12. Kapitel

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Nicolas POV

Seit meiner Ankunft sind nun zwei Tage vergangen und bis jetzt ist kaum etwas passiert. Die Prüfungsverfahren laufen immer noch, obwohl Ethan angedeutet hat, dass es ganz gut für mich aussieht.

Mittlerweile habe ich auch herausgefunden, wo genau ich hier herein geraten bin.

Momentan laufen die Vorbereitungen für das Auswahlverfahren für einen Ausbildungsplatz hier im Schloss. Eine der Schülerinnen hat nämlich eine geheime Mission erhalten, sodass ein Platz dort frei geworden ist.

Wenn man sich zum Agenten ausbilden lassen will, dann muss man spezielle Schulen besuchen, die eine solche Ausbildung anbieten. Dabei gibt es die "normalen" Schulen und die großen Hauptschulen, die meist im Zentrum des Landes lokalisiert sind. Bei den Averanti wäre das direkt im Schloss, während es bei uns eine Hauptschule in der Hauptstadt gibt.

Ein Ausbildungsplatz im Schloss oder an der Hauptschule ist so ziemlich das Beste, was einem aufstrebenden Agenten passieren kann, da eine hohe Position nach dem Abschluss so gut wie garantiert ist.

Der einzige Unterschied ist, dass bei uns so ziemlich jeder, der die Aufnahmeprüfung besteht an die Schule kommt, während hier die Platzzahl stark begrenzt ist.

Deshalb werden an die Kandidaten hier auch viel höhere Anforderungen gestellt.

Über das gesamte Land verteilt gibt es 14 spezielle Schulen, die solche Agentenausbildungen anbieten. Jede durfte genau einen Kandidaten schicken, was meistens die vielversprechendste Person ist.

Diese mussten im Vorfeld alle eine Aufnahmeprüfung ablegen um sich zu qualifizieren und zu zeigen, dass sie dem Platz würdig wären. In Ben's Fall war das zum Beispiel das Stehlen der Listen.

Alle Kandidaten, die das geschafft haben, bekommen dann einen Paten zugeteilt, welcher versucht sie best möglich zu trainieren. Während des gesamten Prozesses werden wir beobachtet, um letztendlich den besten Kandidaten zu finden.

Am Ende entscheidet der König, wen er für am besten geeignet hält und wer dann den Platz erhält.

Von diesen 14 Kandidaten sind bis jetzt acht zurückgekehrt und so wie es sich anhört, werden auch nicht mehr kommen. Auch sie durchlaufen momentan ihre Prüfungsverfahren. Immerhin musste ich so nicht in der Zelle bleiben, sondern wurde mit den anderen zusammen in einen Schlafsaal gesteckt.

Dazu habe ich den Vorteil, dass meine Überprüfung fast durch ist und ich mich so vorerst im Schloss frei bewegen darf. Unter Beobachtung versteht sich natürlich.

Nur die obersten Etagen des Schlosses sind Sperrgebiet, da sich dort wichtige Räume und Konferenzsäle befinden.

Immerhin bekomme ich so einmal die Gelegenheit mich im Schloss mal ein bisschen umzusehen und einen Blick auf die angrenzenden Stadt zu erhaschen. Ist auf jeden Fall etwas Abwechslung zu der grauen Zelle in der ich bis jetzt hocken musste.

Und von dem, was ich bisher so gesehen habe, muss ich sagen, dass das Königreich eigentlich echt schön ist. Ehrlich gesagt, weiß ich auch gar nicht, was ich mir so genau vorgestellt habe. Warum sollte es hier auch großartig anders aussehen? Trotzdem ist es irgendwie komisch. Obwohl mich alles hier an mein Zuhause erinnert, sind die Menschen hier doch so anders.

Nehmen wir als Beispiel die Hakennase.

Eigentlich wollte ich ja die Gelegenheit nutzen und das Schloss ein bisschen erkunden, aber nix da. Die Hakennase hat mich zu ihrem persönlichen Diener abkommandiert.

Ich hätte nie gedacht, dass solche Menschen wirklich existieren, aber glaubt mir wenn ich euch sage:

Sie ist eine Hexe.

Wie sie mich angeschaut hat, als sie mich zu sich gerufen hat. So als würde sie mich gleich wie ein lästiges Insekt zerquetschen wollen. Und wie sie es genießt mich hin und her zu scheuchen. Wahrscheinlich ist sie so eine, die kleinen Kindern ihre Lollis klaut.

Und falls sich hier jetzt irgendjemand fragt, warum ich das Ganze denn mitmache: Tarnung. Da ich ja noch unter Beobachtung stehe, könnte ein falscher Schritt meine Tarnung auffliegen lassen oder mich aus dem Auswahlverfahren werfen. Und das darf auf keinen Fall passieren, da der Erfolg meiner Mission davon abhängt.

Fakt ist: Die Frau hasst mich und zeigt mir das auch nur allzu gerne.

Vorhin erst hat sie mich losgeschickt, um ihr Kaffee zu besorgen. Bin ich denn ein Dienstbote? Vertrauensprobleme hin oder her, ihren Kaffee wird sie sich ja wohl noch allein holen können.

Wer denkt, dass das ja eigentlich eine einfache Aufgabe ist und ich mich nicht so aufregen sollte, der hat sich gewaltig geirrt. Schon allein der Weg dahin war eine Qual, da ich absolut keine Ahnung hatte, wie ich dahin kommen sollte und die Hexe der Meinung war, dass ich das ja auch so finden würde. Nachdem ich dann einige vorbeikommende Personen gefragt habe, fand ich dann endlich mein Ziel. Und wie sich dann bei meiner Ankunft im Pausenraum rausstellte, ist die Kaffeemaschine schon seit Tagen kaputt und die restlichen Agenten waren einfach zu faul eine Neue zu besorgen.

Offenbar hatte sie dieses kleine Detail ganz bewusst ausgelassen. Nicht, das mich das großartig überrascht hätte. Ich sag ja, sie ist ne Hexe. Aber ich kann auch nicht ohne den gewünschten Kaffee zurückkommen, denn dann hat sie wieder einen Grund um mich zu schikanieren.

Deswegen kam ich auf die grandiose Idee, den Kaffee selbst zu mahlen, da alles andere zu lange gedauert hätte und ich außerdem eine Packung mit Kaffeebohnen in der hintersten Ecke des Vorratsschrankes gefunden habe.

Also habe ich mich aufgemacht und so eine Kaffeemühle gesucht. Aber wer hätte es gedacht: Kaffeebohnen haben sie, nur eine Mühle um sie zu mahlen nicht.

Letztendlich habe ich mir dann so einen Fleischhammer aus der Küche geklaut und die Kaffeebohnen damit pulverisiert. Man muss ja kreativ werden.

Bei meiner Kompetenz habe ich mir mit dem Hammer auch mehrmals selbst auf die Finger gehauen. Der Tisch ist jetzt auch ein bisschen verbeult. Naja egal.

Natürlich blieb mein Tun nicht unbemerkt und in Rekordzeit versammelten sich die Mitarbeiter, die schon seit Tagen auf ihren Kaffee verzichten mussten um mich herum. Da ich ja noch unter Beobachtung stehe und mir keine Feinde machen will, blieb mir also nichts anderes übrig als ihnen etwas von meinem Kaffeepulver abzugeben.

Zum Glück blieb noch etwas davon übrig und ich kratze den letzten Rest zusammen, um daraus den Kaffee für die Hexe zu machen.

Jetzt, zwei Stunden später, bin ich endlich mit dem bestellten Kaffee auf dem Weg zurück zu ihr.

Ich habe da buchstäblich Schweiß und Blut reingesteckt, also hat sie gefälligst nichts daran auszusetzen.

Wie man also sehen kann, verlief mein heutiger Tag sehr bescheiden.

Dementsprechend genervt stürme ich durch die Gänge des Schlosses und achte nicht wirklich darauf, wo ich hingehe, sodass ich geradewegs in jemanden reinlaufe. Der Aufprall sendet mich zu Boden, während sich der Inhalt der Tasse auf der anderen Person verteilt. Ein Fluchen ertönt von oben und ich reibe mir den Kopf.

War das ne Wand, oder was?

Wehleidig starre ich die kaputte Tasse an.

Na super. Jetzt hab ich gar keinen Kaffee mehr. Die Hexe wird mich umbringen. Naja, wenn es nicht diese Person schon vorher tut. Endlich sehe ich nach oben und erstarre.

,,Das hat mir gerade noch gefehlt.", flucht er und richtet seinen kalten Blick auf mich, ,,Pass besser auf wo du hinrennst."

Doch ich reagiere nicht. Wie versteinert sitze ich auf dem Boden und starre zu ihm nach oben.

Vor mir steht mit einem grimmigen Gesichtsausdruck, einem Kaffeefleck auf dem Shirt und unverkennbaren grünen Augen, die meinen so ähneln, eine Person, die ich überall wieder erkennen würde.

Mein Vater.

Undercover SonWhere stories live. Discover now