Kapitel 23 - Familienthemen

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Ich hatte mir auf der Arbeit eine freie Wochen herausgearbeitet, während Louis im Krankenhaus gelegen hatte. Dafür hatte ich oft noch nach Feierabend da gesessen. Aber das war okay. Er war ja ohnehin nicht zu Hause. Ich las Dinge nach und verkroch mich so tief in Gesetzestexten, dass ich nicht einfach um eine bestimmte Uhrzeit den Stift fallen lassen konnte. Meine Arbeit machte mir Spaß und wenn ich voll drin steckte, dann wollte ich eben diesen oder jenen Gedankengang noch verfolgen. Aber eine Woche hielt ich mir komplett frei für meinen Engel.

Wir machten nur schöne Dinge. Eine Woche lang eine Art Erholungsurlaub zu Hause. Es war toll.

Louis begann zu Kochen. Kindergerichte. Zu erst hatte ich Angst, er hätte eine verdrehte Art mir zu sagen, er wäre schwanger. Dann fiel mir wieder ein, dass Männer nicht schwanger werden konnten und ich war sehr happy. Und Zucchini schmeckten als Piratenschiff viel besser, als wenn sie Würfel waren...

Arbeit war Arbeit. Manchmal fuhr ich nach Feierabend kurz bei meinen Eltern vorbei. Aber ich hielt es nicht lang aus dort. Die Gespräche, die Luft, ja selbst die Tapeten kotzten mich inzwischen an. Freitags ging ich direkt nach der Arbeit Fußball spielen. Sie vermissten mich. Fragten, wann ich mal wieder mit ihnen um die Häuser ziehen würde. Seit wann ich so eine Pussy wäre und ob ich mir ne Alte angelacht hätte. Niemand schien eine Antwort haben zu wollen, denn es wurden mehr und mehr Fragen gestellt, ohne eine Antwort abzuwarten. Vielleicht ging es nur darum, Optionen in den Raum zu werfen. Ich hasste es. Ähnlich wie bei meinen Eltern. Und doch stand ich jede Woche da, fragte mich, warum ich das tat und stand dann eine Woche später wieder da. Und immer so weiter.
Ansonsten genoss ich einfach meine Zeit mit meinem Louis. Nirgends könnte ich glücklicher sein, als bei ihm und mit ihm. Und, zugegeben, in ihm. Liebe war toll und ich liebte nichts mehr als meinen Louis.

Und dann kam sie in die Kanzlei. Olivia Wilde. Und sie wollte mich. Mein erstes wichtiges Mandat. Meins. Nicht zuarbeitender Anfänger, sondern meine Chance. Die durfte ich nicht vergeigen. Ich arbeitete länger, fuchste mich voll rein. Selbst Nachts hatte ich Präzedenzfälle im Kopf und ritt über Paragraphen.

Ich merkte, dass ich ständig davon redete, aber es beschäftigte mich eben über alle Maßen. Meine Eltern meinten, dass Rechtsverdreher wie ich alle kriminell wären, aber immerhin würde ich ja gut verdienen dabei und ich sei Dank ihnen ein guter Junge. Meine Kumpels juckte das kein bisschen. Die wären glücklicher, ich wäre Automechatroniker und sie könnten mir ihre Karre umsonst in die Garage stellen. Und Louis? Ich wusste nie, ob er mir überhaupt zu hörte. Er redete einfach von etwas anderem, wenn ich nur Mal Luft holte. Wenn ich nach einer Einschätzung fragte, kam nur ein Gezischtes: "Ich durfte nicht arbeiten gehen, also lass mich mit deiner auch in Ruhe." Ich versuchte weniger davon zu sprechen. Auch wenn es mir schwer viel, weil es eben meine Chance war.

-

"Meine Familie möchte übrigens gern Mal vorbei kommen.", Fuhr er mir über den Mund, als ich gerade von der Entführung Minderjährigen durch ein Elternteil berichtete.

"Was?", Fragte ich perplex. Das Thema beschäftigte mich, weil ich es grausam fand.

"Familie. Ich bin ja nicht vom Himmel gefallen.", Brummte Louis, als wäre ich ziemlich dumm.
"Äh... Sind die okay mit dir?", Fragte ich und drängte meine Gedanken an entführte Kinder zurück.

"Naja, sie haben mich bei der Geburt nicht ausgesucht, aber wir verstehen uns. Sehen uns eben nur selten."
"Bisher hast du sie nie groß erwähnt."
"Naja, ich war ja ein paar Mal da. Und während des Umzugs und Krankenhausaufenthalts und so hatte ich da nicht wirklich viel Nerv zu. Wieso? Ist das ein Problem?"
"Was sagen wir denen denn?", Fragte ich. Immerhin waren das seine Eltern und wir lebten als zwei Männer zusammen. Ich wollte nicht, dass sie ihn irgendwie doof behandelten oder so.

"Äh... Hallo? Oder vielleicht ganz verwegen Hi?"
"Ich meine... Weil wir zusammen sind."
"Sie wissen doch, dass ich einen Freund habe.", Erwiderte Louis ungeduldig.

"Äh... Und die stört das nicht?"
"Wieso sollte es?"
"Äh... Naja... Also... Weil wir beide Kerle sind? Wir können sonst auch sagen, dass das hier eine WG ist."
"Versuchs.", Grinste er breit. Ich fühlte mich verarscht und wusste nicht einmal wie genau...

-

Im Nachhinein konnte ich gar nicht mehr sagen, was ich eigentlich erwartet hatte. Aber das nicht. Dass Louis aus einer großen Familie stammte, wusste ich. Aber dass seine Mutter mich direkt in die Arme nehmen und küssen würde nicht. Ich verfiel förmlich in Schockstarre. Wann hatte mir meine eigene Mutter zuletzt einen Kuss auf die Wange gedrückt? Keine Ahnung. Zur Einschulung oder so?

"Hi!", Grüßte..  Gott, es waren so viele. Aber es schien die Älteste zu sein und zog mich dann einmal mit Blicken aus.

"Heiß.", Kommentierte sie augenbrauenwackelnd und schloss Louis in die Arme. Meinte die mich?!

"Danke.", Grinste der und ich stammelte Begrüßungen zu den anderen. Toll. Danke, Louis.

"Seit wann seid ihr zusammen?", Fragte die Älteste, Lotti, mich. Ich war völlig perplex. Plötzlich war es so laut im Haus und alle wussten es und sprachen offen darüber und fragten auch noch Sachen. Und die schienen ja ohnehin sehr genau zu wissen, dass wir zusammen waren.

"Äh... Schon länger.", Stammelte ich. Es war jetzt ein Jahr und drei Monate. Zu jedem Monatstag legte ich Louis eine Schokolade in Herzform auf den Frühstücksteller. Aber ich wollte das nicht einfach so erzählen. Es war so... Intim.

"Und, wie ist Lou so, wenn man freiwillig mit ihm zusammen wohnt? Früher war er super unordentlich."
"Äh...."
"Mama meinte immer: später könnt ihr euch aussuchen, mit wem ihr zusammen wohnt. Also? Was ist deine Entschuldigung?"
"Äääh..."
"Dachte ich mir.", Grinste Lotti, während ich nur überfordert blinzelte.

"Du kannst denken?", Ätzte ein Zwilling und lachte sich danach kaputt.
"Es ist ein Wunder bei dem geistigen Müll, den ihr immer so absondert. Aber ja."
"Ich hasse Äpfel...", Murmelte... der gleiche Zwilling? Ich war mir nicht sicher. Vielleicht war es auch der andere? Die bewegten sich alle durcheinander....

Die Mutter stellte Apfelstücke und Vollkornkekse und noch irgendwas, dass ich nicht kannte auf den Tisch. Und irgendwie machten die dann etwas sehr komisches. Irgendwie zankten sie. Aber nicht wie die Jungs vom Fußball. Tomlinson-Zank war irgendwie liebevoller Zank. Sie lachten dabei und es war deutlich, dass sie sich mochten. Ich gönnte es Louis von Herzen so eine Familie zu haben. Aber..  ich hätte auch gern Geschwister gehabt oder eine Mutter, die einen in den Arm nimmt und Vollkornkekse und Apfelstücke und das andere da mitbrachte...
Selten habe ich mich so einsam gefühlt, wie in dem Moment.

Sooo, das Kapitel Mal aus Harrys Sicht. Wie gefallen euch die Charaktere hier?
Bis dann.
Viele Grüße ^⁠_⁠^

Nächte mit LouisWhere stories live. Discover now