Kapitel 48

1.2K 44 1
                                    

Ich war auf den Fluren der Woodstone Academy unterwegs. Ich dachte an das Ende des letzten Semesters. Damals fühlte ich mich ungesehen. Unsichtbar. Auch jetzt schenkte mir kaum jemand Beachtung, abgesehen von den wenigen Klatschtanten, die spekulierten, warum Damian und meine Beziehung in die Brüche ging. In ein paar Tagen werden sie es erfahren und ich fürchtete mich davor. Doch im Gegensatz zum letzten Semester fühlte ich mich nun anders. Nicht mehr ungesehen.

„Hey Fremde.“

Etwas unbehaglich fuhr ich zu der bekannten Stimme herum.

„Damian“ hauchte ich atemlos.

„Ich würde gern ein Stück mit dir gehen.“

Ich nickte schließlich, auch wenn mir bei dem Gedanken daran unwohl war. Eine Weile liefen wir still nebeneinander her und diese Stille brachte mich beinahe um.

„Es gibt da etwas …“

Bevor ich meinen Satz zu Ende führen konnte, erhob der Dunkelhaarige unterbrechend die Hände.

„Ich will dir danken.“

Etwas perplex blinzelte ich mit den Augen. Ich hätte mit allem gerechnet, doch damit nicht.

„Nathan und ich hatten gestern ein Gespräch.“

Etwas verlegen tätschelte seine Hand seinen Hinterkopf.

„Wir waren wohl beide keine besonders guten Brüder füreinander.“

„Doch erst seitdem ich zwischen euch kam.“

Bestimmt schüttelte mein Begleiter den Kopf.

„Nathan hatte mich immer beschützt vor den Ansprüchen meines Vaters. Ich wusste das und habe es dennoch zugelassen. Einfach, weil ich diesen Traum habe.“

Ich wusste, dass er von Eishockey sprach. Seine Augen glänzten dann immer so.

„Wenn es heißt Nathan oder Eishockey, dann werde ich in Zukunft immer ihn wählen.“

Ich musste Schmunzeln bei der Anspielung an unsere Trennung.

„Ich will dir dafür danken, dass du uns beide so maßgeblich verändert hast.“

Seine Worte waren so bedeutungsvoll, dass mein Herz dabei aufging, auch wenn ich der festen Überzeugung war, gar nichts getan zu haben. Ich nickte schließlich nur.

„Und was wolltest du mir sagen?“

Es spannte sich jeder Muskel in meinem Körper an, denn ich hatte keine Ahnung, wie er auf Folgendes reagieren wird. Etwas ängstlich blickte ich zu ihm auf.

„Ethan und ich, wir sind zusammen.“

„Oh.“

In seinen Augen sah ich, dass sein Herz noch immer an mir hing. Gleichauf setzte er dennoch ein Lächeln auf.

„Ich denke, dann wird es dich freuen, dass Nathan nicht vorhat, Ethan bei dem Scout schlechtzumachen.“

Etwas erleichtert ließ ich jegliche Luft aus meinen Lungen. Diese Frage hatte mich schon eine Weile beschäftigt.

„Danke“, hauchte ich ihm entgegen.

Wir waren stehen geblieben, mitten auf dem Gang.

„Dann ist das jetzt wohl der Abschied.“

Ich nickte melancholisch. Wir werden uns noch immer auf den Fluren sehen und vielleicht sogar miteinander reden, um zu hören, wie es dem anderen geht, doch es wird nie so sein wie früher. Mit einem leichten Grinsen drehten wir einander den Rücken zu und gingen unseren Weg.
Was mich betraf ein sehr kurzer Weg, denn jemand zog mich in einen der anliegenden Räume. Als ich hinaufblickte, um zu sehen, wer so ungeniert seine Hände um meinen Körper schlang, entdeckte ich Ethan, der mich eindringlich musterte.

„Ich will wirklich nicht den eifersüchtigen Freund spielen, doch ich bin der eifersüchtige Freund und will wissen, worüber du und Damian gerade geredet habt.“

Ich musste schmunzeln, denn ich hätte früher niemals vermutet, dass Ethan ein eifersüchtiger Typ wäre.

„Es war ein Abschied.“

„Ein Abschied?“

Ich nickte bedeutungsvoll.

„Damian hat mir auch erzählt, dass Nathan nicht vorhat, dich bei dem Scout schlecht zu machen.“

Ich hörte, wie er erleichtert jegliche Luft aus seinen Lungen ließ. Es hat ihn in den vergangenen Tagen mehr beschäftigt, als er es zugab.

„Aber all das hätte ich dir auch da draußen erzählen können.“

Ich zeigte auf die Tür und trat gleichzeitig darauf zu. Doch ehe ich verschwinden konnte, zog mich der Dunkelhaarige zurück. Ich blickte wieder auf in seine verzerrenden Augen, die amüsiert studierten, wie überrascht ich war. Seine Hand legte sich meinen Nacken.

„Da hätte ich nicht das hier tun können.“

Er küsste mich und riss mich mit sich.

„Und das hier.“

Seine Hände gingen auf Wanderschaft, während mein Körper unter jeder seiner Berührung schwächer und schwächer wurde. Ich fragte, wie wir je damit aufhören sollten. Kurz bevor alles sich verselbstständigen wollte, begann Ethans Handy zu klingeln. Ich spürte, dass er nicht gewillt war, das zwischen uns zu beenden, also löste ich mich von ihm.

„Du solltest vielleicht rangehen.“

Frustriert schaute er drein.

„Ich werde es ausschalten.“

Der Dunkelhaarige zog sein Handy aus der Hosentasche. Das Lächeln, das er gerade noch trug, fiel weit hinab, als er den Bildschirm entdeckte.

„Es ist mein Vater“ hauchte er.

„Geh ran“ drängte ich ihn.

Ethan ging auf den grünen Hörer und an seinem Blick konnte ich erkennen, dass es nichts Gutes verhieß.

„Ist gut“, raunte er noch, bevor er auflegte. Erwartungsvoll starrte ich ihn an, seine Sicht noch immer auf dem Handy gefangen, als könnte er nicht glauben, was er gerade gehört hat.

„Meinem Vater geht es nicht gut. Wir sollen nach Hause kommen.“

Woodstone Academy Where stories live. Discover now