Die Dachterrasse

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Um Punkt zehn Uhr stand ich vor dem Café bereit für ein weiteres Date an diesem Tag.
Anders als am Vormittag war ich diesmal aber wirklich bereit und auch nur ein bisschen nervös, denn wirklich gut kannte ich Ryan nach wie vor nicht und immer noch plagten mich Ängste und Zweifel.

Zu alledem wusste ich nicht, wie Ryan auf den Ort reagieren würde, an dem ich ihn führen wollte. Es konnte entweder wunderschön oder das reinste Desaster werden - in meinen Augen gab es nichts dazwischen.

»Mal wieder bin ich zu spät - eine Schande so eine wunderschöne Lady warten zu lassen. Aber hey! Ich habe eine gute Entschuldigung dafür!« Hinter seinem Rücken zog er einen kleinen Strauß bunter Schnittblumen hervor und streckte ihn mir hin. »Ich hoffe, dass das nicht zu schmalzig wirkt, aber ich hätte es vorhin schon tun sollen...«
»Alles andere als das, Ryan! Danke, sie sind wunderschön - ich freue mich wirklich sehr«, sagte ich mich wirklich aus tiefsten Herzen freuend und nahm den Strauß lächelnd entgegen.

»Wohin entführst du mich jetzt«, fragte er neugierig nachdem ich meine Blumen beschnupperte, denn mein Plan war nach wie vor ein gut gehütetes Geheimnis.
»Das verrate ich noch nicht! Du musst mir vertrauen und mitkommen.« Entschlossen stapfte ich los und ohne zu zögern stapfte mein Date hinterher - was anderes blieb ihm aber auch nicht übrig!

Ein zehnminütiger Marsch durch die New Yorker Dunkelheit brachte uns an unser Ziel.
Ich blieb vor einem luxuriösen Apartmentkomplex stehen, was bei Ryan für Stirnrunzeln sorgte.
Ich schmunzelte über Ryans ungewohnte Unsicherheit, welche mir sonst immer im Gesicht stand.

Selbstbewusst suchte ich die Hintertür des Hauses auf, um den dort geforderten Code ins elektronische Schloss einzugeben und die Tür aufzustoßen.

»Das ist aber schon legal, oder?«, äußerte Ryan mit berechtigtem Zweifel und blieb für einen Moment stehen.
Eine Antwort erhielt er von mir nicht. Wortlos trat ich ins dunkle Treppenhaus ein und tastete mich am Treppengeländer der Fluchttreppe entlang, solange bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten und ich die restlichen Stufen selbstbewusster nehmen konnte.

Ryan huschte mir dicht gefolgt hinterher bis nach ganz oben, wo ich wieder eine Tür aufstieß und wir uns auf dem Dach des Hauses wiederfanden.

»Voilà - wir sind da«, sagte ich ein wenig außer Atem und präsentierte mit einer großen Handbewegung die Dachterrasse.

»Interessant...« Etwas verwundert versuchte Ryan meine Begeisterung zu teilen, aber noch schien er nicht ganz zu verstehen.
»Lass uns darüber gehen«, wies ich ihn an und deutete auf zwei Liegestühle, welche am anderen Ende der Terrasse standen.

»Du musst es mir erklären«, sagte er nachdem er sich auf den Liegestuhl mir gegenüber setzte, sein intensiven Blick aber nicht von mir abwendete.

»Es ist ein Ort an dem ich mich Wohl fühle und uns keiner stört...«, gab ich träumerisch zu und entfloh mal wieder seinem durchdringenden Blick, der nach wie vor nicht von mir wich.
»Verstehe. Aber wie bist du auf diesen Ort gestoßen - wir dürfen doch hier sein, oder?«, fragte er wieder, um sich zu vergewissern, dass wir auch ja keine Probleme hätten bekommen können.

»Nein, Ryan, wir dürften hier eigentlich gar nicht sein und wenn der Wachmann uns erwischt, bekommen wir wirklich großen Ärger.« Ich sah ihn mit ernster Miene an. »Eigentlich bin ich schon immer eine Gesetzlose und breche regelmäßig in Häuser ein.«
Ryan war die Angst ins Gesicht geschrieben, weshalb ich meine Lüge nicht mehr weiterspinnen konnte und stattdessen in schallendem Gelächter ausbrach.

»War doch nur ein Spaß! Ich hab hier gewohnt und noch dazu ist das das Haus meiner Eltern - du brauchst also keinerlei Sorgen haben«, beruhigte ich ihn mit einem lauten Lachen. »Entschuldige, aber du hättest mal dein Gesicht sehen müssen!«

I never thoughtWhere stories live. Discover now