33. Die Inschrift

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Am nächsten Abend

Gines PoV

Ich schreckte aus dem Dämmerschlaf und sah mich einen Moment verwirrt um. Der Regen, welcher an die Fensterfront prasselte, hatte mich wohl wachgemacht. Der Film lief nach wie vor, also konnte ich nicht lange Zeit weggeknackt gewesen sein. Ich schlief seit kurzem öfter schnell ein, weil mich die letzten Wochen einfach nur geschlaucht hatten. Ich hatte bereits ein schlechtes Gewissen entwickelt, da ich bei gemeinsamen Filmabenden einiges verpasste.

Diesmal musste ich in mich hinein schmunzeln, denn ein Blick nach links versicherte mir, dass ich nicht als Einzige eingeschlafen war. Leise vor sich hin schnarchend döste Tae mit tiefen, gleichmäßigen Atemzügen vor sich hin, sein Mund leicht geöffnet. Seine Finger zuckten auf der Brust, als er sich grunzend auf die Seite drehte. Ich strich ihm mit meinen Fingerknöcheln ganz sacht über die Wange, ehe ich umsichtig, um keine lauten Geräusche zu verursachen, vom Bett aufstand, um mir aus der Küche etwas zu trinken zu holen.

Etwas irritierte mich, als ich im Flur stand und ich brauchte einen Moment, ehe mir bewusst wurde, das unsere Gegensprechanlage rot leuchtete, was eigentlich nur der Fall war, wenn... Ich sah auf den kleinen Bildschirm und mir wurde ganz elend zumute, als ich erkannte, wer dort unten stand und um Einlass bat. Gerade noch etwas verschlafen, war ich nun hellwach und wünschte fast, dass ich nicht aufgewacht wäre. Ich könnte so tun, als wenn ich nichts mitbekommen hätte. Aber nein, dass könnte ich eben nicht, denn ich wusste, dass er bestimmt länger warten würde, so wie ich seine Entschlossenheit kannte.

Aber wollte ich ihn überhaupt sehen? Er hatte Taehyung und mich gestern separat angeschrieben, was mich völlig vor den Kopf gestoßen hatte. Alle vorherigen Versuche, nicht zu vergessen der äußerst verletzende letzte ihn zu erreichen, waren fehlgeschlagen. Eine Antwort war ich ihm also schuldig geblieben, brauchte noch Zeit, um mir darüber klar zu werden, was ich unternehmen wollte. Wie Taes Reaktion ausgefallen war, konnte ich mir vorstellen. Wir hatten nicht darüber geredet, aber an dem Tag, war es kurze Zeit angespannt zwischen uns gewesen und wir brauchten etwas, um in unseren gewöhnlichen Trott zu kommen.

Ich wusste einfach nicht, was ich fühlen sollte. Er war so unberechenbar. Meine Gefühle ihm gegenüber waren inzwischen zwiegespalten.

Es klingelte noch einmal, lautlos. Ich sah es nur daran, wie das Lämpchen erneut aufblinkte. Einen Moment betrachtete ich traurig den Bildschirm, ehe ich, mit Eisklumpen in meinem Magen, den Summer betätigte. Ich schloss die Tür zum Schlafzimmer, damit mein Mann nicht wach wurde. Als ich das Bing des Fahrstuhls vernahm, wurde mir bewusst, dass ich nichts weiter, als ein kurzes Shirt von Taehyung trug und viel von mir entblößt war. Befangen, wie ich mich fühlte, warf ich mir einen Bademantel über, bevor ich die Tür öffnete.

Er stand schon davor.

Er sah schrecklich aus und dennoch konnte ich die Verblüffung in seinem Gesicht darüber erkennen, dass ich ihm die Tür tatsächlich geöffnet hatte.

»Was machst du hier?«, fragte ich. Meine Stimme klang fremd.

Jungkook strich sich fahrig seine Haare hinters Ohr. »Ja, ich weiß, es ist schon ziemlich spät«

»Was ich meine ist, was du hier willst?«, berichtigte ich meine Aussage und spürte, wie sich das unangenehme Gefühl der Ablehnung in mir breit machte. Wenn man bedachte, wie ich mich sonst gefühlt hatte, wenn er bei uns aufgetaucht war und nichts anderes, als Leidenschaft vorherrschend gewesen war, war das jetzt einfach unglaublich tragisch. Fast kam er mir fremd vor.

»Ich... ich möchte mich entschuldigen«, antwortete er ziemlich leise, seine Stimme rau.

Ich war einfach nur unglücklich mit der Situation und spürte die Wut, die aus seiner Verletzung heraus entstanden war, die Oberhand gewinnen.

Delicious TasteWhere stories live. Discover now