Kapitel 19

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Die Nacht verlief Ereignislos und ich hab endlich wieder einen ruhigen Schlaf genossen. Am Morgen wurde ich wieder im Badezimmer an mein Vorhaben die Wäsche zu waschen erinnert. Eine Tasse Kaffee war trotzdem noch drin bis ich mich wieder von Isaac verabschieden musste.

"Bis bald." "Bis bald." Irgendwie fühlt es sich heute anders an. Aber das bilde ich mir nur ein.

Die Fahrt bis zur Gemeinschaftspraxis verging länger als sonst und ich war bei weitem nicht so gut gelaunt wie sonst. Obwohl ich gut geschlafen hab nach dem Film.

Mit einem nur dahin gemurmeltem 'Guten Morgen' mache ich mich an der Rezeption vorbei und betrete mein Büro. Heute steht wieder die Gruppentherapie an für die Anonymen Alkoholiker und ich würde am liebsten wieder nach Hause gehen um mich wieder in mein Bett einzukuscheln.

Die kurze Vorbereitung war dann doch schnell passiert. Ich musste ja nur die Stühle wieder in einen Sitzkreis stellen und mir meine Notizen von Gestern noch ein- zweimal durchlesen damit ich das Skript für Heute weiß.

Ich öffne die Türe in das Zimmer und setzte mich schon einmal in den Kreis und sehe auf meine Uhr. Der große Zeiger steht kurz vor Vollendung der Stunde also warte ich ab jetzt nur noch auf die Menschen. Einer kam nach dem Anderen und wir sind um kurz nach 10:00 Uhr vollzählig und können somit starten. Meine übliche Begrüßung ist schnell gesprochen und danach wird Reihum gegangen.

Es wird empfohlen, wenn man wirklich Anonym bleiben möchte, einen anderen Namen auszusuchen mit welchem er oder sie dann angesprochen wird. Ich sehe in die Runde wie jeder einmal den gleichen Satz ausspricht, das einzige Flexible ist die Zeit und der Name. "Guten Morgen. Mein Name ist Rick und ich bin seit vier Monaten clean." Die Runde begrüßt zurück. "Hallo Rick" Und so geht es immer weiter.

Danach wird über die vielen Schwierigkeiten gesprochen oder über andere Dinge die mit dem Alkoholkonsum in Verbindung treten. Jedem wird zugehört und niemand wird unterbrochen. In meinem Kopf herrscht aber immer noch ein merkwürdiges Gefühl.

Die zwei knappen Stunden sind schnell vorbei und alle gehen wieder ihren Weg, und den auch Anonym.

Eine Mitte 50-Jährige bleibt aber zurück. "Entschuldigen Sie, könnte ich vielleicht eine Einzelsitzung mit Ihnen vereinbaren?" "Aber natürlich. Für mich würde gleich heute um 13:00 Uhr passen." Ich hab tatsächlich nichts vor da ich eh geplant hatte Einzelsitzngen heute anzubieten. Aber ich sollte danach unbedingt in das St. Mary fahren um einen Einblick in Isaacs Akte zu erhalten. "Danke, den Termin nehme ich direkt." "Dann sehen wir uns."

Als die Frau nun auch das Zimmer verlässt fühle ich mich auf einmal schlecht wie damals als ich im College in der Nacht in Bett liege, im Halbschlaf bin und mir auf einmal auffällt das ich ein Essay über den Kalten Krieg hätte schreiben sollen. Wahre Geschichte.

Ich ignorierte es gekonnt wie damals, nun die Folgen heute sind mir nicht bewusst, damals bedeutete es eine F.

Meine Mittagspause stellt sich nur aus einem belegten Brötchen von einem Bäcker und einem Getränk zusammen. Den Rest der Pause verbringe ich an meinem Smartphone und die Zeit verfliegt doch recht schnell.

Fünf Minuten nach der eigentlichen Terminzeit klopft es leicht an meiner Tür. Die Frau, welche höchstwahrscheinlich mit einem Alias in unserer Gruppe war betritt mein Büro. "Setzten Sie sich doch" Und das tat sie auch. Danach führten wir ein Gespräch über ihren kürzlichen Alkoholkonsum und das sie sich somit ihre knappen 2 Jahre Clean wieder versaut hätte. Das ist ein Harter Brocken. 2 Jahre einfach durch einen Shot zerstört oder was es war. Ich habe Mitleid.

Am Ende aber sitzt sie Händeringend vor mir auf der blauen Couch und sieht überall hin, bis auf in mein Gesicht weder noch in meine Augen. "Wäre es eine Möglichkeit wieder eine Einweisung in eine Entzugsklinik zu erhalten? Ich möchte wirklich für meine Kinder Clean sein." Ich bin überrascht. Normalerweise müssen wir Patienten zu dieser Entscheidung zwingen oder sie einfach einweisen. "Ich werde sehen was ich für Sie tun kann. Geben sie mir bitte ihre Handynummer damit ich Sie erreichen kann." Die Nummer ist schnell notiert und genau so schnell ist sie auch wieder verschwunden.

