XXIX | Die Ratssitzung

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Ein leises Rascheln geht durch die Reihen, als jeder aufsteht und seine Uniform richtet, um ja perfekt für Mister O'Byrne auszusehen. Ich zweifle daran, dass irgendjemand so perfekt wie Isabell sein kann. Trotzdem zupfe auch ich meinen Ärmel zurecht, stupse meine Haare an ihren Platz und verschränke die Hände vor meinem Schoß. Auch wenn er es nicht zu bemerken scheint, spüre ich, wie Elijah mich dabei beobachtet. In diesem Moment wünsche ich mich ans andere Ende der Halle.

„Der Hüter der Welten, der Tore und der Brücken", verkündet der Mann hinter uns mit fester Stimme, „Meister der Artefakte und Wächter der Allianz: Peter O'Byrne."
Die letzte Tür öffnet sich und der Mann, der gerade ziemlich übertrieben angekündigt wurde, betritt Schritt für Schritt die Halle. Gekleidet ist er in eine weiße Robe, die der Dunklen gleicht, die er bei meinem ersten Besuch auf den Inseln trug. Sie ist mit auffallenden Goldfäden durchsetzt und auf seinen Schultern wurden ebenso goldene Ornamente platziert. Seine kalten, blauen Augen ruhen in sich, während er mit dem höflichen, überlegenen Lächeln die Anwesenden mustert. Langsam wandert sein Blick über die Menge, während er sich wie eine Katze auf seinen Stuhl zu bewegt. Keiner setzt sich, also bleibt mir nichts anderes übrig, als ebenfalls stehen zu bleiben. Der Einzige, der sitzen darf, ist der alte Gesandte der Hexenwesen. Er sitzt auf seinem Platz und sieht O'Byrne lächelnd an.

Das Gesicht des Allianzbeauftragten ist immer noch so, wie ich es in Erinnerung habe. Schmal und wirkt ständig so, als führe er etwas im Schilde, trotzdessen hat der Mann etwas Vertrauenserweckendes an sich. Es ist verrückt.

Ehe er sich setzt, breitet er die Arme aus, wie um die Menschen um sich herum zu grüßen, dann nimmt er Platz, auf dem auffälligen Stuhl mit Edelsteinen. Erst als auch er sitzt, setzt sich auch der Rest der Halle.

Ich lasse mich zurücksinken, während O'Byrne schon anfängt zu sprechen. Seine Stimme ist leise, wie immer, doch trotzdem muss er nicht laut werden, um sich Gehör zu verschaffen.
„Ich betrauere es zutiefst, diese Ratssitzung mit so belastenden Nachrichten eröffnen zu müssen", spricht er, lässt seine Augen noch immer rastlos über uns tanzen. Das Lächeln ist aus seinem Gesicht gewichen. „Zu unser aller Bedauern verstarb der Gesandte der Werwölfe, Grogan Keawynn, in der letzten Woche", er macht eine kurze Pause. „Seinen Platz nahm kurzfristig sein Sohn ein, den wir nun im Kreis der Gesandten begrüßen dürfen."

Constantia, die Gesandte der Vampire räuspert sich, was in der Stille der Halle doppelt so gut hörbar ist. Als sie spricht klingt ihre Stimme wie Samt, einzig und allein geprägt von einem minimalen französischen Akzent. Jedes ihrer Worte klingt wohlbedacht ausgewählt, als hätte sie seit Tagen darüber gebrütet, obwohl vor ihr kein Blatt Papier liegt. „Doch trotzdem möchte ich hier noch einmal betonen, dass die Vampire nichts mit dem Tod zu tun haben, welchen wir sehr bedauern. Mister Keawynn war ein heller Stern am Himmel der Allianz, der viel zu früh stürzen musste, doch das rechtfertigt auf gar keinen Fall Angriffe auf Vampire."
Der Gesandte der Hexenwese kichert leise, wirkt fast so, als würde er in seiner gigantischen Robe beinahe verschwinden. Sie verschluckt ihn. „Sie tun so, Miss Renaudin, als lägen die Vampire dabei im Nachteil."
Die bohrenden Augen der Vampirin heften sich auf den Hexer und sie schenkt ihm ein gekünsteltes Lächeln. „Auch wir Vampire haben unsere Schwächen, werter Mister Scrope."

Gespannt rutsche ich etwas nach vorn. So interessant hätte ich mir die Sitzungen des Hohen Rates nicht vorgestellt. Eher total wie in einer anderen Welt, langweilig und abgehoben. Aber das hier wirkt vielmehr so, als würde hier ein Kleinkrieg ausgefochten werden. Ein Krieg wie zwischen Elijah und Baltasa, nur dass das hier weitaus öffentlicher vonstattengeht.

„Danke, Miss Renaudin", greift Mister O'Byrne schnell wieder ins Gespräch ein, auf seinen schmalen Lippen hat sich wieder das Lächeln ausgebreitet, während er zwischen der Vampirin und dem Hexer hin und her blickt. „Keiner von uns denkt, dass die Vampire in den Tod verwickelt sind, machen Sie sich keine Sorgen."
„Dies erscheint mir allerdings ganz anders, Mister O'Byrne", meldet sich nun auch der Elf zu Wort. Seine Stimme ist rauchig, klingt amüsiert und genauso sieht auch sein Gesichtsausdruck aus. Ihn scheint das alles irgendwie zu unterhalten, mehr nicht. „Ich konnte nicht überhören, dass es einige Vorwürfe gibt."
„Die Umstände, unter denen Mister Keawynn verschieden ist, sind noch zu unklar, um irgendwelche Vorwürfe äußern zu können", stellt Mister O'Byrne klar und wirft Sir Alrarn einen ernsten Blick zu. Irgendwie sind die beiden zwei Gegensätze.

Alrarn hat helles Haar, O'Byrnes Haare, die langsam grau werden, waren von einem dunklen Braun oder schwarz; der Gesandte der Elfenwesen ist groß und breit gebaut, mit Schultern die fast an Nicks heranreichen, wohingegen O'Byrnes gesamte Erscheinung ziemlich schmal und klein ist; Sir Alrarn umgibt eine Aura der Höflichkeit, während O'Byrne äußerst kühl und reserviert ist.

Dem Allianzbeauftragten scheint das alles zu viel der Diskussion zu werden, er schüttelt den Kopf und hebt abwehrend die Hände. „Genug davon, meine geliebten Brüder und Schwestern. Stattdessen gibt es einige Neuigkeiten was die... Schwierigkeiten betrifft, die auf Camchester Holm ihren Platz gefunden haben." Seine Augen machen erneut ihre Runde um die Ränge. Ich verstehe nicht ganz, worum es geht, also beuge ich mich noch weiter vor und suche nach meiner Cousine, damit sie mir meine Fragen beantworten kann. Doch egal wie weit ich mich vorbeuge, Isabell scheint sich in Luft aufgelöst zu haben. Valentin ist in ein viel zu leises Gespräch mit Baltasa vertieft, sodass auch er mir nicht weiter helfen kann. Ich lasse mich zurück auf meinen Platz sinken und bleibe mit meiner Frage alleine. Was für Schwierigkeiten? Gab es jemanden, der Brot geklaut hat oder war es etwas Schwerwiegenderes?

Theoretisch könnte ich Logan fragen, der sich ebenso wie ich vorhin vorgelehnt, die Unterarme auf die Beinen gestützt hat und konzentriert gegen seine Finger atmet. Es sieht albern aus. Sowieso, weil er in seiner Uniform nicht aussieht wie er selbst, was es so wirken lässt, als wäre er ein Statist in einer Schulaufführung.

Ich lasse es sein, nehme mir vor, O'Byrne später nach den Schwierigkeiten zu fragen, denn er wird mir sicher Rede und Antwort stehen. Ein kleines Seufzen muss ich unterdrücken, ehe ich mich wieder den Menschen vorn widme. O'Byrne hat weiter gesprochen, während ich nachgedacht habe, wodurch ich nur noch die Hälfte seines Satzes mitbekomme: „...doch ich bin davon überzeugt, dass wir, als Gemeinschaft, dieses kleine Problem regeln können, sobald einmal die Posten der Wache dort errichtet sind." Mit einem breiten Lächeln sieht er in die Runde, nickt den Personen um sich herum zu und schiebt dabei eines seiner Blätter unter den Stapel der anderen.

„Die Drachenreservate", das laute Jubeln der Drachenjäger unterbricht O'Byrnes Beginn. Er hat außer einem müden Lächeln nichts für sie übrig. Geduldig wartet er, dass ihr Applaus verstummt, ehe er, dieses Mal mit einem belustigten Unterton, fortfährt. „Was die Drachenreservate betrifft, so hat sich ergeben, dass die Hexer sich anboten, die Schutzbänne zu verstärken. Machen Sie sich keine Sorgen, das Feuer war ein einmaliger Zwischenfall, den wir zu verhindern wissen werden."

Laute der Enttäuschung kommen von den Drachenjägern, die schon aufgeregt auf ihre Trommeln gehauen hatten. Einzig und allein die Gesandte der Zeitreisenden schenkt ihnen einen zerknirschten Blick.
Mir tun sie nicht leid. Alleine wenn ich daran denke, dass Dru es sein könnte, hinter der sie her sind, dann zieht sich in mir alles zusammen. Auch wenn ich ständig alles versucht habe, um das kleine Geschöpf auf Abstand zu halten- so richtig gelingen will es mir nicht. Zu süß ist es einfach, wie sie sich abends vor dem Kamin einrollt oder nach dem Essen mit aufs Sofa krabbelt. Sie ist kein Haustier, das weiß ich, aber sie ist zu einem Familienmitglied geworden und die lässt man nicht einfach so ziehen. Niemals würden diese Männer hinter unserem Drachenbaby her sein, das schwöre ich. Wenn es sein muss, dann werde ich sie ganz alleine mit meinem Dolch verteidigen.

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Schalom!

Lasst mich euch sagen, auch wenn dieses Kapitel relativ kurz für meine Verhältnisse ist, werden die Informationen, die wir erhalten haben, noch sehr wichtig werden. Auch jene, die im Eifer des Gefechts vielleicht erst untergehen...

Nächstes mal erwarten uns neue Gerüchte und ein paar eindeutig zu gesprächige Wachmänner.

Wir sehen uns nächsten Donnerstag hier oder irgendwo anders,
Madame-Storyteller

Time Travelling | Lost in TimeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt