XXXV | Ein Name

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Ich hätte Baltasa suchen sollen, doch stattdessen haben mich meine Füße in den Garten getragen und von dort aus in den Pavillon, der sich wie von Zauberhand geleert hat, kaum habe ich einen Schritt hinein gemacht. Auf meinem Weg hierher haben sich die Massen für mich geteilt, als wären sie das Schwarze Meer und ich Moses. Selbst die Kinder, die auf dem Vorplatz gespielt haben, haben gestoppt und mich angestarrt. Sie alle wissen wer ich bin, was ich getan habe. Als Morgana sagte, ich würde zu einer Legende werden, hatte ich mir das irgendwie schöner vorgestellt.

Trotz der unzähligen Fackeln an den Wänden, ist es im Inneren des Pavillons eiskalt. Fast erwarte ich, dass Eiszapfen von der Statue des König Artus hängen, doch das tun sie nicht. Noch genau so stolz wie das letzte Mal steht er da, sieht aus seinen ruhigen, steinernen Augen durch die Tür hinaus und hält das Schwert aus Stein mit seinen Händen umklammert. Er ist der Meister der Artefakte, nicht O'Byrne.

Dem Fakt zum Trotz, dass er aus Stein ist, wirken die Züge des letzten Königs von Camelot Morgana unheimlich ähnlich. Sie sind nur Halbgeschwister, doch trotzdem kann man erkennen, dass sie eine Familie sind. Sie beide sind von einer eigenartigen, fremdartigen Schönheit, die man Morgana noch ansehen kann, auch wenn sie nur noch aus Haut und Knochen besteht. Der Anblick, den sie mir vorspielt, wenn sie in meinem Kopf ist, reicht aus um zu wissen, dass diese Frau in einer anderen Welt wahrscheinlich die Schönste der Welt gewesen wäre.

Sie beide haben die gleichen feinen Gesichtszüge und die spitze, dünne Nase. Ihre Augen sind relativ rund und besitzen lange Wimpern. Auch besitzen sie beide Locken, nur sind Artus blond, während Morgana, passend zu der Richtung ihrer Magie, eine schwarze Haarpracht vorzuweisen hat. Und beide, obwohl schon lange nicht mehr in der Form, in der sie einst waren, strahlen aus, dass sie Herrscher sind. Sie sind Könige gewesen und einer ist durch die Hand der anderen gestorben. Ein tragisches Ende. Zu tragisch. Trotz allem waren sie Geschwister.

Ich schließe die Augen und für einige Sekunden blitzt das Bild von Danny vor meinem inneren Auge auf. Mein kleiner Bruder. Ich würde für ihn mein Leben geben, doch niemals kann ich mir vorstellen, das Seine zum Wohl aller zu beenden. Er ist alles, was ich hatte, als Dad starb. Ich werde nicht zulassen, dass irgendjemand ihm ein Haar krümmt. Nicht einmal ich selbst.
Doch es war das richtige. Für sie, in diesem Moment. Sie hat das getan, was sie tun musste, um Menschenleben zu retten... das ist zumindest Morganas Version und ihr Wort steht alleine gegen das aller anderen. Sie alle preisen Artus an, wieso sonst sollte seine Statue in der Halle der Ahnen stehen? Der Halle, in der die Namen der besonders Ruhmreichen Vorväter vermerkt sind? Weil sie ihn als einen Solchen sehen. Sonst hätte man ihm nicht die Aufgabe zuteilwerden lassen, die Artefakte zu schützen. Auch wenn es mir immer noch komisch erscheint, dass man die wichtigsten Relikte der anderen Welt nur von einem Toten, einem in Stein gemeißelten König bewachen lässt. Doch es scheint zu funktionieren, immerhin habe ich die sechs Artefakte mit eigenen Augen gesehen. Drei davon habe ich berührt. Und drei Visionen wurden mir geschenkt.

Ich schlage meine Lider wieder auf, sehe hinauf zu dem Gesicht des Königs, der entweder ein Monster oder ein Wohltäter war. Ich weiß, wie schnell die Grenzen zwischen den beiden Aspekten verschwimmen können. Es gibt nur zwei Arten von Herrschern: Die Guten und die Bösen. Doch wenn man jemanden fragt, dann ist man immer irgendwann der Böse. Fragt sich nur, wie es in dieser Geschichte war. War er ein Guter, der als böse abgestempelt oder ein Böser, der von allen als gut angesehen wurde.

Mein Blick wandert weiter, höher hinauf, an der Krone vorbei, die auf harten Locken sitzt, bis zu dem Namen, der nur schwach angeschienen von den Fackeln hoch über den Köpfen aller anderer ruht. Lord Adula Moonrose. Der Vorreiter der neuen Allianz. Er hat uns allen das ermöglicht, was heute ist. Und dafür wurde er ermordet. Auch er war in irgendeiner Geschichte der Böse und dafür hat er den hohen Preis bezahlt. Er zahlte mit seinem Leben und ich zahle mit Morganas Freiheit. Es bereitet mir schon Kopfschmerzen, wenn ich auch nur daran denke. Es ist eine zu gewaltige Entscheidung, ich kann sie nicht treffen. Ich bin dem nicht gewachsen. An diesem Ort, der gefüllt ist mit den Namen von Menschen, die womöglich ganze Völker retteten, fühle ich mich noch unwürdiger als sowieso schon. Sie sollten mich nicht als solches sehen. Als keine Anführerin. Ich sollte gehen. Weg. Nicht nach Hause. An einen Ort, an dem mich niemand kennt. An dem ich ein Niemand bin. Nicht Katherine Moonrose. Nur... Kathy.

Time Travelling | Lost in TimeWhere stories live. Discover now