21. Kapitel

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Ich würde nicht sagen, dass ich es weise fand, aber ich konnte ihn verstehen.
Er hatte seine Gefühle hinter Wut und Kälte geschützt, aus Angst jemanden zu verlieren oder ähnliches wie in seinem Rudel zu erleben.
Doch er blieb bei den freien Wölfen, wie sich die Wölfe nannten, die dort am Meer lebten und über fünfzig zu sein scheinen.
Auch Schimmer, die Gefühlte für ihn hatte, hatte er immer abgeblockt, doch er hatte ein gutes Herz.
Er hatte sich erweichen lassen uns zu begleiten.

Und nun türmten sich die Bäume unseres Heimatwaldes vor uns auf. Sturm wirkte beunruhigt, doch wir sagten nichts, denn wir waren alle angespannt.
Durch Abkürzungen hatten wir es geschafft schneller zu sein. Nun stand der Vollmond an seinem höchsten Punkt. Würden wir noch einen Mord miterleben?
Während wir durch den Wald strichen spitzten wir die Ohren, bereit und zu verteidigen. Doch das Jaulen was wir hörten, hätten wir auch ohne zu lauschen gehört.

Wir mussten uns nicht absprechen und wie in einer Bewegung rannten wir den Ruf entgegen, bis dessen Wiederholungen sehr nahe waren und wir die Gerüche identifizieren konnten.
Es waren Rabe und Sichel. Ich zwängte mich in einen Busch, meine Familien tat es mir nach, und spähten hindurch.
An der Schlucht, die unser Territorium teilweise abgrenzte, stand Rabe. Vor ihm baute sich der mordlustige Sichel auf. "Sie hatten Recht! Du warst der Mörder!", erkannte der schwarze Wolf wimmernd. Sichel lachte. "Ja und sie haben mir vertraut. Weil sie alle naiv sind."

Ich schluckte bitter und wäre am liebsten aus meiner Deckung gesprungen, doch Sturm signalisierte uns, da auch Strudel sichtlich gerne angreifen würde, dass wir hier bleiben sollten.
"Ihr hattet recht.", sagte unser Vater plötzlich leise. "Ich hätte mich durchsetzten sollen und nicht so egoistisch sein sollen." Er sah uns abwechselnd an.
"Es ist ein Jammer, dass ich euch erst jetzt kennen lernen durfte. Ihr seid zwei tolle Welpen. Aber nun werde ich meinen Fehler wieder gut machen.", fuhr er fort und ehe ich seine Worte realisiert hatte, rannte er aus dem Gebüsch.

Ich wollte ihm nachrufen, doch dann hätte Sichel ihn bemerkt. Rabe konnte sich gerade noch zur Seite werfen, bevor Sturm Sichel rammte und in die Schlucht beförderte.
Es wäre ein Grund zur Freude gewesen. Die Reise hatte sich ausgezahlt, doch auch mein Vater fiel.

"Sturm!", schrie ich und stürzte aus meinen Versteck, zur Schlucht und blickte in sie.
Und dort sah ich seinen grauen, zerschellte Körper auf einen Felsen. Es war wie ein Biss ins Gesicht. Ich hatte nie meinen Tod gesehen, sondern Sturms!
"Ihr hattet recht!", wiederholte Rabe, doch keiner antwortete. Ich und Strudel sahen auf die Leiche. Wir waren ihm auf der Reise nahe gekommen. Er war ein offener, humorvoller Wolf, der seine Vergangenheit vergessen und nun wieder gut machen wollte.

Aber so? "Ich habe es gesehen.", gestand ich leise und sah Strudel an. Er brauchte einen Moment bis er es kapierte.
"Das heißt du stirbst nicht?", fragte er hoffnungsvoll und ich schüttelte den Kopf. Ich sah zurück zu Sturms Leiche und schluckte bitter.
Er war tot, doch er hatte sein Leben gegeben, um uns zu retten. Er war ein Held!

Die Tat des MondesWhere stories live. Discover now