31. Warten auf Bam

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Jungkooks PoV

Entgegen meiner Befürchtung, oder Hoffnung, schlug ich meine Augen am frühen Morgen auf und war sofort hellwach. Dennoch lag ich wie betäubt da, weil augenblicklich das Geschehene auf mich einstürzte. Ich hatte zwar, nach ewig langer Zeit, traumlos geschlafen, aber jetzt wünschte ich mir nichts sehnlicher, als wenn alles, was gestern geschehen war, einfach nur ein Traum gewesen wäre. Dass der Schrecken jetzt ein Ende hatte. Stattdessen erinnerte mich das schmerzhafte Pochen in mir nur allzu deutlich daran, dass alles bittere Realität war. Ich hatte das Gefühl, als wenn meine gesamte Brustmuskulatur zusammengezogen und die Sehnen darin verkürzt waren. Mühsam löste ich mich aus der Embryonalstellung, welche ich, den Schmerzen nach zu urteilen, die ganze Nacht eingenommen haben musste und versuchte jede verkrampfte Zelle einzeln zu lösen.

Als ich die verspannten Finger meiner rechten Faust öffnete, bemerkte ich, dass ich etwas gehalten hatte. Es war der Anhänger. Offensichtlich hatte ich ihn in der Nacht fest umklammert. Ich tat einen schnaufenden Grunzer, in einem Versuch zu lachen. Sehr viele Tage hatte ich ihn weggesperrt, nur um nicht ständig an die Kims denken zu müssen und an das, was die Kette meiner Meinung nach, hätte symbolisieren können. Und jetzt... jetzt wollte ich sie nie wieder loslassen.

Ich hatte immer geglaubt, dass ich mich sehr gut und meine Marotten kennen würde, aber ich kam mir nun fremd in meinem eigenen Körper, in meiner Gefühlswelt vor. In einer fließenden Bewegung legte ich mir die Kette um. War ich gestern noch betäubt ins Bett gefallen, so gab es gefühlt nun keine Stelle an meinem Körper, die nicht schmerzte. Angefangen bei meinem Schritt. Scheiße, taten mir die Eier weh. Das letzte Mal, dass meine Kronjuwelen hatten dran glauben müssen, war, als ich noch im Waisenhaus mein Dasein gefristet hatte.

Ich richtete mich mit einem Stöhnen auf und schlurfte in die Küche, darauf bedacht, nicht einmal meine Füße zu heben, damit es bloß nicht zu unnötigen Erschütterungen kam. Nachdem sie sich unmittelbar nach dem Tritt wie Matsch angefühlt hatten, pulsierte es nun unangenehm in ihnen und sie fühlten sich so geschwollen an, dass ich nur breitbeinig hinüber zum Kühlschrank wanken konnte.

Ich tränkte einen Lappen mit Wasser, in welches ich Eiswürfel getan hatte, zog meine Hose runter und konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken, als ich meine Hoden damit umschloss. Nachdem der stechende Kontaktschmerz abebbte, tat ich einen erleichterten Seufzer. Meine Reflektion spiegelte sich im Spülbecken und ich war nicht im mindesten über meinen Anblick des geschwollenen, lila verfärbten Wangenknochens und der mit getrocknetem Blut verkrusteten Unterlippe erschrocken. Paradoxerweise tröstete mich dieser Umstand sogar, sah ich doch endlich so aus, wie ich mich schon seit Wochen fühlte. Irgendwie bekam meine diffuse Gedankenwelt dadurch etwas Greifbares, wurde real. Ich fühlte mich anders, komplett losgelöst, aber dennoch festgekettet an dem Trümmerhaufen, welchen ich hinterlassen hatte.

Wenn plötzlich alles weggebrochen war... wie weitermachen?

Ich hatte immer geahnt, dass die fragilen Stützbalken, die ich mir in meinem Leben errichtet hatte, auf morschem Fundament gestanden hatten. Es war doch nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie zusammengestürzt wären. Warum war ich also überrascht? Überrascht, dass es so unfassbar wehtat. Ich hatte so versessen versucht, die Risse in meiner Mauer zu kitten, dass ich nicht bemerkt hatte, wie der Keller unterspült worden war. Dennoch überkam mich eine wilde Gelassenheit. Wie widersprüchlich das war, wusste ich, aber besser konnte ich es nicht für mich definieren. In meinem Innersten war alles in Aufruhr, aber dennoch spürte ich gleichzeitig diese Ruhe, ganz so, als wenn mein Körper und meine Seele einen tiefen Seufzer getan hätten, da nun keine Kraft mehr für etwaige Instandhaltung aufgebracht werden musste.

Dumpf polterte es und ich brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass es aus der angrenzenden Wohnung kam. Moment mal... das konnte absolut nicht sein. Oder doch? Hatte ich mir vielleicht nur eingebildet, das Jin ausgezogen war? Ein Freund, mit dem ich reden konnte, war jetzt genau das, was ich brauchte. Nach der Auseinandersetzung mit Hobi gestern, konnte ich mich einfach nicht bei ihm melden. Ein schleifendes Geräusch und dann ein unterdrückter Fluch. Da war definitiv jemand in der Wohnung. Ich ließ den Lappen in die Spüle fallen, zog meine Hose hoch und verließ meine Behausung.

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