Nachts im Museum

6 2 1
                                    

Nach dem letzten Date, welches hinterher als komplettes Desaster endete, wollte Ryan es wieder gutmachen.

Es war schon spät in der Nacht und zu meiner Überraschung war New York heute nicht ganz so belebt, wie ich es sonst kannte.
Eine typische verregnete Donnerstagnacht halt...

Schützend hielt Ryan einen Regenschirm über mich, als wir vor dem mächtigen Gebäude halt machten.

»Das Naturkundemuseum?«, fragte ich irritiert, denn ich wusste nicht, was wir hier wollten. »Das ist doch schon längst geschlossen!«
»Nicht für uns«, sagte er geheimnisvoll und ehe ich mich versah, zog er mich auch schon die mächtigen Steinstufen nach oben zum Eingang.

Vorsichtig klopfte er einen Rhythmus gegen die Tür, woraufhin diese sich einen Spalt öffnete ein ein klein gewachsener Wachmann den Kopf hinaus steckte.

»Ryan!«, begrüßte er meinen Freund und schritt zur Seite, um uns rein zu lassen.
Erst jetzt fielen die Männer sich in die Arme und klopften sich auf den Rücken.
»Gut, siehst du aus!«, sagte nun Ryan zu dem Mann.

»Und das ist deine bezaubernde Lexi?« Er wandte sich mir zu und gab mir seine Hand.
»Die ist ja viel hübscher, als du sagtest«, flüsterte er hörbar laut zu Ryan, woraufhin wir alle Lachen mussten.

»Dann mal viel Spaß Nachts im Museum.« Mit einer mystischen Handbewegung verließ der kleine Wachmann uns im Rückwärtsgang und fing an, seine übliche Runde zu drehen.

»Jetzt musst du mir erklären, was wir hier machen?!« Begeistert blinzelte ich ihn an.
»Mir ist nicht entgangen, dass du dich für all das hier interessierst.« Er zeigte mit einer großen Geste durch den ganzen Raum. »Und da wir beide wissen, dass es hier sonst nur so von Menschen wimmelt und man sich die unzähligen Exponate nicht in Ruhe ansehen kann, habe ich den besten Zeitpunkt rausgesucht, um mit dir das Museum zu besichtigen.«
»Aber wie?!« Aufgeregt wie ein kleines Mädchen an Weihnachten quietschte ich auf.
»Sagen wir mal so: Mir schuldete jemand noch einen Gefallen...«

Ryan hatte recht!
Das American Museum of Natural History faszinierte mich schon seit meiner Kindheit. Unzählige Male war ich schon in den Ausstellungsräumen verschwunden und auf Entdeckungsreise gegangen.
Und leider musste ich Ryan auch darin recht geben, dass sich eine entspannte Entdeckungstour durch das riesige Museum als schier unmöglich gestaltete - sofern man so wie alle anderen Besucher am Tag dort war.

Ich konnte es noch immer nicht fassen, dass Ryan mich wirklich an diesen Ort brachte - lange nach der Öffnungszeit.
Schon immer hatte ich davon geträumt diesen wunderbaren Ort für mich alleine zu haben.
In meinen Träumen habe ich dort gelebt und ich konnte all die ganzen wunderbaren Ausstellungsstücke von morgens bis abends bewundern.

»Früher wollte ich immer Archäologie studieren«, gab ich ganz verträumt von mir, als wir gerade das riesige Skelett eines Dinosauriers bewunderten.
»Und warum hast du's nicht getan?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Wahrscheinlich wegen meiner Mutter. Vielleicht auch wegen Mason.«
»Also was hätte denn deine Mutter gegen eine Tochter, die sich der Wissenschaft verschreibt?«
Ich drehte mich zu ihm um und sagte amüsiert: »Eine Lady wühlt nicht im Dreck. Außerdem kann diese Frau nichts mit alledem hier anfangen. Mein Vater hat mich früher immer hier mit hingenommen.«
»Dein Vater also, deinen Erzählungen nach, hätte ich ihn nicht für den Christoph Kolumbus der Familie gehalten.«
»Oh doch, das ist er wahrlich - tief im Herzen auf jeden Fall. Wenn man ihn gefragt hätte, dann hätten wir das ganze Jahr über die verschiedenen Kontinente entdeckt, wären mit einem Boot um die Welt gesegelt und hätten eine wilde Safaritour durch den Dschungel gemacht. Wir wären den Mount Everest bestiegen und mit Haien geschwommen und das Abendessen hätten wir uns dann mit wilden Löwen in der Savanne geteilt.«
Bei diesen Erinnerungen funkelten meine Augen. Das wäre ein schönes Leben gewesen.

I never thoughtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt