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"Amore?"

Wir schlenderten gerade nebeneinander her zurück zum Auto und ich machte mir ununterbrochen Gedanken darüber, wie ich meinen Ehemann davon abhalten könnte, einfach kopflos in einen Krieg zu ziehen - bis er mich leise ansprach und ich direkt neben ihm stehenblieb. Als ich schließlich zu ihm aufsah, erkannte ich in seinem Blick große  Besorgnis, wie auch einen Schleier von Trauer, was mich ihn genauer betrachten ließ.

"Ja? Ist alles in Ordnung?", wollte ich mitfühlend wissen und sah flüchtig auf den weißen Verband, der etwas zu sehen war, da sein Hemd obenherum aufgeknöpt war.

"Wo liegt deine Mutter begraben?"

Mir entglitt bei seiner Frage jeglicher Gesichtsausdruck und ich spürte auch sofort Nunzios neugierige Blicke auf meinem Rücken, der sich genau hinter mir befand. Es fiel mir schwer, über dieses Thema zu sprechen, denn ich hatte gelernt damit umzugehen, indem ich es durchgehend verdrängte. Genau deswegen war ich eigentlich auch froh, dass nie jemand nach ihr fragte... Ich wollte vergessen, auch wenn sie für immer ein Teil von mir sein würde.

"Was hast du?"

Gino bemerkte wohl, wie unsicher und nervös ich plötzlich wurde und ich war ein weiteres Mal heilfroh, die große Sonnenbrille anzuhaben. Tränen bahnten sich nämlich bereits den Weg in meine Augen und es benötigte all meine Kraft, sie so gut es ging zurückzuhalten. Heute war kein Tag, an dem sich jemand um mich kümmern sollte. Mir ging es gut. Ich war weder verletzt, noch sonst etwas und im Grunde wollte ich mich nur um die Gesundheit meines Ehemannes und meiner Kinder kümmern.

"Nichts", sprach ich also und setzte ein gespieltes Lächeln auf. "Ich habe nichts. Ihr Grab ist nicht in Palermo... Weißt du was, mir ist etwas schwindelig. Wir sollten nach Hause", haspelte ich nervös weiter und wollte mich gerade überfordert von ihm abwenden, da riss er aber schlagartig an meinen Arm und zog mich so nah vor sich, dass ich meinen Kopf in den Nacken legen musste, um noch zu ihm aufsehen zu können.

Meine Atmung stoppte von diesem Umschwung der Situation, doch ich ließ es schweigend über mich ergehen und hielt ganz still, während er mir nur langsam meine Sonnenbrille abnahm und intensiv in meine von Tränen schon überfluteten Augen sah.

"Ludovica", sprach er ruhig zu mir herab und hielt die Sonnenbrille Nunzio entgegen, ohne dabei meinem Blick auch nur eine Sekunde auszuweichen. "Hör bitte auf, alles mit dir selbst auszumachen. Ich bin hier und falls diese Frage zu viel für dich war, dann-"

"Nein, es ist nicht zu viel", unterbrach ich ihn und bevor meine Tränen hätten über meine Wangen laufen können, spürte ich schon Ginos Hände, der sie mir sanft auf mein Gesicht legte und die Tränen mit seinen Fingern auffing. "Nur hat sie kein Grab... Aber es ist okay", flüsterte ich mit einem Kloß im Hals und hasste es in diesem Moment, wieder solch ein Opfer darzustellen. Jetzt war wieder einer dieser Momente, wo er sich grundlos Sorgen machen würde - dabei ging es mir wirklich gut damit.

"Ich finde sie", meinte er dann schlagartig und zog mich dabei enger an seine Brust. "Wir finden sie."

"Aber du weißt doch gar nicht, wo du anfangen sollst zu suchen...", hauchte ich ohne jegliche Hoffnung, jedoch machte es mich trotzdem überglücklich, dass er überhaupt darüber nachdachte, meine Mutter zu finden.

"Lass mich nur machen... Meine Ehefrau sollte ihre Mutter jederzeit besuchen können, wenn sie sie braucht."

Ich löste mich mit einem dankbaren Lächeln von ihm und bemerkte dabei, wie er Nunzio hinter mir zunickte, den auch ich dann ins Visier nahm. Er holte sein Handy anschließend hervor und entfernte sich einige Schritte von uns, wodurch ich sofort wieder Gino ansah und meine restlichen Tränen schnell weg wischte.

Those empty eyes (Mafia) Teil 4Hikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin