Kapitel zweiundneunzig

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Entzücktes Quieken, so würde ich Annabelles ersten Schrei beschreiben, als sie uns entgegentrat. An ihrer Seite begleitete sie ein älterer Mann mit gänzlich ergrautem Haar, die er zu einem Zopf gebunden hatte. Er trug einen, unfassbar akkurat, ausrasierten Vollbart, einen braunen Anzug und dazu Sneaker. Sicherlich hatte er die 40 weit überschritten, aber hätte ich wetten müssen, ich hätte gesagt, dass er sich in seiner Freizeit, wenn er gerade nicht seine Kanzlei, Praxis oder Firma managte, sicherlich für Kataloge abgelichtet wurde. Seine stechenden Augen fingen mich sofort und alles an diesem wunderschönen Lächeln sprach von... Gefahr?

Zu meiner Überraschung legte er seinen ersten Fokus zwar auf Caspar und mich, dann trat er aber auf Roland zu, lächelte warm und sie gaben sich erst die Hand, in der Weise in der man die Hände ähnlich dem Armdrücken reicht und schlossen sich dann innig in die Arme, auf jede Wange einen Kuss hauchend. Nie hatte ich meinen Mann derartiger mit einem anderen Menschen agieren sehen und in meinem Bauch bildete sich ein seltsamer Knoten, den ich nicht näher definieren wollen, sonst hätte ich mir eingestehen müssen, dass es Eifersucht hätte sein können.

„Rolan" skeptisch wölbte ich eine Braue, als er Roland dergleichen ansprach. Es klang beinah wie Rehlan wobei das R gerollt und das E rachial klang. Der Mann meines Herzens wirkte ernsthaft erfreut, erwiderte die Umarmung und sie küssten sich erneut auf jede Wange. „Roland, Andrei oder ich rufe Dich ab heute Andreas." Herzlich lachten die Beiden und der grauhaarige sprach mit starken, und wie ich mir eingestehen musste, sehr erotisch klingendem, russischem Akzent.

„Sei mir nicht böse, es ist nicht zu leicht für mich." Ich mochte die Rhythmik seiner Aussprache sofort und auch wie er das R rollte, irgendwas berührte dieser hübsche Mann in mir, von dem ich, neben der Eifersucht, die ich mir nicht eingestehen wollte, nicht verstand was es war.

„Was bringt Dich in die Niederlande? Sag mir nicht, Du verpasst meine Hochzeit, um Dich dann ein paar Tage später von meiner Nadelfee verschönern zu lassen?!" Er wiegte übertrieben theatralisch den Kopf und die gespreizte Handfläche zugleich. „Vielleicht ein bisschen Du hast Recht, aber ich konnte nicht früher, Du weißt doch wie es läuft aber zeig mir, was Du chast für prächtiges Spielzeug." Er deutete auf Caspar und mich und zu meinem Missfallen bemerkte ich, dass ich tatsächlich unter seinen Worten errötete.

„Das mein Lieber, ist kein Spielzeug, sondern die Frau deren Hochzeit Du versäumt hast." Er griff meine Hand und dirigierte mich ein wenig in Richtung Andreis.

Zu meiner eigenen Verwunderung knickste ich und er zeigte ein verbogenes Lächeln und ein anerkennendes Kopfnicken. „Was chast Du für sie bezahlt, ich gebe Dir doppeltes." scherzte er, doch Roland wurde schlagartig ernst. „Das mein Guter ist nichts was man zwischen Tür und Angel bespricht, aber soviel musst Du wissen, sie ist nicht verkäuflich und hat für mich weit mehr bezahlt als ich für sie." Anerkennend musterte der Grauhaarige mich und nickte dann in Rolands Richtung.

„Du musst mir davon erzählen, chast Du..." er zog sein Handy und checkte etwas... „..morgen Nachmittag Zeit, dann koome ich, Annabelle muss gucken ob alles ist gut versorgt bei mir und ich sage Termin danach ab und wir trinken und reden, Да?" „Да!" entgegnete Roland das russische ja. „Das klingt wunderbar. Wie lange ist es her? Zwei Jahre, drei?" Andrei lächelte wehmütig. „Ich denke fast vier." Damit betrat er die Fähre. „Dawai, passt Du auf Dich und Deine Schätze auf und wenn Du brauchst etwas um... sagst Du mir einfach Да?"

„Do svidaniya, Andrei. Du auch auf Dich und nein, ganz sicher nicht."

Von diesem Gespräch und dem Auftreten des Fremden vollkommen verwirrt, schloss ich Anna in die Arme und küsste sie innig. „Ich habe Dich vermisst hübsche Elfe." flüsterte ich an ihre Lippen. Skeptisch musterte sie mich mit gerunzelter Stirn. „Ich sollte böse sein, das man an euch rein gar nichts mehr von meinen Arbeiten sieht, aber scheiße seht ihr gut aus!" Sie sank auf die Knie und blickte flehend zu Roland auf. „Bitte Herr, benutze mich, schlag mich, mach was immer Du wünscht mit mir, aber erlaube mir auch so was, biiiittte!" Lächelnd strich er ihr über die Wange. „Aber dann sieht man doch auch von Deinem Gesamtkunstwerk nichts mehr, willst Du das wirklich? Vielleicht kann Carla Dir etwas transparentes anfertigen."

Wunsch & WilleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt