Kapitel hundertfünfundfünfzig

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Dunkelheit hüllte das Zimmer ein, als ich erwachte. Orientierungslos tastete ich umher und kroch nur schwerfällig wieder aus Morpheus Armen. Auch nach einer ganzen Weile, war mir nicht klar, wie lange ich schon geschlafen hatte.

Es war ein Geräusch das mich geweckt hatte, nein kein bloßes Geräusch, sondern die leise Stimme eines Mädchens?... oder... vielleicht eine junge Frau.

Wie sehr ich auch lauschte, ich verstand ihre Worte nicht aber die Art und Rhythmik flößten mir unfassbare Angst ein. Langsam erhob ich mich, griff neben mich um Jacob zu wecken, doch zu meiner Verwunderung war seine Bettseite leer, nein nicht nur leer, sie war kalt, als läge er schon lange nicht mehr an meiner Seite. „Licht an!" befahl ich dem System, doch es reagierte nicht. Wie vom Blitz erfasst, wurde mein ganzer Körper von purer, reiner Panik ergriffen.

Zaghaft tastete meine Hand nach der Lampe auf dem Nachttisch neben mir und ich schaffte es tatsächlich sie einzuschalten.

Der schmale Schein den sie warf, offenbarte mir etwas, dass ich ganz und gar nicht hätte sehen wollen. Panisch sah ich mich um, die Decke an den Leib ziehend, ob ich die Ursache des vielen Blutes am Boden herausfinden könne. Ich sah nichts, was meine Panik nur weiter schürte, aber mit dem Kegel des Lichts hatte sich auch die Stimme des Mädchens entfernt.

Sie schien sich nun eindeutig außerhalb des Schlafzimmers zu befinden, fast schon auf der Treppe. Schwer nur bracht ich meinen Körper dazu, sich zu erheben, jeden Muskel zum zerreißen gespannt und wies das Sprachsystem erneut an, das Licht einzuschalten. Erneut gab es nicht die kleinste Reaktion.

Mein Blick streifte das Messer, welches Jacob genutzt hatte um mich von den Seilen zu befreien. Achtlos lag es vor dem Hocker und ich ergriff es mit zittriger Hand, erleichtert darüber nun etwas zu umklammern, dass mir die trügerische Sicherheit vermittelte, mich verteidigen zu können.

»Wie ungewöhnlich, dass er seine, von ihm sehr geschätzt Waffe so offen rumliegen ließ«. Dachte ich bei mir, doch war ich froh sie in der Hand zu halten.

Zaghaft, Schritt für Schritt näherte ich mich der Tür, folgte der Spur des Blut. „Jacob!" rief ich vorsichtig in die Dunkelheit, doch beschlich mich die Gewissheit, dass das Blut welches so großzügig über den Boden verteilt war seines war. Der Gedanke ließ mich wimmern.

Meine Finger zitterten so stark, dass ich Angst hatte, das Messer fiele mir aus der Hand, als ich die Tür gänzlich öffnete. Die Stimme der jungen Frau... nein sie war noch zu jung, vielleicht ein Teenager... wurde lauter, doch ich erkannte die Worte immer noch nicht. Das Licht manuell einschaltend rief ich erneut nach Jacob, doch ich erhielt auch diesmal keine Antwort.

Auch hier auf der Treppe befand sich noch immer Blut, doch es war deutlich weniger, als auf dem Teppich des Schlafzimmers. „Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade." Flüsterte das Mädchen leise.

Und ich erkannte endlich warum mich die Stimme und vor allem die Rhythmik der Worte so panisch werden ließ. Sie betete und mir wurde bewusst, dass sie das die ganze Zeit schon tat. Tränen standen mir in den Augen, doch ich setzte meinen Weg Schritt um Schritt, Stufe um Stufe fort, folgte tapfer dem Rot welches den Boden besudelte und der Richtung, aus der die mir fremde Stimme erklang.

Nach einer Weile erst erkannte ich, dass ihr Ursprung aus Damian und Yevas Zimmer zu stammen schien, deren Tür ein wenig offen stand. Schluckend und mit zum zerreißen gespannten Muskeln sah ich, wie sie weiter aufschwang, ohne das sie berührt wurde und hörte deutlich wie die Mädchenstimme, deren Klang ich weder kannte, noch irgendwie einordnen konnte, an Kraft zu nahm und ihr Gebet wieder und wieder, lauter werdend, rezitierte.

Meine Füße vergaßen was sie tun mussten um mich, der Quelle, näher zu bringen oder vielleicht weigerte sich mein Körper auch schlicht, auf die vermeintliche Gefahr zuzugehen. Erstarrt blieb ich im Eingang des dunklen Raumes stehen und konnte keinen einzigen Muskel rühren, als das Mädchen mich aufforderte. „Bete mit mir Lena, ich weiß das Du es kannst, Du hast es schon gebetet, weißt Du noch? Vielleicht finden ihre Seelen ja Erlösung, wenn Du mit mir betest! Komm Lena, bete mit mir, Vater sieht uns, es wird ihn freuen, komm schon Lena: Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade... sag es mit mir!"

Wunsch & WilleWhere stories live. Discover now