6

577 48 2
                                    

POV Ushijima
Am Abend saß ich in meinen Wohnzimmer und beschnitt eine meiner Pflanzen. Wieso er wohl denkt, ich sei cool? Er hat etwas an mir gefunden, dass er cool findet? Ich wüsste gern, was das ist. Ich drehte den Blumentopf etwas und schnitt die verwelkten Blätter ab. Hm... Ich frage mich, ob er in der Anstalt die Wahrheit gesagt hat. Jedoch würde man wohl auch kaum zugeben ein Mörder zu sein, oder? Das ist verwirrend. Ich seufzte, goss die Pflanze und stellte sie zurück auf die Fensterbank. So oder so war er sehr nett. Und ist es da nicht egal, ob er andere Menschen umgebracht hat oder nicht? Darf man einen Mörder mögen und nett finden? Hmm... Grübelnd starrte ich den Himmel an. Nehmen wir einmal an, er wäre all das, was sein Pfleger mir erzählt hat... Würde das irgendetwas daran ändern, dass mein Tag heute gut war? Ich horchte in mich hinein, doch alles blieb ruhig. Nein. Würde es nicht. Ich kannte keines seiner vermeintlichen Opfer und hatte keine Beziehungen zu ihnen. Wieso sollte mich das also kümmern? Ich betrachtete meine Hand. Und wenn er meine Mutter töten würde? Ob ich ihn wohl hassen würde? Über diese Frage musste ich länger nachdenken. Wohl eher nicht. Ich glaube ich wäre sogar froh... So könnte sie wenigstens Vater entkommen. Sie wäre dann frei... Ich drehte mich um und ging in die Küche. Ich trank ein Glas Wasser und starrte an die Wand.
In den nächsten Wochen, gliederte sich der Besuch in der Anstalt nahtlos in meinen Alltag ein. An drei von sieben Tagen, besuchte ich Tendou und unterhielt mich über mehrere Stunden hinweg mit ihm. Die Psychiater zeichneten alles auf und versuchten anhand der Auswertungen, mehr über den Rothaarigen herauszufinden. Jedoch sprachen wir nie über relevante Themen.
Normalerweise wäre ich nach ein paar Treffen davon gelangweilt gewesen, aber Tendou hatte irgendetwas an sich... Ich konnte nicht genau sagen was es war aber jedes Mal, wenn ein Besuch anstand, spürte ich, wie mein Herz zu klopfen begann und ich lebendiger wurde. Vielleicht war es sein Blick, der mich fesselte, vielleicht aber auch die Art und Weise, wie er unsere Gespräche manipulierte. Nein. Eher wie er mich manipulierte. Während wir uns unterhielten bemerkte ich es nicht, doch wenn ich später an die Gespräche zurückdachte, fiel mir auf, wie er durch kleine, feine Änderungen seiner Wortwahl die Richtung unserer Unterhaltung bestimmte.
Auch jetzt war ich wieder auf dem Weg zur Anstalt. Ich hielt nur kurz am Blumenladen um eine eingegangene Blume in die Sonne zu stellen, die vorher im Schatten einer größeren Pflanze gestanden hatte.
Über was wir wohl heute reden? Fragte ich, als ich in die Nähe der Anstalt kam. "Wakatoshi-kun!" Tendou stand am Zaun und begrüßte mich breit grinsend. Ich nickte. "Hallo Tendou." Sagte ich und blieb stehen. "Was machst du draußen?" Fragte ich. Er war sonst nie draußen, wenn ich zu Besuch kam, damit er, wie sein Pfleger sagte, sich darauf vorbereiten könnte. "Ich glaub sie wollen was ändern, an unseren Gesprächen." Sagte er und folgte mir, den Zaun entlang. "Ändern?" Ich runzelte die Stirn. "An den Umständen unter denen wir uns unterhalten, verstehst du? Damit wir uns nicht so beobachtet fühlen, nehme ich an." Er pustete sich eine rote Haarsträhme aus dem Gesicht. Ich nickte. "Hm." Vor dem Eingang blieb ich wieder stehen. "Dann bis gleich." Er grinste. "Jap bis gleich." Ich betrat die Anstalt und ging den inzwischen gewohnten Weg entlang. Tendous Pfleger nahm mich in Empfang und die Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben. "Hallo Herr Ushijima." Er nästelte an seinem Kittel. "Wir haben da eine Bitte und ich weiß, wir sollten sie eigentlich um nichts mehr bitten, da sie ja schon so viel für uns tun und es tut mir auch wirklich leid. Ich hoffe es macht keine Umstände." Gefühlte 5 weitere Minuten lang, redete er um den heißen Brei herum, bis er zum Punkt kam. "Also es geht darum, dass wir das Gespräch heute in den Innenhof verlagern wollen. Wir dachten einfach es könnte für eine entspanntere Atmosphäre sorgen und natürlich garantieren wir für ihre Sicherheit. Aber wenn sie das nicht-" Ich schüttelte den Kopf. "Das stört mich nicht." Sagte ich. Der Pfleger sah mich irritiert an. "Ähm... Gut dann -äh- folgen sie mir." Er führte mich ein paar Gänge weiter und dann auf den Innenhof. Tendo stand in Zwangsjacke und schweren Handschellen ein paar Meter von mir weg und an Händen und Bauch waren Ketten befestigt, die seine Bewegungsfreiheit einschränkten.
"Darf ich etwas fragen?" Fragte ich. Der Pfleger sah mich an. "Natürlich, was wollen sie wissen?" Ich beobachtete Tendou. "Wieso behandeln sie ihn wie einen Hund? Ist das nicht etwas unmenschlich?" Er stolperte über seine eignen Füße. "N-nun was er getan hat, ist doch auch unmenschlich." Ich runzelte die Stirn. "Sie meinen, was er vermutlich getan haben soll." Ich wandte mich dem Pfleger zu. "Sie behandeln ihre Patienten also indem sie sie genauso behandeln, wie sie andere Menschen behandelt haben? Ist das nicht kontraproduktiv? Wie sollen sie sonst die schönen Seiten des Lebens kennenlernen? Wie sollen sie den richtigen Weg kennenlernen?" Überfordert begann er zu stammeln, wurde dann jedoch von Tendou unterbrochen. "Wakatoshiiii!" Fröhlich lächelte er mich an. "Worüber redet ihr?" Ich lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf den Rothaarigen. "Ich habe mich nur gefragt, warum du so behandelt wirst und sie dir nicht mehr von ihren Idealen zeigen. Immerhin ist es ja ihr Ziel, dass du nach ihren Idealen lebst. Oder irre ich mich?" Tendou kicherte erfreut. "Nein, da liegst du vollkommen richtig." Er setzte sich auf den staubigen Boden. Ich tat es ihm gleich und nickte dem Pfleger zu. "Sie können gehen. Ich habe alles was ich brauche." Er stammelte noch etwas verwirrt und lief dann zurück in das Gebäude.
Tendou lehnte sich schmunzelnd zu mir. "Und, wie war dein Tag?" Fragte er. Ich blinzelte. "In Ordnung, denke ich. Und deiner?" Er kicherte. "Das denkst du also?" Hm? "Mein Tag war lahm. Der Idiot behandelt mich weiterhin, als wäre ich ein gebrechlicher alter Mann und sonst ist hier nix los." Erzählte er. Ich musterte ihn. "Was ist?" Fragte er. "Was glaubst du, werden wir auch hier streng überwacht?" Er hob die Augenbrauen und lächelte dann. "Nun, höchstwahrscheinlich schon. Würd ihnen ja sonst nix bringen, oder? Aber alles können sie hier natürlich nicht kontrollieren, nehme ich an." Ich nickte. "Verstehe."
Daraufhin beugte ich mich etwas vor, streckte vorsichtig die Hand aus und strich ihm die Haare aus de Stirn. Überrascht sah er mich an. "Ich dachte es würde dich stören. Du versuchst regelmäßig, dir die Haare aus der Stirn zu pusten." Tendou fing an zu lachen. "Du bist so witzig Wakatoshi!" Prustete er. Seine Haut ist ganz rau. So als ob er schon viel erlebt hätte.

Ein einfacher Passant [Ushiten]Où les histoires vivent. Découvrez maintenant