XXXIV | "Jeder ist käuflich"

19 5 19
                                    

„Ich denke nicht, dass ich das tun würde", gebe ich zu, auch wenn ich nicht weiß, ob das der Wahrheit entspricht.
„Dann denkst du so wie der Rat damals", sagt der Allianzbeauftragte mit einem halben Lächeln. Ich zwinge mich dazu es zu erwidern, ehe er weiterspricht. „Wir wissen bis heute nicht, was für ein Zauber es war, der eine ganze Insel zum Einsturz brachte, die bereits seit Jahrhunderten existierte- aber ich denke, das zeigt uns, wie gefährlich Morgana le Fay ist, nicht wahr, Katherine?"

Unruhig zuckt mein Blick zu O'Byrnes Fingern, die ruhig neben meinen auf der Tischplatte liegen. Nichts hier dran scheint ihn aus der Ruhe zu bringen, während mein Herz mir bis zum Hals schlägt. Es macht mich nervös, dass O'Byrne scheinbar alles weiß, doch trotzdem so mysteriösen Smalltalk betreibt. Ich war auf Taetnire, wo er mich getroffen hat und geschlossen hat, dass ich Morgana suche. Wieso spielt er also dieses Ratespiel? Amüsiert es ihn? Ist das der einzige Grund?

„Womöglich", murmle ich, während ich auf seine Finger starre, die sich nicht einen Zentimeter bewegen, während er spricht. Alles an ihm ist bewegungslos, bis auf sein Gesicht. Er hat sich besser unter Kontrolle als jedes Mitglied der Bruderschaft zusammen. Das ist eine Leistung, denn wenn Stefan und Matt mit uns zusammen Erobere die Flagge spielen, stehen sie manchmal so bewegungslos da, dass man sie glatt selbst für eine Statue halten könnte. Und wenn man nach Charlotts Meinung gehen würde, dann ist Stefan sowieso eine zum Leben erwachte Statue eines griechischen Gottes. Sie kann sich nur nie entscheiden, ob er jetzt Ares oder Apollo sein soll. Meiner Meinung nach würde Ares sehr viel besser zu dem jungen, blonden Mann passen, aber ich bin auch nicht in der Rolle, für den Zeitreisenden zu schwärmen.

„Die Insel wurde in fünf kleinere gespalten, wovon jede heute besiedelt ist. Obwohl sich die Meinungen spalten, ob man Taetnire als besiedelt bezeichnen darf...", er schüttelt den Kopf und seufzt. „Verschwendetes Potential. Die Zellen sind größtenteils mit Leuten gefüllt, für die auch ein einfaches Gefängnis ausreichen würde... Drei Zellen würden reichen."
„Drei?", frage ich. Meiner Meinung nach würde jedes Mitglied der Dunklen Garde eine Zelle verdienen, wer denn sonst? „Nur so wenige?"

„Nicht mehr sind verdient besetzt. Die drei sind die größte Gefahr", erklärt O'Byrne, während er mir erneut den Rücken zuwendet und hinüber zum Fenster geht. Nur dieses Mal folge ich ihm. Meine Schritte klingen zu laut auf dem dunklen Boden, wohingegen O'Byrne sich scheinbar lautlos bewegt. Ein wenig gruselig.

Wir bleiben vor dem Fenster stehen, welches hinaus auf den Garten zeigt. Ich erinnere mich daran, wie ich das erste Mal hier stand. Der Garten war wie leer gefegt, ließ mir freien Blick auf den großen Pavillon, der in der Mitte des Gartens steht und unter dem der Artefaktensaal versteckt ist. Heute ist es sehr viel anders. Die Wege sind gefüllt mit Spaziergängern, die den Tag nach der Ratssitzung ausklingen lassen wollen. Doch trotz ihnen allen, trotz der lebendigen Farben, die sich über die ganze Insel verteilt zu haben scheinen, kann ich meinen Blick nicht von dem halbtoten etwas am Waldrand abwenden. Das Manor wirkt wie ein groteskes Ungetüm, welches jemand aus einem Scherz heraus aufgestellt hat. Farb- und Freudlos erhebt es sich dort, wie es sich auch schon vor Jahrzehnten aufgebäumt hat. Gruselig, das ist wohl das richtige Wort diesen Anblick zu beschreiben. Es gehört nicht hier hin, nicht mehr zumindest. Es ist ein Teil der Moonrose Familie. Ein Zeichen, dass auch wir keinen Platz mehr auf den Inseln haben.
Aus dieser Distanz kann ich das zerbrochene Fenster und den verunstalteten Vorgarten nicht sehen, doch ich weiß, dass das alles existiert. Dass die Erde dort aufgerissen wurde von Pferdehufen, die Fenster zertrümmert sind durch Armbrustbolzen und Pfeile. Ich schlucke und kratze mit den Fingernägeln über die Narbe in meiner Hand.

„Sie meinen Morgana und die DeVilers", schließe ich aus der vorherigen Äußerung des Allianzbeauftragten. Ich muss ihn nicht ansehen, um zu wissen, dass er erneut lächelt. Es ist fast, als wäre er stolz, dass ich mit seinen Gedankengängen Schritt halten kann. „Aber was ist mit den anderen? Denken Sie, Morgana ist gefährlicher als die Dunkle Garde?", fahre ich fort und wende langsam meinen Blick von dem alten Haus ab, was einen drastischen Kontrast zum schneeweißen Ratsgebäude bildet. Das Fahren über meine Narbe stoppe ich jedoch nicht.

Time Travelling | Lost in TimeWhere stories live. Discover now