Verrat

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Erst als die erste Woche zurück in New York verstrich, wusste ich, dass ich etwas ändern musste.
Wenn Ryan auf der Arbeit war, langweilte ich mich den ganzen Tag auf dem Sofa und zählte schon krankhaft die Minuten bis der Mensch durch die Tür trat, den ich am meisten liebte.
Dazu kam noch die ständige Angst, welche sich wie eine dunkle Wolke über meine Gedanken gehängt hat, dass Ryan von einem Einsatz nicht mehr zurück käme, die mich fast zum durchdrehen brachte.

»Ich muss mich beschäftigen!«, sagte ich mit fester Stimme eines schönen Nachmittags auf meiner Terrasse in den New Yorker August.
Sofort griff ich nach meinem Handy und schrieb Holly.

Hey..
die letzten Wochen waren viel für uns - nicht wahr?
Wie wäre es mit einem Treffen im Lux - jetzt gleich?
XOXO

Ich wusste, dass meine Nachricht sehr gewagt war, aber Holly hielt nichts von langem drum herum Gerede und deshalb war das der beste Weg, um mich mit meiner besten Freundin zu versöhnen - ein leckeres Stück Kuchen in unserem Lieblingscafé und schonungslose Ehrlichkeit.

Ich musste nicht einmal zehn Minuten warten, da klingelte mein Handy schon und ich sah ihren Namen auf meinem Display.

»Meinst du das ernst?«, fragte sie ein wenig erstaunt über meine Nachricht, ohne jegliche Begrüßung.
»Natürlich, Holly. Ich bin dir so einiges schuldig und...«
Sie unterbrach mich.
»Das ist aber nicht irgendsoeine Idee von Ryan, welche sich dann als Falle entpuppt oder?«
»Gott, Holly! Für wen hältst du mich?« Über die Bemerkung über Ryan konnte ich geradeso noch hinwegsehen, denn ich wusste, wenn ich jetzt erneut damit anfangen würde, würde das wieder ausarten und da ich einfach mit meiner Freundin etwas Spaß haben wollte, hielt ich meinen Mund, auch wenn ich ihr die Bemerkung ein wenig übel nahm.

»Na schön - bin in zehn Minuten im Lux.«
Ich wusste nicht ganz, wie ich ihre Worte zu deuten hatte. War sie noch immer wütend auf mich? Immerhin klang in ihrer Stimme die ganze Zeit so etwas wie Missgunst mit.

Dass sie sich erst selber überreden musste mit mir ins Café zu gehen, war mir klar, aber war sie wirklich immer noch so verletzt gewesen?

Typisch Holly war sie natürlich zu spät gewesen und aus ihren zehn Minuten, wurden schnell zwanzig. Da ich es aber nicht anders von ihr kannte, blieb ich ganz ruhig in der hintersten Ecke im kleinen Café sitzen und beobachtete die vorbeigehenden Passanten.

»Hi, wie geht es dir? Dich habe ich ja super lang nicht mehr hier gesehen!«, begrüßte mich meine Lieblingskellnerin Mabel mit einem Lächeln.
»Viel zu tun gehabt. Aber schön endlich wieder hier zu sein.«
»Hat Holly erzählt. Kommt sie denn auch noch?«
»Ja, gleich.«

Auch wenn ich Mabel echt gut leiden konnte, ging mir ihre anhaltende Neugier auf die Nerven. Holly nannte sie stets eine Heuchlerin, denn sie traute ihrer permanenten gute Laune nicht. Ich hingegen kaufte ihr jedes ihrer Lächeln ab, welche weder perfekt waren noch immer angebracht.

Auch wenn ihre Zähne schief, die weißblonden Haare wie Spaghetti von ihrem Kopf hingen, ihr Pony unordentlich geschnitten, die Nase etwas zu Groß für die schmalen Lippen und kleinen Augen und ihr Körper sehr schlaksig und ohne jegliche Rundungen war, war diese Frau eine Erscheinung! Ihr selbstbewusstes Auftreten war das, was die junge Frau attraktiv machte, auch wenn sie auf dem ersten Blick nicht sonderlich hübsch wirkte.

Das verunsicherte Holly - das wusste ich ganz genau! Holly war ebenfalls eine Erscheinung, aber das musste sie nicht beweisen, denn sie war in jeglicher Hinsicht attraktiv - der Traum von vielen Männern mit ihren langen blonden Haaren, der unglaublichen Taille mit den schönen Rundungen, dem Schmollmund, den perfekten Zähnen, der kleinen Stupsnase und den großen, wachen eisblauen Augen.
Mabel hatte aber dieses Strahlen, was Holly jedes Mal in den Schatten stellte und wodurch Holly sich eingeschüchtert fühlte. 

I never thoughtWhere stories live. Discover now