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Lilith

Mit dröhnendem Kopf wache ich auf und schließe direkt meine Augen wieder, da das Sonnenstrahlen genau auf meinem Gesicht ist. Seufzend wende ich mich und ich spüre ein warmes Atem auf meiner Haut. Erschrocken öffne ich direkt meine Augen wieder und erblicke in ein bekanntes Gesicht. Emilio? Was macht er denn hier und wieso ist er in meinem Bett? Neben mir? Übelkeit überkommt mich und ich setze mich auf. Sein Arm liegt auf meinem Bauch und ein Blick in die Decke verrät mir, dass nichts großes geschehen ist. Erleichtert atme ich wieder aus und ich nehme seinen starken Arm von mir weg. Langsam stehe ich vom Bett auf und direkt renne ich ins Bad, wo ich das ganze gestrige Alkohol raus kotze. Ein Blick ins Spiegel verratet mir, dass ich katastrophal aussehe und ich dringend ein Bad brauche.

Während meines dusch-Prozesses kommen meine einzelne Erinnerungen ins Gedächtnis und mit meiner rechten Handfläche schlage ich mir gegen die Stirn. »Wie kannst du so dumm sein?!« fragt mich meine innere Stimme und ich kann es nicht beantworten. Wie kann ich so verdammt dumm gewesen sein?

Seufzend steige ich aus der Dusche und mache mich fertig. Die eingenommene Schmerztablette zeigt seine Wirkung und ich begebe mich gekleidet und geschminkt in die Küche. Der männliche Gestalt steht dort mit dem Rücken zu mir und bereitet vermutlich Kaffee vor. "Guten Morgen," quicke ich und stelle mich neben ihm. Er lächlt mich an und zieht mich zu sich ehe er ein Kuss auf meine Wange gibt. "Guten Morgen Schatz," sagt er und kneift meine Wange. Mit einem Lächeln überdecke ich meine Verwirrung und nehme meinen Kaffee zur Hand. Hat er mich gerade ernsthaft »Schatz« genannt? Ich trinke meine Übelkeit mit Kaffee über und lächele ihn lieb an. Seine Augen strahlen förmlich und in seinem Gesicht widerspiegelt sich so viel Freude. "Du siehst toll aus," sagt er zu mir und unterbringt die angenehme -für ihn unangenehme- Stille und ich bedanke mich bei ihm. Zusammen setzen wir uns zum Esstisch und trinken still den Kaffee.

Als ich mich räuspere blickt er mich an und studiert meinen Gesicht. "Darf ich wissen, was gestern genau passiert ist?" beginne ich den unangenehmen Gespräch und er zieht seiner linke Braue nach oben. Was glotzt du so? "Kannst du dich etwa nicht daran erinnern?" fragt er mich unsicher und ich erkenne einen leichten enttäuschten Unterton. "Ja schon, aber ich möchte es von deinem Mund nochmal hören," erwidere ich und er nickt.

"Also die Zusammenfassung: du warst sehr betrunken, ein Mann wollte dich betatschen, aber statt das er dich anfasst, hat meine Faust ihn angefassen. Dann haben wir uns geküsst und wir sind nun in einer festen und ersten Beziehung," erklärt er und ich nicke nur. Die Wörter »fest« und »ernst« hat er so betont, dass es schon fast die einzigen Wörter sind, die sich mein Gehirn gemerkt hat. Etwas ungläubig betrachte ich ihn und langsam nicke ich. "Verstehe," sage ich als Antwort und auf einmal spüre ich warme Hände an meiner Wange. "Lilith mach dir keine Sorge, du bist bei mir in sicheren Händen, okey? Ich liebe dich und du mich. Auch wenn wir zusammen kamen, als du betrunken warst, heißt es nicht, dass es nicht klappen würde. Du bist bei mir sicher und ich verehre dich," sagt er so sanft wie es geht und ich überlege. Das alles ist doch so unrealistisch und das sollte er eigentlich merken. Ich war betrunken und er weiß es, trotzdem will er mich. Es kommt mir etwas seltsam rüber aber im Endeffekt nicke ich nur. Ich liebe Emilio nicht und dazu kenne ich ihn nichtmal richtig, aber ich kann doch jetzt nicht sagen, dass daraus nichts wird und ich ihn nicht mal liebe. Seine Augen strahlen förmlich und er lächelt mich verliebt an. Eklig.

Ich glaube seit längerem nicht mehr an die Liebe und als ich nun ganz zustimme, mit ihm zusammen zu sein, bereue ich es im nächsten Moment. Ich kann ihn jetzt nicht die Wahrheit sagen, es geht nicht. Ich würde ihm weh tun und das möchte ich nicht. So dramatisch wird es ja nicht und falls, lässt mich dann Nick in ruhe. Hoffentlich.

Da heute Sonntag ist, dachte ich mir, ich erkundige etwas die Stadt, bevor morgen mein erster Arbeitstag beginnt. In Rochester ist sogar am Sonntag alles offen. Emilio wurde glücklicherweise gerufen, da ein Unfall passiert ist und somit habe ich genug Zeit für mich selber.

Ich ziehe meinen Lieblingkleid an. Es ist weiß und reicht mir bis zu meinem Oberschenkel. Zwei dünne Träger halten den Kleid an meinen Schultern und man sieht bisschen was von meinem Dekolleté. Meine langen Haare binde ich zu einem strengen Zopf und locke sie, damit das Zopf eleganter aussieht. Durch meinen hellen Make-up, sehe ich ganz süß aus. Ich ziehe mir noch meine Airforce an und dann gehe ich schon aus dem Haus.

Mit meinem Auto fahre ich in die Stadt und suche einen Parkplatz. Ich parke im Parkhaus und begebe mich zu Starbucks ehe ich ein Kaffee kaufe und diese trinke. Das Wetter ist wirklich heiß und ich spüre etwas Schweiß am Nacken. Ich sehe mich um und begebe mich in einzelnen Läden.

Die Tüten werden immer mehr und ich fühle meine Beine kaum. Es ist schon fast dunkel und langsam verfärbt sich der Himmel. Ich setzte mich auf eine Bank und betrachte meine Umgebung. Jeder ist so glücklich und ich frage mich, ob ich es auch sein kann. Wird das Glück diesesmal auf meiner Seite sein?

"Na Red, gefällt dir das Sonnenuntergang?" höre ich eine Stimme und ich bekomme eine Gänsehaut. So viel zu Glück. Mein Kopf wendet sich ungewollt zu Nick, der mich lächelnd anschaut. Ich schlucke schwer und mein Körper wurde mit einem Mal ganz heiß. Seine Augen bohren sich in meine und er schaut mich von oben bis unten an. Er setzt sich zu mir und bevor ich aufstehen kann, merke ich ein Messer. Ich schlucke schwer und schaue ihn mit großen Augen an. Will er mich etwa töten?

"Und wie war das Gefühl, einen anderen Mann zu küssen?!" schreit er schon fast und schaut mich wütend an. Der Zorn in seinen Augen bohren mich und ich bekomme Angst. Kein Wort verlässt meinen Mund und die Sätze machen in meinem Kopf keinen Sinn. Im nächsten Moment spüre ich die Messerspitze an meinem Nacken und ungewollt schluchze ich auf. Eine einsame Träne verlässt mein Auge und mein Blick gleitet zum Messer, dass nun an meinem Bauch ist. Ich schließe fest meine Augen und bete. Er soll mir bitte nichts antun, bitte Allah. Ich öffne meine Augen und ein lautes Hupen erschreckt mich. Sein Kopf dreht sich zum Auto und direkt nutze ich die Chance und renne weg. Ja Allah, ich danke dir!

"Komm zurück du Nutte," schreit er mir hinterher und lauft mir nach. Wir rennen gegen Autos, Menschen und Läden. Meine Luft wird knapp und ich stoppe ehe ich herum schaue. Wo ist er? Als ich ihn sehe, laufe ich rein ins Spielplatz. Dort sind viele Kinder und Eltern und dort kann er mir mit einem menschlichen Verstand nichts antun. Aufeinmal rempele ich eine Frau an und entschuldige mich bei ihr. Bevor ich weiter renne kann, steht ein Kind vor mir und betatscht mein Bein. "Ich bin," sagt er und rennt vor mir weg. Verwirrt schaue ich ihn an und langsam verstehe ich. Er rennt zu Nick, der ebenfalls stehen geblieben ist und als das Kind vor ihm zum stehen bleibt, sagt er, dass nun er dran sei. Ein Grinsen entsteht auf seinem Gesicht und er kommt auf mich zu. Direkt renne ich los und gehe zwischen den Kindern. Viele Kinder laufen zu Nick, weshalb er es nicht schafft, weiter zu laufen. Er stoppt und ich nutze die Gelegenheit. Ohne ihn ein Blick zu würgen, verschwinde ich aus dem Park und suche eine sichere Stelle. Ich befinde mich zwischen viele Menschen und mein Puls beruhigt sich wieder. Mit langsam Schritten suche ich meinen Parkhaus und plötzlich laufe ich in jemanden rein. Erschrocken zucke ich zusammen und habe Angst, dass es Nick sei.

"Alles okey?" fragt eine bekannte Stimme und jegliches Blut verschwindet aus meinem Gesicht. Ich spüre meine Blassheit und als ich hoch schaue und ich in seinen Augen sehe, wird mir schwarz vor den Augen. Das einzige was ich weiß ist, dass ich nicht mehr atmen kann.

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🫶

Meine ungewollte SchwächeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt