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POV Ushijima
"Und deine Mom kommt jeden Samstag?" Fragte Tendou, während er das letzte Stück von dem Kuchen verputzte, den er vor ein paar Tagen gebacken hatte. Ich nickte. "Ja." Der Rotschopf legte den Kopf schief. "Hää? Aber man hat sich doch nicht jede Woche was zu erzählen." Ich nickte erneut. "Stimmt." Ich betrachtete meinen Kaffee. "Aber darum geht es auch gar nicht. Es ist eher..." Ich suchte nach den passenden Worten. "Als würden wir uns gegenseitig die Zeit tot schlagen. Die Besuche sind ein Zeitvertreib für sie, um wenigstens etwas Zeit nicht in der Nähe von Vater sein zu müssen." Erklärte ich. Tendou wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. "Hm. Verstehe." Er winkelte ein Bein an und umkreiste mit den Zeigefinger den Rand seiner Tasse. "Dein Vater schränkt euch echt ein, oder?" Fragte er. Ich überlegte kurz. "Mich eher nicht. Ich bin schließlich so aufgewachsen. Es ist normal für mich, so zu leben. Er hat mich so erzogen, mein Leben lang." Ein Schatten legte sich über meine Augen, beim Gedanken an meine Mutter. "Mama geht jedoch in seiner Nähe ein, wie eine Blume ohne Sonnenlicht." Tendou sah mich verständnislos an. "Wie eine Blume?" Ich nickte. "Du wirst es verstehen, wenn du sie siehst." Meinte ich und räumte das Geschirr ab. "Hmm na gut." Er streckte sich und stand auf.
Nicht viel später klingelte es. Ich lief zur Tür, um aufzumachen und merkte, wie Tendou mir dabei über die Schulter spähte. "Hallo Mama." Begrüßte ich die magere Frau in der Tür. Sie lächelte müde. "Hallo mein Kleiner." Sie strich mir über die Wange und erst dann viel ihr Blick auf Tendou, der neugierig hinter mir stand. "Oh du hast Besuch?" Fragte sie und lächelte höflich. Ich trat einen Schritt beiseite. "Das ist Satori Tendou. Er ist Künstler und wir haben uns an der Uni kennengelernt, als er auf dem Campus nach Leuten für eine WG gesucht hat." Log ich. Meine Mutter sah wieder zu mir. Besorgnis war in ihre Augen getreten. "Eine WG? Bist du sicher?" Ich wusste worauf sie hinaus wollte und nickte. "So spare ich mir die Hälfte der Miete." Meine Mutter war stets besorgt um mich, wenn ich etwas tat, was Vater vorher so nicht abgesegnet hatte. Ich wusste, dass sie mich nur vor seiner Prügel beschützen wollte, aber wann immer sie das tat, sah sie mich mit diesem ängstlichen Blick an. "Sei vorsichtig, mein Kleiner." Murmelte sie und sah dann gezwungen lächelnd zurück zu Tendou. "Entschuldigung. Ich habe mich noch gar nicht richtig vorgestellt. Mein Name ist Midori Ushijima. Wakatoshis Mutter. Es freut mich sie kennenzulernen." Sagte sie, als hätte die diesen Satz einstudiert. Tendou grinste entspannt. "Die Freude ist ganz meinerseits." Dann warf er mir einen belustigten Blick zu. "Sie haben da einen ganz wunderbaren Sohn." Er grinste eine Spur breiter und nahm charmant die Hand meiner Mutter. "Aber wie sollte es auch anders sein, bei einer so bezaubernden Mutter, wie sie es sind." Sagte er. Meine Mutter, nicht wissend wie ihr geschah, stand verdutzt da und sah den Rothaarigen mit großen Augen an. Dann geschah etwas, wovon ich nicht gedacht hätte, es zu meinen Lebzeiten noch erleben zu dürfen. Sie verzerrte ihr Gesicht erst zu einem Lächeln und dann zu einem Lachen. Meine Mutter lachte. Und diesmal nicht gekünstelt. Es war ein liebliches, mädchenhaftes Lachen, das gar nicht zu ihrem Alter passte. Sie ist eine wirklich schöne Frau. Früher hatte sie bestimmt viele Verehrer... Dachte ich, während ich sie betrachtete. Ihr Lachen ebbte langsam ab und sie schenkte Tendou ein belustigtes Schmunzeln. "Sie sind mir ja ein Charmeur. Ich und bezaubernd?" Sie strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. "Aber es tat gut, mal wieder ein Kompliment zu bekommen. Ich hatte schon ganz vergessen, wie sich das anfühlt." Sie lächelte ihn freundlich an und Tendou grinste. "Sie müssen mich übrigens nicht Siezen. Du reicht völlig aus." Mama nickte. "In Ordnung, dann nehmen wir Du." Antwortete sie und zog dann ihre Jacke aus.
Was ist hier gerade passiert? Fragte ich mich und ging in die Küche. "Möchtet ihr was trinken?" Fragte ich über die Schulter und bekam ein doppeltes Ja zurück. Wie macht er das? Sobald er einen Raum betritt, erfüllt er ihn mit Leben. Tendou ist wirklich beeindruckend. Dachte ich und goss Wasser in 3 Gläser. Vorsichtig balancierte ich sie zu den anderen beiden zurück und setzte mich zu ihnen.
Tendou musste etwas lustiges gesagt haben, denn Mama lachte schon wieder. Vielleicht... Ein leiser Gedanke huschte durch meinen Kopf. Ganz vielleicht könnte er... Ich verscheute den Gedanken schnell.
Der restliche Tag war angenehm. Einmal hatte ich mitbekommen, wie meine Mutter gefragt hatte, ob Tendou nicht für immer bei mir bleiben oder sich nicht was mit mir vorstellen könne. Er hatte nur scherzend darauf geantwortet, dass ihr Wunsch sein Befehl sei. Ich hatte daraufhin so getan, als ob ich nichts gehört hätte und mich still wieder zu ihnen gesellt.
Ein anderes Mal, als Tendou auf Toilette gegangen war hatte meine Mutter meine Hände in ihre genommen und mich liebevoll angelächelt. "Du hast da wirklich einen guten Freund gefunden, mein Kleiner. Pass nur auf, dass du ihn nicht verlierst." Ich nickte nur. "Er tut dir wirklich gut. Ich kann es in deinen Augen sehen. Die Art, wie du ihn ansiehst. Voller Bewunderung und Sypathie. Als würde er dich ergänzen." Sie strich mir über den Kopf und ich beobachtete ihre Gesichtszüge. So sollte sie immer aussehen. Glücklich und nicht bedrückt wie sonst immer...
"Wieso hast du ihn geheiratet? Wieso hast du dir das angetan?" Fragte ich zum bestimmt tausendsten Mal. Ihr Lächeln nahm etwas Trübes an. "Du kennst die Antwort doch, mein Kleiner." Entschlossen nahm ich ihre Hand an meiner Wange. "Die Antwort schon, die Wahrheit aber nicht." Sagte ich und sie seufzte. "Ich dachte ich könnte ihn retten. Ich war jung und verträumt und er hatte Geld, sah gut aus. Das hat mir imponiert und er brauchte eine Frau zum Vorzeigen. Ich dachte ich könnte ihn vor seinem Starrsinn, vor seinem Arbeitswahn retten, aber ohne es zu merken, hat mich sein Wesen verschlungen." Ihre Augen wurden glasig. "Und als ich mit dir dann schwanger wurde, glaubte ich eine zweite Chance zu bekommen. Doch dein Vater hat dich von mir isoliert und ich konnte nur noch hoffen, dass du von selbst gegen ihn bestehen kannst." Jetzt brach sie wirklich in Tränen aus. So hatte ich sie noch nie gesehen. "Es tut mir so leid mein Kleiner. Ich hab dir so viel aufgebürdet und einfach auf dich abgeschoben, was ich nicht geschafft habe." Sie schniefte und ich wischte ihr sanft die Tränen weg. "Ist schon gut Mama." Sagte ich und blinzelte ruhig. Dann umklammerte sie meine Hände. "Bitte. Bitte reiß dich irgendwie los von ihm. Ich bitte dich. Ich will nicht mit ansehen müssen, wie mein eigener Sohn wegen meiner Dummheit ein so tristes Leben führen muss." Ich nahm sie in den Arm, während sie noch eine Weile weiter etwas von Entschuldigungen brabbelte und weinte. "Beruhige dich Mama." Sagte ich.
Ich tätschelte ihr den Rücken und horchte in mein Inneres. Es war alles ruhig und gelangweilt. So wie immer. 
Als die Tür klingelte, zuckte meine Mutter heftig zusammen und bevor ich reagieren konnte, stand Tendou schon da und öffnete. "Guten-"
"Wakatoshi." 
Ein eiskalter Schatten legte sich über mein Herz...

Ein einfacher Passant [Ushiten]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt