Kapitel 13 - Ankommen

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Louis war sichtlich überrascht von meinem Einzug, aber er wirkte nicht unerfreut, als ich anfing meine Kisten auszupacken. Kisten, die ich seit nun etwa drei Jahren schon geschlossen mit mir führte. Ich hatte das Geschirr gekauft, weil ich irgendwann ankommen wollte. Und das war jetzt. Bevor also meine Kartons wieder irgendwo im Keller oder so landen würden, packte ich sie direkt aus. Es war ein riesiger Schritt für mich. Wenn ich jetzt wieder ausziehen wollte, müsste ich erst alles einpacken... Aber, das wollte ich ja auch nicht. Seltsam. Zum ersten Mal seit ich denken konnte, wollte ich kein Netz und doppelten Boden haben. Vielleicht musste es deshalb schnell gehen. Damit ich es mir nicht noch anders überlegte.

Am nächsten Tag arbeitete ich nur bis Mittags. Ich fühlte mich beflügelt und erwischte mich erstmals dabei, wie ich über den Asphalt tanzte, weil ich heute nicht überlegte, wo ich hin sollte. Ich ging nach Hause. Zu mir nach Hause. Bei Louis.

Vorher kaufte ich noch ein bisschen ein. Gewürze, Kräuter für die Fensterbank und all so etwas.

Zu Hause, welch ungewohnte Formulierung, kochte ich.

"Hallo?", Fragte seine Stimme irgendwann im Flur und irgendwie gluckste sie dabei. Ich musste lächeln. Er war wohl fast genau so froh wie ich, dass ich hier war. Froher sein als ich ging quasi nicht.

"Hi. Ich habe Essen gekocht. Wie war dein Tag?", Fragte ich fröhlich, eilte zu ihm und küsste ihn und entschwand dann wieder in die Küche, weil ich die Soße noch auf dem Herd hatte.

"Äh... Ganz gut und danke und so, aber hast du immernoch Urlaub?"
"Nein, aber ich musste heute nur den halben Tag los. Ich habe meine Stunden im Kalender eingetragen. Und deinen Dienstplan auch."
"Wow.", Sprach Louis und betrachtete den Tisch. Ich hatte Blumen drauf gestellt. Sah viel hübscher aus so. Ich glaube, Louis fand das auch. Er lächelte wieder so niedlich.

-

Wir wuchsen zusammen. Ich denke, das passiert, wenn man seine Kisten auspackt. Wenn man euch einfach gern ankommen möchte. Ich wollte es. So sehr.

Ich liebte es, diesen Jungen zu küssen. Das war immer noch seltsam. Ich war eben in eine Blase gezogen. Ein schwule Blase? Keine Ahnung. Jedenfalls mochte ich Louis' Oberkörper. Er ist war so flach. Bei Frauen hatte ich das immer nicht so geil gefunden. Aber zu Louis passte es? Bei Louis war es schön? Keine Ahnung. Ich versuchte mir über solche Sachen so wenig Gedanken wie möglich zu machen.

Wenn ich ihn küsste, ihn in meine Arme zog oder manchmal auch irgendwie in seinen lag, dann war daran irgendwie nichts schwul. Dann waren das einfach nur Louis und ich... Ging das? Es machte doch im Grunde keinen Unterschied? Louis war doch im Grunde, wie ein flachbrüstiges Mädchen, oder? Da war nichts krankes bei, oder?

Wenn ich die Wäsche wusch, betrachtete ich manchmal seine Unterwäsche. Sie war für Männer. Dann hörte ich sie wieder. Die Stimmen meiner Eltern und ich dachte darüber nach, was sie wohl tun würden, wenn sie wüssten, was ich hier tue.

Ich erinnere mich noch, wie ich damals Mal gesagt habe, ich würde gern auch Mal ein rosa Shirt tragen. Viele Jungs in der Schule taten es. Ich war so dumm gewesen. Dabei war das doch schon nach meinem 15. Geburtstag. Ich behauptete einige Tage, die Treppe runter gefallen zu sein. Und wusste wieder ganz genau: Ich war nicht schwul und durfte nichts tun oder tragen, was irgendwie schwul war.

Und deshalb verhielt ich mich auch jetzt nicht so. Wir gingen Mal essen, mal ins Kino. Wie zwei Kumpels das eben so taten. Ich meine, ich wusste, wie Schwuchteln waren. Die hielten die Hände immer so gebogen, spreizten immer den kleinen Finger ab und wollten jeden Kerl besteigen. Und die redeten wie Mädchen. Und tranken rosa Prosecco. Hab ich was vergessen? Weiß nicht.
Jedenfalls machten wir einfach, was wir wollten. Wir aßen und wir tranken, was uns schmeckte und ich gestikulierte mit den Händen wie immer schon. Und Louis machte das auch manchmal. Und wir redeten wie immer. Also waren wir doch im Grunde beide nicht schwul oder? Wir reden ja auch gar nicht übers schwul sein. Von außen merkte man es Louis nicht an und mir sowieso auch nicht. Also waren wir es nicht. Wir waren es beide nicht.

Dieser Fakt beruhigte mich ungemein. So sehr, dass ich manchmal sogar öffentlich nach seiner Hand griff oder ihm ein Küsschen gab. Es war nichts dabei. Immerhin waren wir beide nicht schwul.

Ich wollte erstmal nichts mehr von meinem alten Leben wissen. Ich ignorierte Taylors Anrufe und auch die Nachrichten. Ich konnte mir ihrer selbstlosen Trauer nicht umgehen. Würde sie mich beleidigen, ginge es mir besser. Würde sie versuchen mich fertig zu machen, könnte ich damit umgehen. Aber Taylor schrieb, dass ich doch meinen Inhalator brauche und dass ich meinen Arzttermin nächste Woche nicht vergessen solle. Der Terminzettel sei ja noch bei ihr. Ich hasste das. Als klar war, dass ich Asthmatiker bin, haben sich meine Eltern in Grund und Boden geschämt. Wir hielten es gemein. Es war schwächlich und nichts für einen Mann. Aber diese verdammte Atemnot... Jedenfalls mied ich alles, was damit zusammen hing. Es stand für alles was mit mir nicht richtig war und was ich nicht ändern konnte.

Ich schrieb ihr irgendwann genervt, sie solle die Sachen per Post schicken und schickte ihr meine neue Adresse. Meine neue Adresse mit Louis.

Ich war gemein und hatte ein schlechteste Gewissen. Taylor und ich waren ewig zusammen gewesen. Und nun traute ich mich nicht in ihre Nähe, weil ich mit ihrer Traurigkeit nicht umgehen konnte.
Taylor war immer sanft gewesen. Immer verständnisvoll und nie aufbrausend. Nie in all den Jahren. Dafür hatte sie einen extrem krassen Helferkomplex. Ich überlegte, ob sie vielleicht die ganze Zeit mehr gewusst hatte, als sie hatte wissen sollen.
Ich hatte immer aufgepasst. Es war unmännlich, sich vom Vater verdreschen zu lassen. Sagte passender Weise mein Vater. Das war ihm dann immer ein Grund nochmal zuzuschlagen.
Ich hatte es vor Taylor versteckt. Immer. Aber... Oft hatte ich den Eindruck, dass sie bei mir genau so falsch war, wie ich bei ihr. Aber dass sie bei mir blieb, weil sie Angst gehabt hatte, was passieren würde, wenn sie ging. Und jetzt stieß ich sie weg. Ich war ein Arsch.

Harrys Gedanken... Sind sie in Ansätzen nachvollziehbar, wie er auf seine Ideen kommt? Gebt mir gern Bescheid, dann kann ich es sonst noch ändern.
Bis später?
Viele Grüße ^⁠_⁠^

Nächte mit LouisWhere stories live. Discover now