13. Kapitel

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Nicolas POV

Wie hypnotisiert starre ich zu ihm hoch.

Ich kann immer noch nicht glauben, dass er gerade wirklich vor mir steht. Nach all den Jahren hat er sich kaum verändert. Abgesehen von einigen Spuren des Alterns und einer recht frischen Narbe auf der Wange sieht er noch genauso aus, wie ich ihn in Erinnerung habe. Nur der spielerische Glanz ist aus seinen Augen verschwunden und wurde durch eisige Kälte und Härte ersetzt.

Wie oft habe ich mir gewünscht ihn wiederzusehen? Mir gedanklich ausgemalt, wie unser erstes Treffen nach sieben Jahren wohl aussehen würde? Jetzt ist dieser Wunsch endlich in Erfüllung gegangen. Nicht ganz so, wie ich es mir vorgestellt habe, aber immerhin.

Tausend Emotionen breiten sich in mir aus. Freude, Trauer, Wut - und das alles zusammen. Einerseits möchte ich ihn umarmen und alle meine Sorgen einfach nur loslassen. Mein Gesicht in seiner Schulter vergraben, so wie ich es als Kind auch getan habe. Andererseits möchte ich ihn aber auch anschreien und ihn damit konfrontieren, was wir all die Jahre wegen ihm durchgemacht haben.

Dann aber fällt mir wieder ein, dass nichts davon geht, da ich nicht Nick sondern Ben bin und er der Prinz des feindlichen Landes ist, der (hoffentlich) nicht weiß, wer ich bin.

Wie verhalte ich mich am Besten in so einer Situation?

Habe ich Angst, dass er mich erkennt? Ja.

Habe ich damit gerechnet, dass ich ihn treffen werde? Ja.

Dachte ich, dass ich in ihn hineinrennen würde und den Kaffee auf ihn schütte, den ich eigentlich für die Hexe gemacht habe? Absolut nicht.

So habe ich mir unser erstes Treffen nach sieben Jahren definitiv nicht vorgestellt.

Aus kalten Augen starrt er mich an und scheint auf etwas zu warten. Erst dann fällt mir die Situation wieder auf. Ich war so damit beschäftigt über ihn nachzudenken, dass ich meine jetzige Situation komplett verdrängt habe. Immerhin sitze ich noch immer in den Scherben der Kaffeetasse auf dem Boden und schaue zu ihm hoch.

Schnell sammle ich die größten Scherben zusammen, bevor ich mich auf rapple und unschlüssig vor ihm stehe. Sollte ich mich jetzt vor ihm verbeugen? Er ist doch der Prinz, oder? Aber warte mal kurz. Er ist mein Vater. Ich verbeuge mich doch nicht vor meinem eigenen Vater. Das wiederum weiß er jedoch nicht.

All diese Gedanken spielen sich in einem Bruchteil einer Sekunde in meinem Kopf ab.

,,Tut mir leid, das kommt nicht wieder vor.", entschuldige ich mich und schiebe nach kurzem Überlegen noch eine Mini-Verbeugung hinterher.

So normal wie möglich versuche ich dann mich zu verabschieden und zu verschwinden. Eine schwere Hand auf meiner Schulter hindert mich jedoch daran. ,,Hier geblieben.", sagt er und zieht mich wieder zurück.

Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Hat er mich etwa doch erkannt?

Einen kurzen Moment lang spiele ich mit dem Gedanken mich einfach umzudrehen und wegzurennen. Aber dann könnte ich mir auch genauso gut die Perücke vom Kopf reißen und schreien: ,,Ich bin dein Sohn!" Das würde so ziemlich aufs Selbe hinauskommen.

Außerdem wäre es wahrscheinlich nicht so schlau mich vor ihm verdächtig zu machen, wenn ich seine Aufmerksamkeit so wenig wie möglich erregen wollte (was mir übrigens mal wieder super gelungen ist). Zumal ich weiß, dass ich keine fünf Meter kommen würde, bevor er mich erwischen würde.

Lance's Verkleidung hat wirklich Wunder gewirkt. Nicht mal ich hätte mich wieder erkannt. Aber reicht das wirklich aus um meinen Vater zu täuschen? Das werden wir jetzt wohl rausfinden.

Undercover SonWhere stories live. Discover now