Kapitel 18

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Wir waren nun schon ein paar Häuserblocks mitlaufen, als wir am Rande der Begrenzungszäune eine angesammelte Gruppe endeckten. Auf der einen Seite Teilnehmer der Parade, auf der andere Seite eine vermutlich religiöse Gruppe, die Plakate hochhielt wie 'Wir retten eure Seelen' oder 'noch ist es nicht zu spät für den Weg zum Himmel'.

Neugierig gingen wir darauf zu. Klar war uns bewusst, dass man sich eigentlich daraus halten sollte, jedoch schien es sich hierbei nicht um Gewalt zu handeln, stattdessen war die Menge auf unserer Seite am Johlen und die Menge auf der anderen Seite sah entweder angeekelt oder erschrocken aus.

Und so waren wir beide doch neugierig zu wissen, was dort vor sich ging. Nach ein wenig drängen sahen wir es auch. Pärchen wurden dazu aufgefordert sich einfach vor den Gegendemonstranten zu küssen. Eine einfache Handlung, eine riesige Auswirkung.

Belustigt sah ich zu Erik hinüber, welcher genau wie ich ein verschmitztes Grinsen auf dem Gesicht trug. Dann stiegen wir beide mit ins Johlen der Menge ein und feuerten somit die anderen an, die Gruppe auf der anderen Seite zu provozieren und zu zeigen, dass solche Plakate uns nicht ändern würden.

Nicht, dass ich etwas gegen religiöse Menschen hatte, absolut nicht. Nur sollen sie ihren Glauben nicht dazu nutzen, etwas gegen Menschen zu haben, die absolut nichts Falsches getan haben. Leben und leben lassen, das war schon immer mein Motto gewesen.

Mir war es egal was der andere glaubte, es wäre das Richtige, solange er nicht probierte es mir aufzuzwingen oder mich irgendwie damit einzuschränken. Solange es nichts war, dass ihnen schaden würde, war es nichts, worum sie sich kümmern sollten. Das gleiche Geschlecht zu lieben konnte ihnen in keiner Weise schaden.

Doch in diesem Fall meinten sie, dass wir ihnen etwas tun würden in dem wir lieben, wen wir lieben. Wir waren die Verdorbenen, die sie auf ihrer Mission für den Weltfrieden retten müssen und das mussten sie garantiert nicht. Das konnten wir ihnen mit einem Kuss gerne beweisen.

Ein paar Minuten standen wir in der Menge, bis plötzlich einige Leute Erik und mich erwartungsvoll ansahen. Kurz fragte ich mich wieso, aber dann fiel mein Blick auf unsere immer noch verschränkten Hände.

Klar, wir sahen für die Außenwelt so aus wie ein Pärchen, dass hier dran ihren Spaß hatte und somit auch mehr als nur Anfeuerungsrufe beitragen konnte.

Unsicher wandte ich meinen Blick zu Erik, welche mich entschuldigend ansah. „Sorry, ich wollte dich nicht in so eine Situation bringen", meinte er zu mir, doch ich schüttelte nur meinen Kopf.

„Wenn du möchtest, können wir es machen", meinte ich, ohne groß über die Konsequenzen nachzudenken und fügte hinzu: „Ist ja nur ein Kuss." Seine Augen leuchteten ein wenig auf. Doch er versteckte es hinter einem neutralen Gesichtsausdruck.

„Ist ja nur ein Kuss", wiederholte er und zog mich dann in die Mitte des gebildeten Halbkreises. Dann nahm er mein Gesicht in seine Hände, ich umfasste seine Hüfte und dann lagen seine Lippen auf meinen.

Die Rufe um mich herum verschwammen und alles, worauf ich mich konzentrieren konnte, waren sein Lippen, die wie perfekt für sie geschaffen auf meinen lagen.

Erst langsam bewegten sich unsere Lippen gegeinander, dann in einem stätigem miteinander und ein warmes Gefühl machte sich in mir breit. Es fühlte sich so unglaublich richtig an und ich wollte nicht, dass der Moment jemals endet.

Doch natürlich tat er das, denn nach meinem Geschmack viel zu kurzer Zeit löste sich Erik von mir und ließ mich etwas verdattert zurück, sodass er mich quasi hinter sich herzog, da unsere Hände sich irgendwann wieder verschränkt hatten, auch wenn ich es nicht wirklich wahrgenommen hatte.

Wo die Straßen uns hinführenDonde viven las historias. Descúbrelo ahora