4. Kapitel

61 2 7
                                    

Nicolas POV

,,Du willst was tun?", fragt Leon fassungslos, als wir am nächsten Tag in meinem Zimmer sitzen. ,,Bist du verrückt? Du kannst doch nicht einfach so zu den Averanti gehen!" Abwehrend hebe ich die Hände und versuche ihn zu beruhigen: ,,Ich weiß, was du jetzt denkst, aber lass mich es erklären."

Nachdem ich gestern meinen Entschluss gefällt habe, habe ich Leon sofort geschrieben und ihn um ein Treffen gebeten. Denn wenn ich das wirklich durchziehen möchte muss ich mich beeilen, damit ich auf die Mission gehe und nicht Adam. Das heißt also, ich muss heute noch zu Lance gehen und ihn davon überzeugen mich gehen zu lassen. Was momentan allerdings noch mein kleinstes Problem ist.

Leon geriet jetzt erst richtig in Fahrt. ,,Wie stellst du dir das denn vor? Du gehst dahin, triffst deinen Vater, ihr sprecht euch aus und alles ist wieder wunderbar?"

,,Ähm...So in etwa?"

Ehrlich gesagt bin ich mir selbst noch nicht so sicher wie das Ganze ablaufen wird. Immerhin war meine Entscheidung ja doch recht spontan. Aber genau deshalb habe ich ihm das Ganze ja erzählt. Damit er mir hilft meinen noch nicht vorhandenen Plan zu entwickeln.

Mein bester Freund rauft sich die Haare und sieht mich ernst an. ,,Weißt du eigentlich wie gefährlich das ist? Ich kann ja verstehen, dass du die Wahrheit herausfinden willst. Aber hast du schon mal darüber nachgedacht, was passiert, wenn du auffliegst? Was wirst du dann tun? Wir werden dir nicht helfen können. Vielleicht wird der gegnerische König dich sogar gegen deinen Großvater verwenden!"

Ich zucke etwas zusammen. Mir ist sehr wohl bewusst, welches Risiko ich hier eingehe.

Normalerweise ist er der rationale Teil unseres Duos und muss mich von Dummheiten abhalten. So einen emotionalen Ausbruch kenne ich gar nicht von ihm. Obwohl seine Reaktion verständlich ist. Wenn er mir so etwas erzählen würde, wäre ich genauso aufgebracht. Auch ich habe so meine Bedenken bei der Sache. Immerhin ist mein Vorhaben ziemlich gefährlich und auch nicht wirklich ausgeklügelt. Aber ich habe mich schon entschieden. Und nichts wird mich davon abbringen.

,,Deshalb erzähle ich dir das ja. Damit du mir mit einem Plan hilfst. Außerdem habe ich dann ja auch eine Tarnung. Keiner wird mich erkennen. Und ich vertraue Adam mit der Mission nicht. Du weißt ja wie er ist."

Leon seufzt und fährt sich frustriert durch die blonden Haare. ,,Ich weiß wie sehr dich das mitnimmt, aber bist du dir wirklich sicher?"

,,Ich schaffe das schon. Vertrau mir.", sage ich und verschränke trotzig die Arme vor der Brust. Langsam kommt es mir so vor, als würde er nicht in meine Fähigkeiten vertrauen.

Er legt mir eine Hand auf die Schulter. ,,Hör mal. Ich kann ja verstehen, dass du die Wahrheit herausfinden willst und ich werde dich dabei auch voll und ganz unterstützen. Aber es muss doch auch noch eine andere ungefährlichere Möglichkeit geben."

,,Die gibt es eben nicht.", entgegne ich entschlossen, ,,Das ist meine einzige Möglichkeit meinen Vater wiederzusehen. Ich muss das tun und ich bin bereit, dass Risiko einzugehen."

Leon seufzt geschlagen. ,,Okay, fein. Mal angenommen du fliegst nicht auf und alles läuft glatt. Fangen wir mal mit dem ersten Problem an. Was lässt dich glauben, dass mein Dad dich gehen lässt?"

Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Aber auch da lässt sich sicherlich eine Lösung finden. Immerhin versuche ich schon seit Jahren die Wahrheit herauszufinden und jetzt wo ich endlich eine Möglichkeit habe, werde ich die garantiert nicht verstreichen lassen. Not macht bekanntlich ja erfinderisch und ich kann ziemlich überzeugend sein wenn ich will.

Außerdem habe ich ja Leon als Unterstützung an meiner Seite. Er ist der Adoptivsohn von Lauren und Lance. Nachdem sie vor ein paar Jahren rausgefunden haben, dass Lauren nicht schwanger werden kann, haben sie ihn adoptiert. Und sie können ihm keinen Wunsch verwehren.

Tatsächlich ist Leon wie mein Bruder. Manchmal spaßen unsere Eltern, dass wir Zwillinge sein könnten, weil wir uns so ähnlich sind. Und das nicht nur vom Charakter her, denn tatsächlich haben wir auch ähnliche Gesichtszüge und beinahe die selben grünen Augen. Nur unsere Haarfarbe unterscheidet uns voneinander. Wo meine Haare braun sind, strahlen Seine in einem hellen Blond.

Verschmitzt grinse ich ihn an. ,,Das lass mal meine Sorge sein. Den kriege ich schon überzeugt." Leon sieht nicht ganz so begeistert aus. ,,Okay. Und was willst du deiner Mutter sagen?", fragt er dann skeptisch. Ich zucke zusammen als er sie erwähnt. Ich kann es ihr nicht sagen. Mum würde es mir nie erlauben und mich aufhalten wollen. Es ist ja auch verständlich. Mir ist klar wie viel Schmerz ihr Dad bereits bereitet hat. Und mein Vorhaben wird ihr genauso weh tun. Das weiß ich. Aber es geht nicht anders. Vielleicht ist das die einzige Möglichkeit unsere Familie wieder zu vereinen.

Leon sieht meinen inneren Kampf und seufzt. ,,Ich werde dir helfen. Aber wehe dir du kommst nicht in einem Stück zurück." Ich lächle ihn schwach an und umarme ihn. Er ist wahrlich mein bester Freund. ,,Danke. Ich weiß das wirklich zu schätzen."

Danach geht eigentlich alles ganz schnell. Erst entwickeln wir einen provisorischen Plan um Lance davon zu überzeugen mich anstatt Adam auf die Mission gehen zu lassen. Danach packen wir noch schnell eine große Tasche mit allen Dingen, die wir für die Mission benötigen, bevor wir uns die Treppe runterschleichen, damit Mum nichts davon mitbekommt.

Ehrlich gesagt wäre es besser, wenn sie es nicht weiß. Das scheint zwar ziemlich kalt von mir, vor allem wenn man bedenkt in was für eine Gefahr ich mich begeben werde, aber es geht nicht anders. Ich weiß nicht, ob ich dann noch gehen könnte.

Aber wie immer ist das Glück auf meiner Seite und so kommt Mum gerade die Treppe hoch, als wir runter wollen. ,,Na Jungs, wo wollt ihr hin?", fragt sie und lächelt uns an.

Ich bekomme kaum mit was Leon ihr antwortet, denn es bricht mir das Herz zu wissen, dass ich sie jetzt das letzte Mal für eine lange Zeit sehen werde. Vielleicht auch für immer. Wer weiß schon was passieren mag?

Sie sieht gerade so glücklich aus und ich hasse es zu wissen, dass dieses Lächeln morgen nicht mehr da sein wird.

Ich schüttele den Kopf um diesen Gedanken zu verdrängen. Dafür ist jetzt keine Zeit. Ich muss mich auf meine Mission konzentrieren.

Ich hoffe einfach, dass alles gut läuft.

Trotzdem lasse ich mich von meinen Emotionen steuern und umarme sie stürmisch. ,,Ich hab dich lieb, Mum.", nuschele ich in ihre Schulter. Nachdem sie erst etwas überrascht scheint, legt auch sie ihre Arme um mich. ,,Ich liebe dich auch.", flüstert sie streicht mir zärtlich über den Kopf. Dann drückt sie mich sanft von sich und nimmt mein Gesicht in ihre Hände um mir fest in die Augen zuschauen. ,,Ist irgendetwas?", fragt sie mich besorgt. Ich schüttle den Kopf. ,,Ich bin gerade nur etwas sentimental geworden, das ist alles.", sage ich und versuche meine wahren Gedanken mit einem Lächeln zu überspielen.

,,Okay. Aber wenn irgendwas ist, sag es mir, ja? Du kannst mit mir über alles reden." Ich nicke und sie küsst mich zum Abschied auf die Stirn. In diesem Moment muss ich meine Tränen unterdrücken.

Ich denke an den Zettel, der sorgfältig gefaltet auf meinem Schreibtisch liegt. Wenn sie ihn entdeckt, werde ich wahrscheinlich schon im Land der Averanti seien.

Ich reiße mich zusammen und atme tief durch. Dann nicke ich Leon zu.

,,Lass uns loslegen."

Undercover SonWhere stories live. Discover now