Kapitel hundertvierzundzwanzig

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Zu meiner Verwunderung erkannte ich nur ein einzigen der maskierten Häscher, welcher mich mit einem Ruck auf die Füße beförderte, doch beinah sanft mit sich führte.

Kaum hatten wir die Tür passiert, da ließ die Stimme, die nah meines Ohres erklang, mein Blut in den Adern gefrieren.

Sie sprach englisch mit sehr stark russischem Akzent und ich erkannte sie sofort auch wenn mein gebeuteltes Gehirn nicht verstehen konnte, wie es möglich war, dass sie es war, die rau sprach:

„Töte ihn wenn Du kannst Herrin, alles was er sagt sind Lügen, er wird alle töten die Du liebst, egal was Du für ihn tust." Nicht wissend wie ich diese Information auch nur verarbeiten sollte, nickte aber schwach, in der Hoffnung, dass niemand erkannte, was er wirklich in mir ausgelöst hatten.

Der Junge, dem die totgeglaubte Stimme gehörte führte mich nun schweigend in den Innenhof, wo mir ebenso wortlos zwei weitere Maskierte das Gewand über den Kopf zogen und meinen geschundenen Körper preisgaben. Tief atmend ertrug ich auch das, während meine Gedanken rasten und zwischen Angst, Verzweiflung, Erleichterung und Hass schwankte, doch man ließ mir kaum Zeit, mich darin zu verlieren. Mir war bewusst, dass es für unser Überleben essentiell sein würde, dass ich meinen Fokus auf den Mann behielt, der die Verantwortung für unsere Entführung trug. Schwer drängte ich mein Gefühlschaos tief in mich hinab und konzentrierte mich auf meine Umgebung und das was mit mir geschah.

Diesmal schien man Erbarmen mit mir zu haben, wurde ich doch lediglich mit einem Schwamm und kaltem Seifenwasser abgewaschen und zu meiner Erleichterung ließ man auch meine Haare wie sie waren, so dass der darin verborgene Metallpin unentdeckt blieb.

Es war September, doch zu meinem Glück noch nicht so kalt, dass die Waschung grausam gewesen wäre, dennoch zeigte ich eine deutliche Gänsehaut, als man mir mit dem ausgewrungenen Schwamm das Wasser vom Körper strich und mir ein neues Gewand überstreifte. Dieses glich eher einem Tischläufer, blieb an den Seiten vollkommen geöffnet und einzig für meinen Kopf zeigte es mittig eine Öffnung. Dennoch war es so breit, dass man meinen darunterliegende Nacktheit nur sah, wenn ich die Arme ausbreitete.

Wortlos trat einer der Maskierten vor mich und schien mich lange anzusehen, dann nickte er, ich dachte zuerst er würde mir zunicken, doch mit einem mal wurde ich von vier Männern gepackt und in die Knie gezwungen.

Etwas stach mir scharf in die Kopfhaut und die Stirn, dann wurden meine Hände gefasst und ich erkannte panisch den Stacheldraht, mit dem auch sie zusammengebunden wurden. Laut keuchte ich, mehr vor Entsetzen als vor Schmerz auf als ich mir der Drahtstacheln bewusst wurde, die in meine Handgelenke und Kopfhaut stachen. Auch um meine Fußknöchel wurde Stacheldraht gewickelt, allerdings um jeden Knöchel einzeln und nicht miteinander fixiert, so dass ich des Laufens mächtig blieb.

„Nun bist Du bereit für Dein Mahl mein Engel?" Erklang die Stimme vor mir, die ich bisher nur aus dem Lautsprecher kannte und die mich einen angeekelten Schauder unterdrücken ließ.

Die Panik, dass er mich neuerlich meine Freunde an mich verfüttern würde, schnürte mir die Kehle zu und panisch nach Luft ringend, schluckte ich die aufkommende Galle hinab. Wortlos führte man mich in meine Zelle zurück und stieß mich auf den Boden, was nicht nur meine Knie aufschrammen ließ, sondern auch dem Stacheldraht tief in die Haut meiner Knöchel trieb.

Schon jetzt spürte ich, wie einzelne Blutstropfen an meinen Füßen hinabzurinnen begannen. Auch an meinen Handgelenken sah ich die ersten Tropfen Blutes fließen und meine Hoffnung darauf eine Chance zu bekommen, ihn und seine Helfer zu überwältigen schwand rapide.

Erleichtert stellte ich fest, was mir auf einem Tablett in die Zelle gestellt wurde und atmete neuerlich tief ein und aus. Der Teller war mit einem Stück trockenen Brotes und scheinbar mit einem schlichten Becher mit Wasser gefüllt. Tränen der Erleichterung niederringend, brach ich mir Stücke des Brotes ab und kaute mit geschlossenen Lidern, nachdem ich ein kurzes Gebet gesprochen hatte. Nur sehr behutsam bewegte ich mich dabei, um den engen Draht nicht dazu zu bringen mir noch mehr Wunden zuzufügen.

Wunsch & WilleWhere stories live. Discover now