Ich verfasse eine E-Mail an die Lokale Klinik um nach einem Platz zu fragen. Bis die Antwort kommt, könnte ich mir aber sicherlich einen Bart wachsen lassen. Ich gebe nur die Details an, die ich selbst habe von der Frau, inklusive ihr Alias. Ich weiß schließlich nicht ob sie wirklich so heißt.

In der Klinik stellt sie sich dann selbst vor und da sie die Handynummer haben, können sie die Frau identifizieren. Ich glaube, dass ich aber in der Zwischenzeit locker in das Krankenhaus in welchem ich Isaac kennengelernt habe gehen kann, um die Akte zu sichtigen. Plan ist aufgestellt und ich mach mich auf den Weg.

Die automatischen Türen schließen sich hinter mir und ich bin wieder hier. An der Rezeption frage ich nach der Schwester, welche mich auf Isaacs Zimmer damals gebracht hat. Danach saß ich erst einmal eine Stunde im Wartezimmer und lese mir eins dieser Klatschblättern durch in welchen wieder irgendetwas über einen Celebrity-Skandal erzählt wird.

Ich blicke in ein bereits bekanntes Gesicht und stehe auf. "Was kann ich für Sie tun?" "Ich wollte mich nach dem Arzt von dem Suizidpatienten erkundigen den Sie behandelt haben." "Das sollte Dr. Iwanow sein. Ich versuche ihn zu erreichen und werde ihn zu Ihnen schicken." "Danke" Und somit war sie wieder weg und ich sitze wieder auf dem Stuhl welcher allmählich unbequem wird.

Hier treiben sich allerlei Menschen herum. Ich erhasche einen Blick auf ein Pärchen mit einem Maxi-Cosi. Sonst sehe ich Menschen hier mit mir im Wartebereich welche nicht so viel Freude aufweisen können wie eben genanntes Pärchen.

Krankenhäuser sind wie von fast jedermann nicht mein Ding. Ich habe keine Panische Angst aber gern hier meine Stunden zu verbringen ist nicht auf meiner To-Do Liste. Wer hatte auch gedacht das ich bis mir endlich ein Arzt entgegenkommt, welcher sich mit einem "Guten Tag. Ich bin Dr. Iwanow Sie haben nach mir verlangt?" knappe drei Stunden hier auf dem unbequemen Stuhl verbracht hab. Der blonde große Mann vor mir machte einen neutralen Ausdruck. Ich kann nicht erahnen ob er gerade einen Menschen gerettet hat oder für Tot erklärt hat.

"Genau. Ich bin Ms. Colemeyer und ich bin hier, da ich gerne einen Einblick auf eine Krankenakte haben möchte. Der Patientenname ist Isaac Roth." Er sah auf mich hinab. Der Typ war sicherlich 1,90. "In welchem Verhältnis stehen Sie zueinander?" "Ich bin seine Psychologin."

"Folgen Sie mir." und sofort drehte sich der Mann um und geht im Stechschritt voran. Im Aufzug komme ich zu Atem aber danach ging es wieder weiter zu einem Zimmer welches nur mit einer Karte und einem Code geöffnet werden kann. Danach befinde ich mich in einem großen Zimmer welches bis zu der Decke hoch mit Aktensortierer zugestellt ist.

"Hier Befinden sich alle Akten vom letzten halben Jahr." Er geht konzentriert auf einen Schrank zu und zieht eine Schublade auf und blättert alle Akten systematisch durch. Und eine zieht er raus. "Hier. Roth Isaac." Ich nehme die Akte dankend an.

"Wir könne die Ihnen aber nicht mitgeben. Sie können in meinem Büro sich in aller Ruhe die Akte durchlesen" "Das wäre sehr nett." Er zeigt mir sein Büro welches sich zum Glück fast gegenüber befindet. Ein weiteres Mal durch das St. Mary zu hetzten hätte ich nicht geschafft.

Ich sitze mich auf einen Stuhl und fange an die Akte durchzuarbeiten. Es gibt nicht viele Dokumente über ihn. Ich muss nebenbei die ganze Zeit auf mein Handy schauen und sicher machen, dass ich auch Netz hab, falls etwas passiert.

Ich werde nicht sehr überrascht von der Akte welche nur einen Suizidversuch aufweist. Und eine Anmerkung von Drogenmissbrauch aber ich weiß nicht ob dies aktuell ist. Zeit ist somit verschwendet worden und jetzt ist es mittlerweile auch schon viertel nach vier.

Ich verlasse gerade Dr. Iwanows Büro und renne ihm fast in die Arme. "Danke nochmals für die Akte" "Haben Sie gefunden nach was Sie gesucht haben?" Ich schüttle nur meinen Kopf. "Danke trotzdem"

Das Krankenhaus kann ich endlich hinter mir lassen. Draußen atme ich einmal tief durch.

Nun wird der Heimweg angetreten. Bis jetzt hat mich meine Intuition also reingelegt. Ha.

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