Kapitel 36

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Isaac Roth

Ich blicke starr an die Tür durch welche Alexa die Wohnung verlassen hat. Ich will ich hinterherlaufen um ihr zu sagen, was passiert ist. Ich will ihr sagen, dass ich genau wie sie fühle. Ich will ihr sagen, dass sie meine Welt zusammengesetzt hat. Aber jetzt ist sie wieder aufgebrochen.

Meine Mutter ist rückfällig.

Für mich kein Wunder.

Sie hatte heute einen Tag, an welchem sie freien Ausgang, aber nur zu Familienmitgliedern, hat. Diesen hat sie natürlich vollends ausgenutzt. Menschen auf Entzug sind schlimmer als Menschen noch im vollkommenden Rausch. Der Alkohol muss komplett aus dem System raus. Meine Erzeugerin war betrunken immer ruhig und schläfrig, sie hat uns nie geschlagen. Aber wenn sie keinen Alkohol hatte wurde sie Handgreiflich. Ich wurde oft dazu gezwungen Alkohol in dem komischen Laden um die Ecke zu kaufen. Wenn ich mich weigerte gab es Schläge. Wenn ich den falschen gekauft habe gab es Schläge. Ich war jung, woher sollte ich wissen, dass sie Vodka lieber trinkt als irgendeinen Himbeerschnaps?

Mit einem Betreuer ist sie zu meinem Bruder gekommen, damit sie ihm die Neuigkeiten überbringen kann und danach ihre Sachen packen kann. Der Betreuer ist gegangen. Das war der Fehler. Dylan ist ausgeflippt, was er sonst nie tut, und dann hat sie ihn geschlagen. Der gerade mal 21-Jährige wurde von seiner Alkoholsüchtigen Mutter so behandelt, wie als er noch ein Kind war. Nachdem meine komplett furiose Mutter abgeholt wurde hat Dylan mich angerufen.

Ich kann das nicht mehr. Diese ewige Leier mit meiner Mutter hat mich schon einmal zu meinem Limit gebracht. Ich muss erst einmal zu meinem Bruder.

Ich habe kein Auto, und keine Alexa die mich mitnehmen würde. Sie hätte mich beruhigt. Sie würde all die negativen Gedanken aus meinem Kopf verscheuchen indem sie mir einfach nur einen sympathieerfüllten Blick zusendet, wie all die anderen Male. Aber das geht nicht.

Ich schließe die Tür hinter mir. Ich bezweifle, dass ich den Schlüssel jemals wieder benutzen werde um in die Wohnung zu gelangen.

Der Bus in welchem ich sitze ist nicht sehr befüllt also finde ich einen Sitzplatz und warte ab, bis ich in der Gegend meiner alten Wohnung ankomme. Ich gehe die Treppen nach oben um zu Dylan zu gelangen.

Ich habe das nicht erwartet. Mein Bruder macht mir die Türe auf mit einer blutigen Lippe und einem angehenden blauen Auge. Seine Arme sind zerkratzt. Was hat sie bitteschön mit ihm gemacht? Ich schließe die Tür hinter mir und nehme Dylan in den Arm. Er fängt leise an zu weinen. Ich selbst unterdrücke mir auch meine Tränen als ich sehe wie die Wohnung aussieht. Zuvor hat hier immer Ordnung geherrscht, und jetzt? Es sieht hier aus als hätte ein Sturm gewütet. Aber der Sturm war meine Erzeugerin.

Wir verweilen eine Zeit in unserer Umarmung als sich mein kleiner Bruder löst. Ich sehe ihn an. Er hat realisiert was meine angebliche Mutter für ein Monster ist. Ich wende mich ab und suche Verbandsmaterial um ihm seine physischen Schmerzen zu lindern. Seine psychischen werden nicht unbedingt in Narben verblassen. Und das erinnert mich wieder an Alexa. Jetzt ist aber mein Bruder wichtig.

Während ich mir seine Lippe ansehe und die anderen Wunden, erklärt er mir, wie es dazu kam. Manche Mütter entwickeln einen Mutterinstinkt und können im Notfall Autos heben, aber meine kann in einem großen Tief ihren jüngsten schlagen wie ein Boxer im Ring. 'Sie hat es nicht wahrhaben wollen, dass ich sie nun auch verstoße. Sie ist ausgerastet. Ich habe zuerst versucht, sie auf Abstand zu halten und deswegen sind meine Arme total zerkratzt.'

Ich nicke. Wenn ich nur ein Wort sagen würde, würde ich nicht mehr der starke Bruder sein. Ich will das Papa hier ist. Er könnte die richtigen Worte finden. Ich jedoch müsste weinen. Um meinen Bruder. Um mich. Um unser Leben.

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