässt seine Schultern sinken. ,,Du hast Recht. Es wurde noch eine Liste gestohlen. Eine Liste mit Namen und Standorten untergetauchter Agenten." Er atmet tief ein.

,,Ihr steht auch darauf."

Mum zuckt zusammen. ,,Das heißt, er wird wissen wo wir sind.", flüstert sie. Sie haben zwar keinen Namen genannt, aber ich weiß, wen sie meinen. Sie reden über Dad.

,,Wie lange haben wir noch?", fragt Mum leise. Mein Großvater legt den Kopf schief. ,,Die Listen sind zwar komplex verschlüsselt, aber ich habe keine Zweifel, dass sie es nicht schaffen werden. Also wahrscheinlich ein oder zwei Wochen im Bestfall.", meint er nach einer Weile.

,,Was machen wir denn jetzt?", fragt sie verzweifelt und ich höre die Tränen aus ihrer gebrochenen Stimme, ,,Was soll ich denn Nick sagen? Das wir wegen seinem Vater schon wieder verschwinden müssen?" Dieser Satz zerbricht mir das Herz. Sie war immer für mich da. Wenn andere über mich spotteten, weil ich keinen Vater mehr hatte und ich niemandem die Wahrheit sagen konnte. Sie hat mich bei allem unterstützt.

Ich weiß, ich habe gelitten, aber wie schwer muss es wohl erst für Mum gewesen sein? Die Liebe ihres Lebens hat sich als der verfeindete Prinz herausgestellt und sie musste mich allein aufziehen. Wie oft habe ich mitbekommen, dass andere Leute über sie urteilen und schlecht über sie reden? Und wie oft ich konnte nichts dagegen tun?

Eine Zeit lang habe ich mir deswegen viele Vorwürfe gemacht. Aber jetzt weiß ich, dass ich nichts dafür konnte. So sind die Leute eben. Sobald jemand anders ist als sie, beginnen sie zu tratschen.

Und auch wenn ich Dad vermisse, hasse ich ihn manchmal dafür, dass er ihr das angetan hat. Mum ist der liebevollste Mensch auf dieser Welt.

Das hat sie nicht verdient.

,,Mach dir erst mal keine Sorgen.", beruhigt mein Großvater Mum und umarmt sie, ,,Ich habe schon Adam darauf angesetzt. Er wird in drei Tagen zu den Averanti reisen und die Listen vernichten. Leider gibt es ein kleines Problem. Die Averanti haben jeglichen Funkkontakt zu uns blockiert. Das heißt wir werden blind sein und nicht wissen was vorgeht. Wir werden also wohl oder übel auf ihn vertrauen müssen. Außerdem hat er noch eine weitere wichtige Aufgabe. Er soll unsere Agenten warnen. Sie wissen nichts von der Funkblockade und könnten den Averanti so ins Netz gehen."

Danach versinken sie in angespanntes Schweigen. ,,Glaubst du, dass er es schaffen wird?", fragt Mum nach einer Weile zweifelhaft. Auch sie kennt Adam gut genug als ihm blind zu vertrauen. Insbesondere mit seiner Mutter hat sie eine lange und nicht unbedingt schöne Vergangenheit. ,,Er ist noch sehr jung und hatte noch nie eine Mission. Was wenn er auffliegt? Wir können uns keine Fehler erlauben, es geht einfach um zu viel."

Er seufzt und legt ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. ,,Ich weiß. Aber keine Sorge. Ich habe das sorgfältig durchdacht. Neben Nick hat er die besten Referenzen und die Averanti kennen ihn nicht. Ich habe auch mit ihm gesprochen und er hat mir die höchste Geheimhaltung geschworen. Er wird es niemandem sagen."

Diese Aussage lasse ich hier jetzt einfach mal unkommentiert so stehen.

,,Außerdem wird er verdeckt ins Land gehen. Er wird den Platz des Eindringlings übernehmen. Es handelt sich hierbei um einen Jungen in seinem Alter. Sein Name ist Ben und er steht kurz davor im Schloss der Averanti als Agent aufgenommen zu werden. Das Stehlen unserer Dokumente war seine Aufnahmeprüfung. Lance hat die Tarnung schon vorbereitet."

,,Es wird alles gut.", sagt mein Großvater noch, doch mehr bekomme ich nicht mit. Ich habe schon genug gehört. Lautlos schleiche ich mich zurück in mein Zimmer und werfe mich auf mein Bett.

Jetzt wird es mir endlich klar. Das ist also Adam's Mission. Und wenn er ins Land der Averanti geht, wird er wahrscheinlich meinen Vater treffen.

Den, den ich schon seit sieben Jahren nicht mehr gesehen habe.

Das wäre meine Chance die Wahrheit aufzudecken. Ich könnte endlich Antworten auf meine Fragen bekommen. Das kann ich nicht Adam überlassen. Es ist einfach zu wichtig. Mein Entschluss steht fest. Wie es scheint, muss ich Lance einen Besuch abstatten.

Ich werde die Mission übernehmen.

Ich werde undercover gehen.

Undercover SonWhere stories live. Discover now