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In meinen eigenen Gedanken versunken, lief ich mit einem kleinen Lächeln den Flur des Krankenhauses entlang und dachte dabei darüber nach, dass Dario einen Neuanfang wirklich mehr als nur verdient hatte. Nicht nur er - auch Julia, die ihn mehr brauchte, als er hätte erahnen können. Nunzio war zwar sicher der beste und herzlichste Onkel für sie, doch er war eben nicht ihr Vater. Vielleicht, aber auch nur vielleicht, würde sich auch Ginos und Darios Verhältnis mit der Zeit verbessern und als ich in dem Augenblick darüber nachdachte, verschwand mein Lächeln ganz plötzlich wieder. Mir kam die Erkenntnis, dass wenn ich es nicht schaffen würde, die Russen zufrieden zu stellen, wir alle ein Happy end sicher nicht mehr erleben würden.

Ich schüttelte diese grausame Vorstellung schnell wieder aus meinem Verstand und lief über das Treppenhaus hindurch ein Stockwerk rauf, wo ich sofort auf dem Flur ankam, auf dem mein Ehemann lag. Mir fiel von Weitem schon Nunzio auf, der mit den Zwillingen auf den Wartestühlen saß und jeweils einen von ihnen auf jedem Oberschenkel sitzen hatte.

"...und dann kam dieser große Bär und wollte doch nur seinen Honig wiederhaben."

Als ich mich erschöpft neben Nunzio niederließ, sah er flüchtig zu mir herüber und erzählte den Küken ganz in Ruhe seine Geschichte zu Ende, um mir anschließend behutsam Nives zu reichen.

"Sie ist wirklich sehr unruhig", erklärte er und ich sah mir meine Tochter für einen Moment ganz genau an. Sie schien wirkich nervös und ich wusste auch ganz genau, woran es lag. Die vermisste ihren Papa - seine Stimme - seinen Geruch - seine Anwesenden... genau wie ich auch.

"Bald haben wir ihn wieder", hauchte ich ihr liebevoll zu und kuschelte sie dabei eng an mich, um wieder herüber zu Nunzio zu sehen. Ich musterte ihn unauffällig von der Seite und mir fiel dabei direkt auf, wie dunkel die Ringe unter seinen Augen hervorstachen. Er war sicher auch am Ende seiner Kräfte. "Du solltest dich ausruhen gehen. Jennifer ist im Hotel, du könntest zu ihr."

"Ich gehe erst, wenn er wach ist", gab er mir sofort zurück und ich konnte ihn natürlich verstehen. Wenn es wirklich jemanden gab, der Gino genauso sehr liebte, wie ich es tat, dann war es Nunzio und ich wusste, egal was ich jetzt sagen würde, er würde hier sitzen bleiben. Das einzige, was ich also tun konnte, war für ihn da zu sein. Liebevoll nahm ich also seine Hand in meine und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln.

"Lange wird es sicher nicht mehr dauern", sprach ich ihm Mut zu und sah mich dabei wieder in dem breiten Gang des Krankenhauses um. "Wo sind eigentlich die anderen alle?"

"Felice und Zita sind beim Tierarzt und wollten sich danach ausruhen. Cecilio ist wortlos gegangen, nachdem ich mich hier hingesetzt hatte."

"Ehrlich?", erwiderte ich ihm irritiert und wollte gerade darüber nachdenken, wo Cei wohl hin ist, da spürte ich aber, wie Nunzio meine Hand etwas fester drückte und wandte meinen Blick wieder zu ihm.

"Sag mir bitte, was los ist", forderte er erneut und ich konnte gar nicht anders, als meine Augen überfordert zu verdrehen und meine Hand aus seiner zurückzuziehen.

"Nunzio, lass es gut sein", wies ich ihn erneut an und legte meine Hand sanft auf Nives Beine. Natürlich ließ dieses Tratschmaul mich aber nicht in Ruhe.

"Wie soll ich es gut sein lassen? Deine Kinder waren immerhin eine ganze Nacht lang weg! Dazu liegt Gino dort im Zimmer mit 3 Kugeln in der Brust!"

"Gino hat überlebt und meine Kinder sind wieder da!", wurde ich lauter und atmete dabei tief durch. "Also - alles geregelt."

"Die Frage ist, wie ihr es geregelt habt! Was hast du den Russen versprochen! Sag es doch einfach!"

"Gar nichts!"

Those empty eyes (Mafia) Teil 4Where stories live. Discover now