11. Kapitel

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Nicolas POV

Ungeduldig folge ich dem Hulk durch die unbekannten Gänge des Schlosses und warte darauf, dass er mit mir redet.

Einerseits weil ich nicht genau weiß, ob er wirklich auf meiner Seite steht und andererseits wird er mir schon sagen, wann ein guter Zeitpunkt zum Reden ist. Wir wissen nie wer uns beobachtet und auch wenn ich hier schon einige Kameras entdeckt habe, kenne ich diesen Ort bei weitem nicht so gut wie er.

Ohne ihn wäre ich so gut wie verloren. Erst jetzt merke ich nämlich wie groß und verwinkelt das Schloss wirklich ist. Vorhin habe ich ja aufgrund meiner Situation nicht viel davon mitbekommen. Es ist auch ganz anders als ich es mir vorgestellt habe. Ich bin immer davon ausgegangen, dass es alt aussieht und einer Burg ähnelt. In Wahrheit ist es jedoch sehr modern. Die Flure sind groß und hell, teils haben sie sogar Fenster, sodass ich einen kurzen Blick nach draußen erhaschen kann.

Da wir uns anscheinend im ersten oder zweiten Stock befinden, kann ich über die Mauer hinaus sehen.

Über die Mauern hinaus erstreckt sich eine Stadt. Hohe, moderne Gebäude ragen in den Himmel und die Sonne scheint hell auf die breiten Straßen. Draußen sieht es genauso aus wie hier drinnen. Hell, bunt und voller Lebensfreude.

Eigentlich ist es sehr schön hier. Wenn ich nicht wüsste, dass ich eigentlich auf feindlichem Gebiet bin, würde ich glatt denken, dass ich zu Hause bin.

In diesem Moment wird mir etwas klar. Es war dumm von mir zu denken, dass alle Averanti böse sind. Wer weiß, was ihnen über uns erzählt wurde. Wer weiß, wie viel sie überhaupt von dem Krieg wissen.

Allerdings wundert es mich, dass uns auf dem gesamten Weg niemand begegnet.

Nach einigen Minuten der Stille bleiben wir endlich vor einer Abstellkammer stehen und Hulk zieht mich hinein, nachdem er die Umgebung kurz inspiziert hat.

,,Wie ist dein Name?", fragt er mich, sobald die Tür sich hinter uns schließt.

,,Ben.", antworte ich fürs Erste. Immerhin bin ich mir noch nicht ganz sicher, ob ich ihm wirklich trauen kann. Es könnte eine Taktik sein, um mich zu testen. Man mag mich paranoid nennen, aber ich möchte hier wirklich nichts riskieren.

,,Nein, dein richtiger. Du bist ein Agent, oder?" Weiterhin tue ich so als wüsste ich nicht wovon er spricht.

Er seufzt. ,,Das Code-Wort: Tante Emma's. Du gehörst zu den Sereni."

Obwohl er das Code-Wort kennt, bin ich immer noch nicht so ganz überzeugt. Lance hat mir die Akten aller Undercover-Agenten gegeben, worin auch Bilder von ihnen sind. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, ihn auf einem von ihnen gesehen zu haben. Vielleicht hat er sich ja verändert und einen neuen Haarschnitt? Trotzdem muss ich auf Nummer sicher gehen.

Der Hulk bemerkt mein Zögern und lächelt mich leicht an. ,,Sie haben dich wirklich gut trainiert. Mein Code-Name ist Ethan. Aus Sicherheitsgründen reden wir nicht über unsere richtigen Namen."

Bei dem Namen Ethan klingelt es bei mir. Den habe ich definitiv in den Akten gesehen. Wenn ich mich richtig erinnere ist er mit sechs Jahren bei den Averanti der dienstlängste Agent hier. Erkennen tue ich ihn aber trotzdem noch nicht. Soweit ich weiß hatte er braune Haare.

,,Du siehst aber nicht so aus wie auf dem Bild.", rutscht es mir aus Versehen raus. Hach. Ich und meine große Klappe schon wieder.

Ethan jedoch scheint keineswegs beleidigt und lacht laut auf. ,,Das stimmt wohl. Ich musste vor zwei Tagen meine Haare abrasieren und hatte noch keine Zeit dem Hauptquartier ein neues Bild von mir zu schicken."

Wow. Also ohne Haare sieht seine Gesichtsform ganz anders aus. Bei einigen Menschen macht die Frisur anscheinend wirklich viel aus.

,,Das wirst du wohl erstmal auch nicht machen können." Verwirrt schaut er mich an und ich erkläre ihm die Situation: ,,Die Averanti haben eine Funkblockade errichtet. Wenn ihr versuchen solltet das Hauptquartier zu kontaktieren, könnten sie euch aufspüren."

Ethan nickt mir zu. ,,Alles klar. Ich werde die anderen darüber informieren. Aber jetzt erstmal zu wichtigeren Themen. Wir haben nicht viel Zeit. Du bist wegen der gestohlenen Liste hier, oder? So wie erwartet."

,,Du wusstest von mir?", frage ich überrascht. Ich dachte, dass sie aufgrund der Funkblockade nicht kontaktiert werden können. Aber diese Nachricht ist anscheinend noch durchgegangen.

,,Nicht direkt. Ich habe die Daten über den eigentlichen Ben rüber gesendet. Deshalb war mir klar, dass du ein Agent sein musst."

Ich nicke bestätigend. ,,Okay. Weißt du wo die Liste ist?"

,,Nein, weiß ich nicht.", antwortet er bedauernd und schüttelt den Kopf, ,,Ich weiß nur, dass der König sie hat." Na toll. Wie soll ich denn an die Listen kommen, wenn diese beim König sind. Er ist die meist bewachteste Person in diesem Land und soll dazu auch sehr gerissen sein. Das ist wie eine Nadel im Heuhaufen zu suchen.

Na ja, wenn es so einfach wäre, dann wäre der Auftrag wohl kaum so gefährlich.

,,Du weißt, was demnächst auf dich zukommen wird?", reißt mich Ethan mit seiner Frage aus meinen Gedanken.

,,Mehr oder weniger?", antworte ich eher fragend als sicher. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung was jetzt passieren wird. Ich hoffe einfach, dass ich durch das Überprüfungsverfahren komme und mich dann in den Alltag hier etablieren kann.

,,Eigentlich hast du ein ziemlich gutes Timing. Momentan laufen nämlich die Vorbereitungen für die Aufnahmezeremonie."

,,Deswegen war es auch so leer auf den Fluren.", wird es mir plötzlich klar.

,,Genau.", meint Ethan und nickt bestätigend, ,,Ben ist einer Kandidaten für die Auswahl. Seine Aufnahmeprüfung war das Stehlen der Liste."

Verwirrt runzle ich die Stirn. Das ist jetzt schon das zweite Mal, dass er von der Liste spricht. Aber waren es nicht zwei, die gestohlen wurden? Das ist mir vorhin schon aufgefallen. Bevor ich irgendetwas mache, muss ich mich erstmal mit meiner Situation vertraut machen. Also entscheide ich mich dazu, meine Gedanken erstmal für mich zu behalten.

,,Wir müssen jetzt gehen.", meint Ethan und sieht sich um, ,,Bevor sie etwas verdächtigen."

Gerade als er gehen will, fällt mir noch etwas ein. ,,Wie kann ich euch erreichen? Für den Fall, dass ich Informationen habe oder Hilfe brauche."

,,Unser Treffpunkt ist in dieser Abstellkammer. Wir überprüfen sie mehrmals die Woche auf Wanzen, dass heißt also, sie ist clean. Komm einfach entweder her oder lass einem von uns unauffällig eine Nachricht zu kommen."

,,Mach ich.", antworte ich etwas nervös. Wie soll ich ihm denn unauffällig eine Nachricht zukommen lassen, wenn ich momentan unter ständiger Beobachtung stehe? Und in den nächsten Tagen kann ich mir sowieso keine Fehler erlauben. Zumindest nicht, bis mein Prüfungsverfahren abgeschlossen ist.

,,Du musst dich erst mal um nichts kümmern. Pass einfach auf, dass dich keiner erwischt. ", sagt Ethan und lächelt mich warm an. ,,Ist das deine erste Mission?", fragt er.

Ich nicke und er legt mir eine Hand auf die Schulter.

Er legt mir eine Hand auf die Schulter und lächelt mich leicht an.

,,Viel Glück noch. Du wirst es brauchen."

Undercover SonWhere stories live. Discover now