Kapitel 39

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Der Schnee ist natürlich nicht liegen geblieben. Was war auch anders zu erwarten im November?

Das Wetter ist genau so schlecht wie ich mich fühle und wahrscheinlich auch aussehe.

Ich habe mir heute strengstens vorgenommen den Brief endlich zu lesen, den Isaac extra für mich verfasst hat. Dafür mache ich mich auf den Weg aus der Stadt raus und gehe an den Ort hin, an welchem wir unser Date hatten. Das Wetter ist trotzdem noch schlecht aber das hält mich nicht davon ab.

An dem Aussichtspunkt angekommen breite ich wie damals eine Decke aus um darauf platz zu nehmen. Die Kälte des Bodens spüre ich bis in meine Knochen. Aber ich will den Brief hier lesen. Der Brief liegt zu meiner Rechten und drängt sich immer wieder in mein Unterbewusstsein. Ich versuche ihn vorerst zu verbannen, da ich den einen Abend Revue passieren lassen will.

Das erste Mal auf so einem spektakulären Date. Naja, spektakulär wäre es vielleicht wenn er mich Skydiving genommen hätte aber mir hat es trotzdem ausgereicht. Die Pizza war lecker und wir sind uns nähergekommen. Nicht nur auf den Aspekt bezogen, dass er sich mir gegenüber geöffnet hat, sondern auch anderweitig.

So nah wie noch nie, wie sich in den folgenden Stunden dann noch gezeigt hat. Ich muss immer noch schmunzeln über die Geschehnisse. Nicht aus Belustigung, sondern wegen den Gefühlen. An dem Abend hab ich wieder vor Augen geführt bekommen, wie sehr ich ihn mag.

Ich werde ihn sehr vermissen.

Schweren Herzens nehme ich den Brief in die Hand und er fühlt sich an als müsste ich einen 50 Kilogramm schweren Betonblock tragen. Ich streife mit meinen Fingerkuppen über die Letter, die meinen Namen bilden. Die schwarze Tinte und seine Schrift prägt sich in mein Gehirn. Die Klebelasche öffne ich geschickt ohne den Umschlag großartig kaputt zu machen. Als erstes fällt direkt ein Schlüssel aus dem Brief, den ich zuvor noch nicht gespürt habe. Was ist das denn für einer?

Ich vergleiche die Zacken und realisiere, dass dies mein Wohnungsschlüssel ist, den ich Isaac gegeben habe. Das Papier ist sorgfältig gefaltet. Darauf hat er in seiner schönen und klaren Handschrift seine letzten Gedanken an mich verfasst. Mein Herz schmerzt immer noch bei dem Gedanken.

Ich brauche lange um den Brief zu lesen. Ich unterbreche seine Worte immer wieder durch Schluchzer und muss mir meine Tränen wegwischen, da sie mir die Sicht verschwimmen lassen.

Ich falte das Stück Papier sorgfältig und weine. Ich weine erneut wegen dem wunderbaren Menschen welcher durch seine eigene Entscheidung nicht mehr lebt. Ich weine um den Menschen den ich liebe.

Ich weine auch um die Zukunft die ich mir mit uns beiden vorgestellt habe und um alles andere. Ich kann nicht aufhören. Meine Nase läuft auch und ich greife in meine Jackentasche als ein kalter Gegenstand mich innehalten lässt.

Das Feuerzeug.

In meiner Hand sieht es fehl am Platz aus. Ich muss mich wieder an die Konversation erinnern, die ich mit Isaac über das Feuerzeug, welches ich in meiner Hand halte, geführt habe. Ich streiche darüber und lasse es ein paar Mal eine Flamme bilden. Auf einmal verfestigt sich eine Idee in meinem Kopf die durchgeführt werden muss. Jetzt wenn es die Möglichkeit gibt, vor allem mit Bedeutung.

Ich packe den Brief sorgfältig in mein Auto wie die Decke und fahre zurück in die Stadt voller Trubel. In meinem Navi suche ich nach einer Adresse.

Entschlossen stehe ich mit einem leichten lächeln vor dem Studio. Die große Aufschrift in LED-Buchstaben stellt das Wort 'TATTOO' dar. Daneben eine kleine Maschine zum Stechen der Tattoos. Einmal nicke ich mir selbst motivierend noch zu. Ich gehe durch die verglaste Tür und werde gleich empfangen von einer volltätowierten Frau welche auch noch auf jeder Seite einen weit gedehnten Tunnel hat. Sie begrüßt mich freundlich. Hinter ihr sind lauter Zeichnungen von Tattoos und Bilder von bereits gestochenen. Die Werke sehen echt gut aus. Und das bestätigt meine Entscheidung nur noch mehr.

Als ich aber näher komme sieht sie eher nachdenklich aus und fragt mich, ob alles okay sei. Okay, ich sehe sehr verheult aus. Aber das muss jetzt sein. Ich gehe nicht auf ihre Frage ein.

'Haben sie Zeit für ein kleines Tattoo? Die Vorstellung dafür hab ich auch schon.'

'Wir werden Zeit finden.'

Wir sitzen uns zusammen für eine gute dreiviertel Stunde bis wir das Design fertig gestellt haben, welches nach vielem Rumplanen endlich perfekt ist. Das Stencil möchte ich auch auf meinem inneren Oberarm platziert haben, an der Stelle, an welcher Isaac sein Tattoo auch hat. Aber bei mir sind es keine Ziffern oder Buchstaben.

Der Schmerz ist nicht so schlimm wie ich es erwartet habe und die Tätowiererin erkundigt sich warum genau dieses Motiv. Da ich ihr die ganze Geschichte ersparen will sage ich ihr nur: 'Das hat eine ganz bestimmte Bedeutung für mich' Sie lässt es darauf beruhen und frägt mich nicht weiter darüber aus. Zum Glück, ich muss ihr ja nicht direkt meinen Leidensweg erzählen. Am Ende würde ich noch auf dem Stuhl zum Weinen anfangen und das wäre mir doch noch unangenehm.

Im Spiegel betrachte ich es. Und ich lächle. Seit einer, mir ewig vorkommenden Zeit, lächle ich und kann es nicht fassen. Das kleine schwarze Feuerzeug an der Innenseite meines Oberarms bildet eine kleine Flamme. So wie ich es wollte. Ich hab somit etwas Wichtiges auf mit verewigt. So wie du, Isaac, dich in mir verewigt hast.

Eine Wahrheit.

Ich habe jetzt doch ein Tattoo mit einer wichtigen Bedeutung für mich. Die Bedeutung bist du.

DAS ENDE

Eine Wahrheit Where stories live. Discover now